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Special Russland

US-Sanktionen verunsichern deutsche Unternehmen in Russland

Trotz aller Bemühungen der russischen Regierung, gute Bedingungen für Investoren zu schaffen, stehen diese oftmals vor spezifischen Herausforderungen. Dauerbrenner sind dabei eine überbordende Bürokratie, ungleiche Spielregeln beim Zugang zu staatlichen Ausschreibungen, administrative Hürden und Korruption.

Das Zentrum für Strategische Forschungen fand heraus, dass 80 Prozent aller Staatsaufträge an einen kleinen Kreis von Bietern vergeben werden. Unter diesen knapp 3 Prozent der russischen Unternehmen finden sich vor allem Großkonzerne wie Gazprom und Rostelekom. Der Leiter der Agentur MSP, Alexander Bravermann, sprach sich dafür aus, dass kleine und mittelständische Unternehmen die Kosten für eine freiwillige Zertifizierung übernehmen müssen, wenn sie an staatliche Großkunden liefern wollen. Dieser Vorschlag dürfte es Mittelständlern noch weiter erschweren, an Staatsaufträge zu kommen. Ein Zertifikat kostet durchschnittlich etwa 7.000 Euro pro Produkt.

Ganz praktische Herausforderungen erwarten Investoren in Ministerien. Falk Tischendorf, Leiter des Moskauer Büros der Kanzlei Beiten Burkhardt, begleitete mehrere Unternehmen bei Verhandlungen in russische Ministerien, in denen sie mit offenen Armen empfangen werden. Projekte deutscher Investoren stoßen bei den Beamten auf Interesse und erhalten Unterstützung. Dieser positive Eindruck muss dann auf Arbeitsebene in den Ministerien richtig umgesetzt werden. Der Kenntnis von bestehenden Abstimmungsmechanismen und Genehmigungsprozessen innerhalb und zwischen den Ministerien kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

Generell sind die Ministerien sehr bemüht, ausländischen Firmen zu helfen. Das deutsche Unternehmen Schattdecor erhielt in einem Rechtsstreit Unterstützung von einem hohen Beamten der Regierung des Gebiets Moskau. Bei einem Anhörungstermin machte dieser dem Generaldirektor von Schattdecor, Jens Palmen, den Vorschlag, einen Vergleich mit dem Kläger zu schließen. Dabei bot er an, einen Termin zu vereinbaren und zu vermitteln.

Doch nicht immer enden Gerichtsverfahren zum Wohle deutscher Firmen. Korruption und Betrugsfälle trüben das positive Bild der sich verbessernden Rahmenbedingungen, wie der Fall der deutschen Firma Hochtief gegen die Investizionnaya Kompanija Pulkovskaja des Oligarchen Jewgenij Wojtenkow zeigt. Der russische Auftraggeber bezahlte Hochtief nicht nur keine Honorare für die Projektierung eines Autohauses in Sankt Petersburg, sondern verklagte sogar das Management des Baukonzerns. Um sich zu wehren, ging Hochtief an die Öffentlichkeit und schaltete Verbände und die Politik ein.

Zudem hängen die geplanten neuen US-Sanktionen gegen Russland wie ein Damoklesschwert über den Investitionsplänen deutscher Unternehmen. Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) führte im August 2017 eine Umfrage unter ihren Mitgliedsunternehmen durch. Die absolute Mehrheit der Teilnehmer betrachtet die US-Sanktionen als Gefahr für die deutsche Wirtschaft in Russland. Vor allem die Frage, welche Projekte konkret von den Sanktionen betroffen sein könnten, verunsichert deutsche Manager in Russland.

Doch es gibt auch positive Entwicklungen. Russland hat sich in der Rangliste des Weltwirtschaftsforums (WEF) mit den wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt 2017 von Platz 43 auf 38 (von 137) vorgeschoben. Der Aufstieg um fünf Plätze ist vor allem mit der günstigeren makroökonomischen Situation verbunden.

Die besten Bewertungen erzielt Russland in den Kategorien Marktgröße (6), höhere Bildung (32) und Infrastruktur (35). Schwierigkeiten gibt es nach wie vor bei der hohen Abhängigkeit von Rohstoffexporten, dem schwach entwickelten Bankensektor (107), bei Eigentumsrechten (106), der Unabhängigkeit der Justiz (90) und Korruption. Deutschland erreichte im WEF-Ranking Platz 5.


WEF-Länderrating 2017 bis 2018, Russland (Rang von insgesamt 137 Ländern)

Kriterien 1)

Russland

Deutschland

Gesamtrang

38

5

1 Institutionen 2)

83

21

2 Infrastruktur

35

10

3 Gesundheit und Grundbildung

54

13

4 Höhere Bildung und Ausbildung

32

15

5 Effizienz der Gütermärkte 3)

80

11

6 Effizienz des Arbeitsmarkts

60

14

7 Entwicklung des Finanzmarkts 4)

107

12

8 Qualität des Geschäftsumfeldes

71

5

9 Korruption 5)

131/176

10/176

1) bewerten unter anderem: 2) Eigentumsrechte, Unabhängigkeit der Justiz, Auditierung, 3) benötigte Zeit für die Unternehmensgründung, Wettbewerbsintensität, Besteuerung, Zollvorschriften, 4) Beschränkungen der Kapitalströme, 5) Rang (von 176 Ländern) bei Transparency International (TI)
Quellen: World Economic Forum, Global Competitiveness Report; Transparency International


Zudem erfüllt Russland nach Angaben von Transparency International zwei der 16 Verpflichtungen, die 2016 auf dem Anti-Korruptions-Summit in London beschlossen wurden. Umgesetzt wurden bereits die Open Data Charta und gemeinsame Reporting Standards. Keine Fortschritte sind beim Vorgehen gegen Korruption und bei öffentlichen Ausschreibungen zu verzeichnen.

Im Anti-Korruptions-Index von PwC, der den Grad der Übereinstimmung mit den Anforderungen der Gesetze zur Korruptionsbekämpfung misst, ist Russlands Wert 2017 von 64 auf 68 Prozent gestiegen. Die Verbesserung ist auf die Schaffung eigener Compliance-Abteilungen und die Entwicklung relevanter Richtlinien und Verfahren in russischen Firmen zurückzuführen.


Text: Hans-Jürgen Wittmann

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