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Wirtschaftsumfeld | Brasilien | Investitionsförderung

Praxischeck

Bei der Verbesserung des Investitionsklimas kommt Brasilien kaum voran. Die politische Unsicherheit nimmt im Vorfeld der Wahlen im Herbst 2022 weiter zu.

Von Johannes Dimas | Rio de Janeiro

Im Ranking zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit des International Institute for Management Development (IMD) von Juni 2022 liegt Brasilien auf Platz 59 von 63 Ländern weltweit. Das sind zwei Ränge schlechter als 2021. Positiv entwickelten sich die Kriterien "Wirtschaftliche Effizienz" und "Infrastruktur". Doch zeigt das Ranking von IMD klar, dass in vielen Bereichen weiter großer Nachholbedarf besteht.

Die Einschätzungen der Unternehmen in Brasilien zur aktuellen Lage und zu den Erwartungen haben sich seit Anfang 2022 verbessert. Darauf deutet die Entwicklung der Indizes der brasilianischen Stiftung Getulio Vargas (FGV) hin. Die Verbraucher bewerten ihre Lage hingegen negativ und zeigen sich pessimistisch. Im regionalen Index zum Wirtschaftsklima in Lateinamerika liegt Brasilien aktuell auf einem der hinteren Ränge.

IMD-Länderrating 2022, Brasilien (wirtschaftlicher Rang von insgesamt 63 Ländern)

Faktor / Unterfaktoren (Auswahl)

Brasilien

Deutschland

Gesamtrang unter 63 Ländern

59

15

  Wirtschaftliche Leistung

48

5

     Inländische Wirtschaft

41

11

     Internationaler Handel

48

8

     Internationale Investitionen

28

7

  Effizienz der Regierung

61

21

     Steuerpolitik

43

54

     Gesetzgebung für Unternehmen

58

18

  Wirtschaftliche Effizienz

52

21

  Infrastruktur

53

9

Quelle: IMD World Competitiveness Booklet, Juni 2022

Politik sendet gegenläufige Signale

Viele Hoffnungen auf bessere Rahmenbedingungen im Zuge des wirtschaftsliberalen Kurses der aktuellen Regierung wurden enttäuscht. Allerdings haben die Privatisierung und die Vergabe von Konzessionen zum Betrieb von Verkehrs- und anderen Infrastruktureinrichtungen seit 2021 an Fahrt gewonnen. Die größte Auktion betraf im April 2021 die Wasserwirtschaft im Bundesstaat Rio de Janeiro. Die zugesagten Investitionen der nunmehr privaten Investoren eröffnen neue Anknüpfungspunkte für deutsche Unternehmen.

Dagegen nähern sich die öffentlichen Investitionen historischen Tiefstständen. Laut FGV lagen sie 2021 - ohne staatliche Unternehmen - bei 1,4 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Dabei erreichte der Anteil des Bundes nur einen Wert von knapp 0,3 Prozent im Verhältnis zum BIP.

Die Handelsbeziehungen in Südamerika auf Grundlage des Mercosur entwickeln sich nur mühsam. Das Freihandelsabkommen zwischen Mercosur und der EU liegt auf Eis. Mit Deutschland besteht weder ein bilaterales Investitionsabkommen (CFIA) noch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Die Beziehungen auf Regierungsebene sind teils schwierig.

Brasilien muss mehr für Umweltschutz und Bildung tun

Der Trend zu nachhaltigen Investitionen fordert Brasilien heraus. Soziale, ethische und ökologische Aspekte gewinnen für Investoren an Bedeutung. Die aktuelle Politik Brasiliens hinsichtlich Minderheiten, Bildung, Klima und Umwelt ist damit nur schwer in Einklang zu bringen. Der Bildungssektor, ein Schlüsselfaktor für die Steigerung der Produktivität, wird vernachlässigt.

Im Jahr 2021 erreichten die Rodungen im Amazonasgebiet ein 15-Jahreshoch. Die Landwirtschaft gräbt sich das Wasser ab: Die Entwaldung fördert Dürren. Die zunehmende Trockenheit gefährdet die bislang mögliche doppelte Ernte pro Jahr. Diese ist aber maßgeblich für den Erfolg der Landwirtschaft.

Entwicklungen in der Politik verunsichern Investoren

Die Eingriffe des Präsidenten Jair Bolsonaro in die Preisbildung beim Öl- und Gaskonzern Petrobras Anfang 2021 haben die Märkte verunsichert. Das zeigte sich eindrücklich an dem Absturz der Aktienkurse der teilstaatlichen Unternehmen Petrobras, Banco do Brasil und Eletrobras an der Börse in São Paulo.

Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, rechter Populismus, die politische Instrumentalisierung der Armee und Machtkämpfe um die staatlichen Institutionen untergraben den Erfolg der Reformen. Der Reformkurs könnte letztlich einem extrem polarisierten Wahlkampf zum Opfer fallen. Brasiliens Wahlen im Herbst 2022 werden eine Wegmarke sein. Für Unternehmen führen die Unwägbarkeiten auf Bundesebene dazu, dass die Zusammenarbeit mit den Bundesstaaten an Bedeutung gewinnt.

Deutsche Unternehmen halten sich bei Zukunftsthemen zurück

Deutsche Firmen sind in der brasilianischen Industrie seit Jahrzehnten stark vertreten. Gerade bei Zukunftsthemen wie der Wasserstoffwirtschaft verblasst das Engagement aber hinter dem der internationalen Konkurrenz. Die Firmenzentralen in Deutschland stellen Entscheidungen zurück oder nehmen andere Märkte in den Blick.

WEF-Länderrating 2019, Brasilien (wirtschaftlicher Rang von insgesamt 141 Ländern)

Kriterien

Brasilien

Deutschland

Gesamtrang

71

7

1 Institutionen (Sicherheit, Transparenz, Recht)

99

18

2 Infrastruktur

78

8

3 Adaption von Informations- und Kommunikationstechnologien

67

36

4 Makroökonomische Stabilität

115

1

5 Gesundheit

75

31

6 Bildung und Ausbildung

96

5

7 Produktmärkte

124

9

8 Arbeitsmarkt

105

14

9 Finanzsystem

55

25

10 Marktgröße

10

5

11 Dynamik des Geschäftsumfeldes

67

5

12 Innovationsfähigkeit

40

1

Quelle: World Economic Forum (Global Competitiveness Report 2019)


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