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Branchen | Chile | Wasser- und Abwassertechnologie

Chiles Abwasserentsorgung vor Modernisierungsschub

Die Kläranlagen in Chile haben einen hohen Modernisierungs- und Erweiterungsbedarf. Klärschlammnutzung und Verwertung von wieder aufbereitetem Wasser sind Zukunftsthemen.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Noch Anfang der 2000er Jahre flossen die Abwässer in Chile im Regelfall völlig unbehandelt in Flüsse oder in das Meer. Heute ist das anders, wie der Environmental Performance Index der Yale-Universität zeigt. In dem jüngsten Ranking von 2022 lag der Andenstaat unter 180 Ländern weltweit auf Platz 24 und damit weit vor Brasilien (39), dem nächsten Land der Region. Deutschland kam auf Platz 8. Tatsächlich werden in Chile aktuell fast 100 Prozent der städtischen Abwässer gesammelt und von landesweit 399 Kläranlagen gereinigt, so die Aufsichtsbehörde Superintendencia de Servicios Sanitarios (SiSS). 

Zwar stehen neue Großprojekte in dem zu 99 Prozent privatisierten Wassersektor derzeit nicht auf der Agenda. Chancen bieten sich aber dennoch, denn in den nächsten Jahren müssen viele der vorhandenen Kläranlagen modernisiert oder erweitert werden. Die meisten sind seit 15 bis 20 Jahren in Betrieb. Die großen Wasserversorger verfügen dabei über eigene Ingenieurabteilungen. Andere beauftragen entsprechende Dienstleister mit den Planungen, auf die dann Ausschreibungen folgen.

Übersicht über die wichtigsten Kläranlagenbetreiber in Chile
Unternehmen

Anzahl der Kläranlagen

Essbio

69

Aguas Araucanía

30

Esval 

30

Nuevosur 

27

Suralis 

27

Aguas del Valle

21

Aguas Andinas

13

Quelle: AHK Chile 2023; Recherchen von Germany Trade & Invest

Ausschreibungen kommen von privater Seite

Private Unternehmen schreiben Branchenangaben zufolge deutlich kompetitiver und weniger komplex aus als öffentliche oder internationale Auftraggeber. Im Ergebnis kommen in der Regel die bekannten Unternehmen vor Ort zum Zuge, nach deren technischen Spezifikationen sich die Ausschreibungsanforderungen nicht selten orientieren. 

Chancen für deutsche Firmen bestehen, sofern sie über eine Präsenz vor Ort verfügen und entsprechende Beziehungspflege betreiben. Dabei hilft ihnen nicht allein der gute Ruf von "Made in Germany". Sie profitieren auch davon, dass der chilenische Markt für Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung wesentlich weiter entwickelt ist als in anderen Ländern der Region.

Im Gegenzug gibt es kaum noch Finanzierungsprojekte von Entwicklungsbanken oder anderen internationalen Gebern, die sich an öffentliche Empfänger richten. Auf solche Ausschreibungen spezialisierte Beratungs-/Engineeringdienstleister ohne lokale Vertretung tun sich schwer.

Effizienz und Return-on-Investment im Vordergrund

Chile bietet mit seinem offenen Markt ein sehr kompetitives Umfeld. Trotz der geringen Größe von knapp 20 Millionen Einwohnern begegnen sich vor Ort alle Wettbewerber aus Europa, aber auch aus Asien und speziell aus China. "Die Kunden achten genau auf Effizienz und Return-on-Investment. Deshalb findet sich für gute deutsche Wertarbeit immer noch eine Nische", sagt Max von Igel, Regionaldirektor für Lateinamerika und die Karibik bei Huber Technology. Das bayerische Familienunternehmen ist Spezialist für Maschinen zur mechanischen Vorreinigung und Schlammbehandlung. Seit 2003 ist Huber in Chile vertreten. "Inzwischen stehen rund 450 unserer Maschinen in allen großen Kläranlagen des Landes."

Drei Faktoren seien erfolgsentscheidend, um in Chile als Lieferant zum Zuge zu kommenDie Präsenz vor Ort, das passende Angebot – qualitativ hochwertige, zuverlässige und langlebige Anlagen mit geringen Betriebs- und Wartungskosten – sowie ein sehr starker After-Sales-Service. "Wir suchen nicht nur das Maschinengeschäft, sondern die lebenslange Partnerschaft mit unseren Kunden", so von Igel. 

Wie in Chile Abwasser behandelt wird

Technologie

Beschreibung

Zahl der Kläranlagen

"Lodos Activados"

Belebtschlammbecken, in denen Mikroorganismen organische Stoffe abbauen. 

175

"Lagunas Aireadas"

Belüftungsteiche oder -becken, in denen Mikroorganismen Abwasser durch Belüftung und Sauerstoffzufuhr reinigen; Ziel ist der biologische Abbau von organischen Stoffen. 

 

55

"Emisario Submarino"

Um die Verschmutzung der Küstengewässer zu minimieren, werden die behandelten Abwässer via Unterwasserauslässe und Pipelines hinaus aufs Meer geleitet.

33

"Primario+Desinfección"

Entfernung grober Feststoffe sowie anschließende Desinfektion, um Krankheitsträger abzutöten.

12

"Lagunas Estabilización"

Stabilisierungsbecken, in denen sich Feststoffe absetzen können.

9

"Sequencing Batch Reactor" (SBR) 

Zeitgesteuerter biologischer Abwasserreinigungsprozess, bei dem Abwasser in Chargen behandelt wird; umfasst Belüftung, Sedimentation und Abtrennung von gereinigtem Wasser.

7

"Lombrifiltro"

System, bei dem Regenwürmer zum Abbau organischer Stoffe beitragen.

4

"Zanja de Oxidación"

Oxidationsgraben, in dem Abwasser belüftet wird, um organische Stoffe abzubauen und die Wasserqualität zu verbessern.

4

"Biofilter", "Laguna Facultativa", "Preliminar y Desinfección"

k.A.

je 1

Quelle: AHK Chile auf Basis einer Evaluierung der Aufsichtsbehörde Superintendencia de Servicios Sanitarios (SiSS) 2023

Weiterverwendung von Klärschlamm und Biogas wird vorangetrieben

Im Jahr 2022 fielen in Chile 773.000 Kubikmeter Klärschlamm an, davon fast die Hälfte in der Region Metropolitana um die Hauptstadt Santiago. Branchenvertreter sehen einen wachsenden Markt für Technologien zur Nutzung von Klärschlamm. Erste Zertifizierungen als Düngemittel durch das Amt für Landwirtschaft und Viehzucht (Servicio Agrícola y Ganadero, SAG) sind bereits erfolgt.  

Überdies erzeugen landesweit bisher sechs Kläranlagen durch anaerobe Schlammbehandlung (Faultürme) Biogas (2022: 68,2 Millionen Kubikmeter). Es wird unter anderem zur Kraft-Wärme-Kopplung genutzt, so der SiSS-Jahresbericht.

Bisher kaum Wiederverwendung von geklärtem Wasser

Ein großes Zukunftsthema ist außerdem die Wiederverwendung des gereinigten Wassers. Die Quote liegt derzeit bei lediglich 6 Prozent. Dagegen fließen 73 Prozent in Oberflächengewässer sowie 21 Prozent direkt ins Meer. Von den 6 Prozent aufbereiteten Wassers gehen 62 Prozent in die Landwirtschaft, 18 Prozent in den Bergbau und 0,1 Prozent in die Industrie.

Auch die Wiederverwendung von Grauwasser – fäkalienfreiem, gering verschmutztem Abwasser aus Bädern, Duschen oder Waschmaschinen – ließe sich noch deutlich steigern, so das chilenische Gesundheitsministerium. Bisherige Beispiele sind aber auf vereinzelte individuelle Initiativen oder auf besonders von Trockenheit betroffene Landstriche begrenzt. "Solange Wasser aus dem Hahn kommt, wird kaum einer tätig", so die Erfahrung. Was sich nicht in spätestens zwei Jahren amortisiert, wird nicht angeschafft. In einem Mehrfamilienhaus mit mehreren Eigentümern lässt sich kaum Einigkeit darüber erzielen, in nachträgliche Bauinstallationen zu investieren. Außerdem fehlt es an Handwerkern zur fachgerechten Installation und Wartung.

Große Schwachstelle: Abwasserentsorgung im ländlichen Raum

Im Gegensatz zur gut geregelten Abwasserentsorgung in den Städten liegt in ländlichen Regionen noch vieles im Argen. Vielfach kontaminieren schlecht konstruierte Sickergruben Grundwasser und Gewässer. Hier wären dezentrale kostengünstige Lösungen gefragt. Denn der Anschluss an ein Abwassernetz respektive der Bau von Ringleitungen scheitern in der Praxis an der Kostenübernahme. Für Privatunternehmer lohnt sich der Bau nicht, die Anwohner wollen oder können das Geld nicht in die Hand nehmen – und der Staat tut es bislang nicht. 

Die Situation verschärft sich gegenwärtig zusätzlich, weil sich immer mehr Städter Ferienhäuschen im Süden errichten; speziell in Gewässernähe nimmt die Parzellierung stark zu.

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