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Branchen | Chile | Wasserversorgung

Chiles Trinkwasserversorgung hat Nachrüstbedarf

Die Trinkwasserversorgung in Chile hat sich gewaltig verbessert. Heute besteht vor allem Nachrüst- und Erweiterungsbedarf. Auf dem Land braucht es innovative, dezentrale Lösungen.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Noch in den 1990er Jahren starben in Chile selbst in der Hauptstadt Santiago Menschen an Typhus oder Cholera infolge verunreinigten Wassers. Damals lag die gesamte Wasserver- und -entsorgung des Landes in staatlichen Händen. Jede Region hatte ihre eigenen Wasserversorger. Die Abwässer blieben fast immer unbehandelt.

"Der Investitionsbedarf zum Aufbau einer effizienten Wasserentsorgung wurde damals auf mehrere Milliarden US-Dollar geschätzt", erinnert sich Rodrigo Weisner, Wasserspezialist bei der Kanzlei Puga Ortiz. Geld, das der Staat nicht hatte. Unter der Ägide des damaligen Präsidenten Eduardo Frei beschloss die Politik deshalb, im Zuge einer gesetzlichen Neuregelung die Wasserver- und -entsorgung als Konzessionen an private Unternehmen zu vergeben – und sie im Gegenzug zu den notwendigen Investitionen zu verpflichten. 

Dank dieser Richtungsentscheidung konnte Chile einen Großteil seiner Wasserversorgungsprobleme lösen. Aktuell steht der Andenstaat unter 180 Ländern auf Rang 38 bei der Versorgung der Bevölkerung mit sicherem Trinkwasser (Deutschland: Rang 8), so der Environmental Performance Index der Yale-Universität. Bei der Abwasserbehandlung kommt Chile sogar auf Rang 24, weit vor Brasilien (39), dem nächsten Land der Region. Deutschland belegte auch hier Rang 8.

Chiles Wasserwirtschaft in privater Hand

Die städtische Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ist derzeit zu 99 Prozent in privater Hand. Größter Akteur ist Aguas Andinas, eine Tochter der französischen Veolia-Gruppe. Das Unternehmen versorgt etwa 40 Prozent der städtischen Kunden und fast die gesamte Metropolregion Santiago. Neben Veolia sind unter anderem ein kanadischer Pensionsfonds und die spanische Sacyr-Gruppe engagiert. Deutsche Investoren gibt es nicht. 

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Künftiger Schwerpunkt: Nachrüstung und Erweiterung

Landesweit sind laut jüngstem Jahresbericht der Aufsichtsbehörde Superintendencia de Servicios Sanitarios (SiSS) 56 Konzessionäre registriert, von denen 49 operativ tätig sind. Diese müssen auf 15 Jahre angelegte Investitionspläne vorlegen. Dabei wird es in den kommenden Jahren vor allem um die Nachrüstung und die Erweiterung der seit Ende der 1990er Jahre installierten Anlagen zur Wasseraufbereitung gehen.

Insgesamt lag das Investitionsvolumen der chilenischen Wasserversorger 2022 bei umgerechnet rund 470 Millionen US-Dollar (US$). Davon flossen rund 300 Millionen US$ in die Trinkwasserversorgung und -verteilung. 

Private Unternehmen schreiben nach Branchenangaben deutlich kompetitiver und weniger komplex aus als öffentliche oder internationale Auftraggeber. Dies führt dazu, dass lokal bekannte Unternehmen, "mit denen man schon immer zusammengearbeitet hat", zum Zuge kommen und sich die Ausschreibungsanforderungen in der Regel an deren technischen Spezifikationen orientieren.

Chancen für deutsche Firmen bestehen durchaus, sofern sie über Präsenz vor Ort entsprechende Beziehungspflege betreiben. Dabei hilft ihnen nicht allein der gute Ruf von "Made in Germany". Sie profitieren auch davon, dass der chilenische Markt für Trinkwasserversorgung weiterentwickelt ist als in anderen Ländern der Region. Im Gegenzug fallen an öffentliche Empfänger ausgerichtete Finanzierungsprojekte von Entwicklungsbanken oder anderen internationalen Gebern in Chile quasi weg. In der Folge tun sich beispielsweise auf solche Ausschreibungen spezialisierte Beratungs-/Engineeringdienstleister ohne lokale Vertretung schwer. 

Investitionsstau absehbar

Allerdings gilt als problematisch, dass die Verträge, die der Staat einst mit den Konzessionären abgeschlossen hat, den Firmen nicht immer ausreichende Vorgaben zu Zukunftsinvestitionen oder zur Weiterentwicklung der Anlagen gemacht haben. Diese bleiben deshalb mitunter hinter den tatsächlichen Notwendigkeiten zurück. Das gilt zum Beispiel für die Nachrüstung der Netze, deren Erneuerungsrate mit etwa 1 Prozent pro Jahr nur etwa halb so groß ist, wie sie bei einer angenommenen Lebensdauer von 50 Jahren sein müsste.

Eine Folge sind Wasserverluste in den Netzen. Allein im Jahr 2022 wurden rund 33,2 Prozent des gelieferten Trinkwassers "nicht in Rechnung gestellt", wie es offiziell heißt. Tatsächlich handelt es sich großteils um Leckagen, die sich ein unter Dürre leidendes Land wie Chile nicht leisten sollte. Da die Wasserversorger in erster Linie an ihre Gewinnabschöpfung denken, unterbleiben weiter reichende Investitionen, obwohl sie im öffentlichen Interesse wären.

Wasserversorgung auf dem Land Raum im Hintertreffen

Hierzu gehört speziell die Erschließung ländlicher Räume. Rund 47,2 Prozent der Menschen auf dem Land haben keine regelmäßige Trinkwasserversorgung, berichtet die Welthungerhilfe auf Basis von Zahlen der Universidad de Chile. Sie entnehmen Wasser traditionell aus Brunnen, Flüssen und Bächen oder werden von privaten Wassertrucks beliefert.

Generell besteht für die Bevölkerung außerhalb geschlossener Ortschaften die Möglichkeit, sich zu "Servicios Sanitarios Rurales" (SSR; bis 2020 Agua Potable Rural; APR) zusammenschließen und ihnen ihre Trinkwasserversorgung zu übertragen. Der Staat fördert deren Gründung gemäß Gesetz 20.998 vom 20. November 2020. Zum 31. Dezember 2022 waren circa 2 Millionen Menschen in Chile in einem der 2.368 Systeme organisiert.

Allerdings müssen die Anlieger den laufenden Betrieb einschließlich Wartungsarbeiten selbst schultern. Dazu sind sie oft nicht bereit oder nicht in der Lage – zumal sie es gewohnt waren, bisher nichts für ihr Wasser zu bezahlen. In der Folge funktionieren viele der APR/SSR eher schlecht. Gleichzeitig lohnt sich der Anschluss für private Firmen nicht beziehungsweise müssten kostendeckende Wassertarife so hoch sein, dass sie kaum ein Anlieger zu zahlen bereit wäre.

Dessen ungeachtet sieht die AHK Chile in einer Zielmarktanalyse Marktchancen für innovative Lösungen zur dezentralen Wasserversorgung und Abwasserbehandlung beziehungsweise für Technologien zur Wasseraufbereitung in ländlichen Gebieten.

Eckpunkte zum Trinkwasserverbrauch in Chile

  • Knapp 12 Prozent des Verbrauchs entfällt auf menschlichen Konsum; Landwirtschaft ist größter Wasserkonsument mit über 70 Prozent (Stand 2017, keine jüngeren Daten verfügbar; CRHIAM 2023).
  • Rund 42,1 Prozent des Trinkwassers stammten 2022 aus Oberflächenwasser, 56,4 Prozent aus unterirdischen Quellen und 1,5 Prozent sind entsalztes Meerwasser (SiSS 2023).
  • Laut SiSS lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser in den Städten 2022 bei 156 Litern pro Tag (Deutschland: 124 Liter).

Weiterführende Informationen
BezeichnungAnmerkung
Superintendencia de Servicios Sanitarios (SISS)Aufsichtsbehörde für die Wasserwirtschaft
Centro de Recursos Hídricos para la agricultura y la minería (CRHIAM)Zentrum für Wasserressourcen für Landwirtschaft und Bergbau
"Wasserwirtschaft in Chile"Zielmarktanalyse der AHK Chile

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