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China
Seidenstraße
Beim 17+1-Format beraten sich China und Ostmitteleuropa
Anfang Februar 2021 fand der 17+1-Gipfel statt. China stellt stärkere Kooperation in der Landwirtschaft in Aussicht. Doch dürfte der Gipfel kaum für wirtschaftliche Impulse sorgen.
15.02.2021
Von Lukas Latz
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Bonn
In Form einer Online-Konferenz fand am 9. Februar 2021 der neunte Gipfel der 17+1-Plattform statt. Das Forum, an dem 17 Staaten des Ostmitteleuropas und China teilnehmen, war 2012 gegründet worden. Zwölf der teilnehmenden Staaten sind EU-Mitgliedsländer. Im April 2020 wurde der Gipfel aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt. An der Konferenz, die nun nachgeholt wurde, nahm erstmals Chinas Staatspräsident Xi Jinping teil. Jedoch einigte sich das Forum nicht auf die Verabschiedung konkreter Richtlinien zur Zusammenarbeit. Am Ende des Gipfels stand nur ein "Aktivitätsplan".
Teilnehmer der 17+1-Initiative
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© GTAI
In seiner Rede bot Xi den osteuropäischen Staaten zunächst Lieferungen der chinesischen Corona-Impfstoffe an. Den Impfstoff des chinesischen Herstellers Sinopharm hatten zuvor Serbien (1 Million Dosen) und Ungarn (5 Millionen Dosen) bestellt.
China will Lebensmittelimporte aus der Region steigern
Der chinesische Präsident kündigte an, Zollverfahren für den Import aus Staaten Ostmitteleuropas vereinfachen zu wollen. Dazu werde China ein Zollinformationszentrum speziell für die Handelsbeziehungen mit Ostmitteleuropa einrichten.
China plane, in den nächsten fünf Jahren Waren im Wert von 170 Milliarden US-Dollar (US$) aus Ostmitteleuropa zu importieren. Besonders gefördert werden soll der Import von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, den Chinas Staatspräsident verdoppeln will. Innerhalb von fünf Jahren soll das gesamte landwirtschaftliche Handelsvolumen zwischen beiden Regionen um 50 Prozent gesteigert werden.
Um den Import von Nahrungsmitteln schneller abzuwickeln, will China zentrale Kontrollpunkte zur Inspektion von importierten Lebensmitteln aufbauen. Zudem sollen Austauschprogramme für junge Landwirte aus Ostmitteleuropa und China ins Leben gerufen werden.
In seiner Rede bot Xi zudem stärkere Kooperation für nachhaltige Entwicklung und digitale Technologie an. Er sprach sich für die Gründung eines chinesisch-ostmitteleuropäischen Forschungszentrums für Wissenschaft, Technologie und Innovation (STI) aus und eines Austauschforums für junge Talente aus dem Tech- und Wissenschaftsbereich. Zudem wolle China einen Dialogmechanismus für den E-Commerce einrichten.
Osteuropäische Länder blicken sehr unterschiedlich auf China
Bis zum Vorabend des Gipfels war noch bei vielen Staaten unklar, ob sie an der Online-Konferenz überhaupt teilnehmen würden oder welche Hierarchieebene sie zu dem Treffen mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping senden würden. Schließlich kamen fünf Staatschefs, sechs Regierungschefs und fünf Minister. Das zeigt die unterschiedliche Bedeutung, die die ostmitteleuropäischen Staaten China als Kooperationspartner zuweisen.
Für Serbien und Ungarn ist China ein wichtiger Partner beim Ausbau der Bahninfrastruktur sowie für die Bereitstellung von digitalen Technologien. Chinesische Unternehmen bauen mit Finanzierung von Chinas staatlicher Export-Import Bank eine schnellere Bahnstrecke zwischen Budapest und Belgrad aus. Auch Russlands Eisenbahngesellschaft RZD sowie DB Engineering and Consulting sind beteiligt.
In beiden Ländern kommt das Projekt, das 2013 beim Bukarester 16+1-Gipfel (damals noch ohne griechische Beteiligung) vereinbart worden ist, jedoch kaum voran. Bis 2025 soll der serbische Teil abgeschlossen werden. In Ungarn stoppte die Europäische Union (EU) die Planungen, weil Ungarn die Ausschreibungsregeln der EU missachtete. Des Weiteren kündigte der Technologiekonzern Huawei im Oktober 2020 an, in Budapest ein Forschungs- und Entwicklungszentrum errichten zu wollen.
Die baltischen Staaten, Polen und Rumänien, sind zuletzt zurückhaltender gegenüber China geworden. So bereiten die beiden letzteren Länder Gesetze vor, die Huawei beim Ausbau der Mobilfunknetze zum 5G-Standard aus den Ausschreibungen ausschließen könnten. Für die Staaten sind die USA wichtigster Bündnispartner. Daher stehen sie einer engen Kooperation mit China umso skeptischer gegenüber, je stärker sich die Rivalität zwischen den USA und China zuspitzt.
17+1-Forum fördert Tourismus und sub-nationale Kooperation
Zur Einigung auf konkrete Kooperationsprojekte zwischen China und osteuropäischen Partnerländern spielen bilaterale Treffen und Verhandlungen eine wichtigere Rolle als das 17+1-Forum. Das Gipfeltreffen verlor für Osteuropa zuletzt an Bedeutung. Chinas Ankündigungen, dass es in Osteuropa hohe Summen investieren wird, wurden nicht erfüllt. Laut dem Think Tank Merics investierte China zwischen 2010 und 2019 in den 12-EU-Mitgliedsstaaten des Forums zusammen mit 8,6 Milliarden Euro weniger, als in Finnland (12 Milliarden Euro) oder den Niederlanden (10,2 Milliarden Euro).
Trotzdem ist das Forum von Bedeutung für die Förderung des Tourismus und die regionale Kooperation. Eine Studie des Think Tanks China Observers in Central and Eastern Europe kommt zum Ergebnis, dass konkrete Erfolge in der Tourismusförderung vorzuweisen sind. Die Zahl chinesischer Touristen in Ostmitteleuropa stieg zwischen 2012 und 2019 erheblich.
In der Slowakei haben sich die Besucherzahlen innerhalb eines Jahres etwa verdoppelt. Von weniger als 30.000 chinesischen Besuchern im Jahr 2016 stieg die Zahl auf über 60.000 im Jahr 2017. Nach Polen, Ungarn und Tschechien kamen vor der Covid-19-Pandemie zuletzt zwischen 100.000 und 200.000 Besucher. Experten führen das auf die höhere Sichtbarkeit Osteuropas innerhalb Chinas durch das 17+1-Forum zurück. Zur Etablierung von direkten Fluglinien zwischen China und den Städten Osteuropas und zum Ausbau von Visa-Zentren trug ein Tourismus-Koordinationszentrum bei, das im Rahmen des 17+1-Formats errichtet wurde.
Ein weiterer Erfolg der 17+1-Initiative liegt in der Erleichterung regionaler Kooperationen zwischen chinesischen und osteuropäischen Regionen. Seit 2013 gibt es etwa eine Kooperation zwischen der Region Łódź in Polen und der chinesischen Provinz Sichuan, die auch vom regen Güterverkehr auf der Strecke Chengdu-Łódź profitiert. Im Rahmen der Partnerschaft bemühen sich Politiker der polnischen Region vermehrt um die Anwerbung chinesischer Investoren.