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Branchen | Finnland | Bauwirtschaft

Markttrends

Die finnische Bauwirtschaft steckt in einer Krise. Vor allem die Entwicklung beim Wohnungsbau drückt die Stimmung. Großer Lichtblick ist der Bereich Sanierung. 

Von Niklas Becker | Helsinki

Finnlands neue Regierung hat Mitte Juni 2023 die Arbeit aufgenommen. Zu ihren Vorhaben zählt unter anderem ein 3 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm für den Verkehrssektor. Damit soll das Verkehrsnetz ausgebaut und der Instandhaltungsrückstau beseitigt werden. Ein erhöhter Einsatz digitaler Technologien zur Diagnose und Analyse des Straßenzustands soll dazu beitragen, die Verkehrsinfrastruktur proaktiv zu verbessern. Die neue Regierung will sich zudem mit der Entwicklung eines Straßennetzes befassen, welches den Einsatz von längeren und schwereren Fahrzeugen ermöglicht. 

Bauwirtschaft steckt in der Rezession

Finnlands Bauwirtschaft befindet sich im Sommer 2023 in einer Rezession. Für das Gesamtjahr 2023 prognostiziert der finnische Verband der Bauindustrie Rakennusteollisuus RT einen Rückgang des Branchenumsatzes um 3,5 Prozent. Laut Verband sei die Talsohle fast erreicht. Im Jahr 2024 soll der Rückgang nur gering ausfallen (-0,5 Prozent). Wie Daten des finnischen Statistikamtes zeigen, ist vor allem der heimische Wohnungsbau stark betroffen. Aber auch das Volumen der neu begonnenen Geschäfts- und Bürobauten sowie landwirtschaftlichen Gebäude ist seit dem Sommer 2022 merklich zurückgegangen. Lediglich bei den öffentlichen Gebäuden sowie Industriebauten und Lagerhallen ist kein negativer Trend zu erkennen. 

2 %

prognostizierter Rückgang der Bauinvestitionen 2023.

 

Deutlich wird die Entwicklung des finnischen Bausektors auch beim Blick auf die Investitionsprognosen. Die Europäische Kommission erwartet für 2023 einen Rückgang der Bauinvestitionen in Finnland um 2 Prozent. Für 2024 prognostiziert die Kommission einen weiteren Rückgang um 1,2 Prozent. In Finnland spielen die Bauinvestitionen eine deutlich größere Rolle als in vielen anderen Ländern der Europäischen Union (EU). Nach Zahlen von Eurostat machten sie 2022 mit fast 40,2 Milliarden Euro 62 Prozent aller Bruttoanlageinvestitionen in Finnland aus. Nur in Rumänien (66,8 Prozent) und Luxemburg (63,4 Prozent) spielten sie eine noch größere Rolle. 

Wie die Daten von Eurostat außerdem zeigen, investiert Finnland relativ betrachtet mehr in den Wohnungsbau als andere EU-Staaten. Im Jahr 2022 summierten sich die finnischen Bauinvestitionen in Wohnbauten auf 7,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das ist Platz drei im EU-Ranking. Lediglich Deutschland und Zypern (beide 7,6 Prozent des BIP) investieren mehr in den heimischen Wohnungsbau. 

Marktvolumen der Bauwirtschaft in Finnland (in Milliarden Euro; nominale Veränderung in Prozent)

Kennziffer

2020

2021

Nominale Veränderung 2021/2020

Marktvolumen finnische Baubranche insgesamt, davon

36,9

38,8

5,1

  Wohnungsbau (Neubau)

7,4

8,3

12,2

  Wohnungsbau (Sanierung)

8,1

8,7

7,4

  Nicht-Wohnungsbau (Neubau)

8,5

9,0

5,9

  Nicht-Wohnungsbau (Sanierung)

5,9

5,7

-3,4

  Infrastrukturbau (Neubau)

5,1

5,2

2,0

  Infrastrukturbau (Instandhaltung)

1,9

1,9

0,0

Quelle: Finnischer Verband der Bauindustrie (Rakennusteollisuus RT)

Vor allem der Wohnungsbau bereitet Kopfzerbrechen 

Bereits vor dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hatte sich eine Abkühlung des finnischen Wohnungsbaus angekündigt. Eine gewisse Marktsättigung ließ die Nachfrage nach neuem Wohnraum schrittweise zurückgehen. Die Folgen des Krieges haben diesen Effekt zusätzlich verstärkt. In Finnland haben Immobilienkredite in der Regel einen variablen Zinssatz. Dieser richtet sich nach dem Euribor-Index. Hinzu kommt eine Marge der Bank. Zum Jahresbeginn 2022 lag der 12-Monats-Index etwa bei minus 0,5 Prozent. Anfang Juli 2023 waren es mehr als 4 Prozent.

Aufgrund der deutlich höheren Kreditkosten ist die Nachfrage nach Immobilien weiter zurückgegangen. So wurde zwischen Januar und April 2023 mit dem Bau von 9.600 neuen Wohnungen begonnen. Im gleichen Zeitraum 2022 waren es 12.300 und 2021 sogar mehr als 14.000 Wohnungen. In den kommenden Monaten dürfte sich der Rückgang fortsetzen. Darauf deuten die erteilten Baugenehmigungen hin. In den ersten vier Monaten 2023 wurde der Bau von 6.600 Wohnungen genehmigt. Im Jahr 2022 waren es zu diesem Zeitpunkt mehr als doppelt so viele. 

Für das Gesamtjahr 2023 erwartet der Verband der Bauindustrie, dass mit dem Bau von 27.000 Wohnungen begonnen wird. Das wären rund 28 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der neu begonnenen Wohnungen soll 2024 wieder steigen: Der Verband prognostiziert den Baubeginn von 31.000 Wohnungen. Das wäre ein Plus im Jahresvergleich um 14 Prozent. Den Experten zufolge wird der Rückgang im finnischen Wohnungsbau 2023 fast ausschließlich bei den privat finanzierten mehrstöckigen Wohngebäuden stattfinden.     

Weniger düster als beim Wohnungsbau sind die Aussichten beim Nicht-Wohnungsbau. Zwischen Januar und April 2023 wurden hier neue Projekte mit einem Volumen von 6,1 Millionen Kubikmeter begonnen. Im gleichen Zeitraum 2022 waren es 6,8 Millionen Kubikmeter. Nach Einschätzung des finnischen Bauverbands wird das Volumen im Gesamtjahr 2023 jedoch leicht über dem Niveau des Vorjahres liegen (+ 0,9 Prozent). Im Jahr 2024 sei zudem mit einem Wachstum von 1,4 Prozent zu rechnen. Vor allem Industriebauten und Lagerhallen sollen zur positiven Entwicklung beitragen. 

Tiefbau ebenfalls mit schlechter Entwicklung 

Die Entwicklungen in Finnlands Tiefbau sind derzeit verhalten. Nach Zahlen von Eurostat sank die Produktion 2022 im Jahresvergleich um 3,7 Prozent. Bereits 2021 hatte der finnische Tiefbau nur einen kleinen Zuwachs (+0,7 Prozent) verzeichnet. Für 2023 sind ebenfalls keine positiven Nachrichten zu erwarten. Im 1. Quartal 2023 sank die Produktion im Jahresvergleich um 11,8 Prozent. Finnlands Verband der Bauindustrie erwartet für das Gesamtjahr 2023 einen Rückgang um 2 Prozent. Die Verlangsamung der Kostensteigerungen soll die finnische Tiefbaubranche 2024 jedoch etwas entlasten, sodass sich der Markt leicht erholen und um 1 Prozent wachsen kann. 

Hoffnung im Bereich Sanierung

Großer Lichtblick ist der Bereich Sanierung. Laut Verband steuerte dieser Bereich 2021 mit 14,4 Milliarden Euro mehr als ein Drittel zum Gesamtumsatz der finnischen Baubranche bei. Die Verlangsamung der Neubautätigkeiten wird die Nachfrage im Bereich Sanierung beschleunigen. Im Jahr 2022 wuchs der Markt um 1 Prozent. Für 2023 und 2024 prognostiziert der Branchenverband einen Zuwachs um 1,5 und 2 Prozent. In der Hauptstadtregion steht die Sanierung von Gebäuden aus den 1980er Jahren an. Aufgrund der steigenden Kosten und Zinsen schieben einige Wohnungseigentümergemeinschaften in Finnland selbst akuten Renovierungsbedarf derzeit auf. Zudem gibt es im Land einen hohen Sanierungsbedarf bei Straßen- und Eisenbahnbrücken.  

Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in Finnland

Akteur/Projekt

Investitionssumme (in Mrd. Euro)

Projektstand

Anmerkungen

Schienenstrecke Helsinki-Tampere, Ausbau oder Neubau

4,5 bis 5,5

Planung

Als wichtiges Infrastrukturprojekt im neuen Regierungsprogramm genannt.

Stahlfabrik in Inkoo, Blastr Green Steel

4

Planung

Abkürzende Schienenstrecke Helsinki-Turku

3,4

Planung

Als wichtiges Infrastrukturprojekt im neuen Regierungsprogramm genannt.

Schienenstrecke Kouvola-Flughafen Helsinki-Vantaa (Ostbahn)

1,8

Planung

Als wichtiges Infrastrukturprojekt im neuen Regierungsprogramm genannt.

Krankenhaus Laakso in Helsinki, Krankenpflegebezirk Helsinki und Uusimaa (HUS)

1

Planung, teilweise Bau

Garden Helsinki, Sportarena im Zentrum von Helsinki, 175.000 qm

0,6

Planung

Kathodenmaterialfabrik in Vaasa, Freyr Battery

k.A.

Planung

Schätzungen gehen von einer Investition in Milliardenhöhe aus.

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023; Pressemeldungen

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