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Irans Wasserkrise erfordert verstärktes Abwasserrecycling
Eine Ausweitung der Abwasseraufbereitung soll zur Milderung des Wassermangels beitragen. Dazu müssten aber die Investitionen in Abwassernetze und Kläranlagen deutlich steigen.
26.08.2022
Von Robert Espey | Dubai
In Iran wurden die Abwassernetze und Klärwerkskapazitäten in den letzten Jahren erheblich ausgebaut, zumal sich die Wasserknappheit weiter verschärft. Dennoch besteht weiterhin ein großer Investitionsbedarf. Offiziellen Zahlen zufolge sind aktuell (Stand: Juli 2022) nur 53 Prozent der städtischen Bevölkerung an ein Abwassernetz angeschlossen. Für den ländlichen Raum wird eine Quote von unter 1 Prozent geschätzt.
Zwischen 2017/2018 (iranisches Jahr 1396; 21. März bis 20. März) und 2021/2022 sind die Klärwerkskapazitäten in den städtischen Regionen von 4,6 Millionen auf 5,7 Millionen Kubikmeter/Tag gestiegen. Die Zahl der Kläranlagen erhöhte sich von 194 auf 257. Im laufenden Jahr 2022/2023 sind noch keine neuen Kläranlagen in Betrieb genommen worden.
Die jüngsten regionalen Daten zum Abwassersektor liegen für 2020/2021 vor. In der Hauptstadtprovinz ist die Zahl der Kläranlagen zwischen 2016/2017 und 2020/2021 von 14 auf 25 gestiegen. Der Anteil der städtischen Bevölkerung der Provinz mit Anschluss an ein Abwassernetz erhöhte sich von 42 auf 50 Prozent. Die ins Abwassernetz eingeleitete Wassermenge expandierte von durchschnittlich 0,8 Millionen auf 1,2 Millionen Kubikmeter/Tag.
In der Provinz Khuzestan (Hauptstadt: Ahvaz) waren 2020/2021 insgesamt 7 Kläranlagen in Betrieb. Den Abwassernetzen wurden 0,53 Millionen Kubikmeter/Tag zugeleitet, 59 Prozent der städtischen Bevölkerung hatte Zugang zu einem Abwassernetz. In der Provinz Esfahan existierten 28 Kläranlagen, 0,52 Millionen Kubikmeter/Tag wurden gesammelt, 67 Prozent der städtischen Bevölkerung waren an Abwassernetze angeschlossen.
Die Planung sieht bis 2025 in den Städten eine Erhöhung des Anteils der Bevölkerung mit Anschluss an ein Abwassernetz auf 60 Prozent vor, 30 Prozent werden auf dem Land angestrebt. Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage und der US-Sanktionspolitik dürften diese Zielmarken aber vermutlich erst später erreicht werden. Allerdings könnte die möglicherweise kurz bevorstehende Einigung über eine Lockerung der US-Wirtschaftssanktionen die Entwicklung erheblich beschleunigen.
Zukünftig wieder mehr ausländisches Engagement zu erwarten?
Die hohen Investitionen in die Entwicklung der Abwassersysteme sollen möglichst von privaten in- und ausländischen Unternehmen finanziert werden. Iran ist sehr an Technologietransfer interessiert. Vor der Reaktivierung der US-Sanktionen 2018 hatten zahlreiche europäische Firmen Interesse an Kooperationen und Investitionen gezeigt.
Intensive Kontakte gab es zwischen der zum Energieministerium gehörenden National Water and Wastewater Engineering Company (NWWEC) und dem deutschen Branchennetzwerk "German Water Partnership". Die NWWEC hat eine zentrale Funktion bei der Planung und Genehmigung von Wasserprojekten und ist wichtigster Ansprechpartner für ausländische Firmen.
Investoren für prioritäre Projekte werden gesucht
Die NWWEC erstellt Listen mit möglichen Buyback-, BOT- und BOO-Projekten (Build Operate Transfer, Build Own Operate). Auch ROT-Projekte (Rehabilitate Operate Transfer) für existierende Anlagen werden präsentiert. Viele bereits begonnene staatliche Projekte benötigen privates Kapital zur Fortführung.
Aktuell gehören zu den prioritären NWWEC-Projektvorschlägen unter anderem der Ausbau beziehungsweise die Fertigstellung von sechs Klärwerken in Mashad mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 150 Millionen US-Dollar (US$) und einer Kapazität von 0,5 Millionen Kubikmeter/Tag. Ferner sucht die NWWEC Investoren für Kläranlagen in den Provinzen Gilan (Gesamtkapazität: 63.000 Kubikmeter/Tag; 150 Millionen US$) und Khouzestan (85.000 Kubikmeter/Tag; 75 Millionen US$) sowie für die Rehabilitation des Abwassernetzes in Esfahan (50 Millionen US$).
Erweiterung der Teheraner Kläranlage verläuft schleppend
Teherans Kläranlage in Shahr Rey ist die größte des Landes. Das Klärwerk verfügt über eine Gesamtleistung von 675.000 Kubikmeter/Tag. Es besteht aus sechs Modulen. Die Module 5 und 6 gingen 2015 mit einer Kapazität von insgesamt 225.000 Kubikmeter/Tag in Produktion. Für den Betrieb der beiden zusätzlichen Module wurde das Abwassernetzwerk um 300 Kilometer erweitert. Aktuell verarbeitet die Kläranlage das Abwasser von rund 3,2 Millionen Menschen.
Der Ausbau der Kläranlage um zwei auf acht Module (zusätzlich 230.000 Kubikmeter/Tag) ist nicht weit fortgeschritten. Obwohl schon vor Jahren mit dem Erweiterungsprojekt begonnen wurde, soll der Baufortschritt bei lediglich 10 Prozent liegen.
In östlichen Teil von Ahvaz (Provinz Khuzestan) soll im nächsten Jahr das Abwassernetz fertiggestellt sein. Derzeit werden dort täglich nur 20.000 Kubikmeter aufbereitet und 80.000 Kubikmeter ungeklärt in den Fluss Karun abgeleitet. Zukünftig wird das gesamte Abwasser der Kläranlage Ahvaz Ost, die über eine Kapazität von 112.000 Kubikmeter verfügt, zugeleitet. Das aufbereitete Abwasser wird vor allem zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen verwendet.
Abwasseraufbereitung soll bei der Rettung des Urumiasees helfen
Aufbereitetes Abwasser soll auch zur Rettung des in den Provinzen Ost und West Aserbaidschan liegenden Urumiasees, des ehemals größten Salzsees der Erde, beitragen. Der Wasserstand des früher 5.200 Quadratkilometer großen Sees ist auf ein kritisches Niveau abgesunken. Das 2013 gestartete "Urmia Lake Restoration Project" will die seit zehn Jahren anhaltende negative Entwicklung stoppen beziehungsweise umkehren. Im Einzugsgebiet des Urumiasees werden weitere Kläranlagen gebaut, die dem See aufbereitetes Abwasser zuführen.
Nach Angaben der Azarbaijan Water und Wastewater Company sind derzeit als Teil des "Urmia Lake Restoration Project" Klärwerke im Gesamtwert von 100 Millionen US$ im Bau, darunter eine Anlage in Tabriz mit einer jährlichen Kapazität von 124 Millionen Kubikmeter. Weitere Kläranlagen werden in Ajabshir, Bonab und Azarshahr errichtet. Transferleitungen mit einer Gesamtlänge von 1.100 Kilometer sind vorgesehen, rund 300 Kilometer sollen fertiggestellt sein.
Der hohe Wasserbedarf der großen iranischen Stahlindustrie wird bislang vor allem durch Grund- und Oberflächenwasser gedeckt. Angesichts der zunehmenden Wasserknappheit soll nun verstärkt aufbereitetes Abwasser verwendet werden. Ein Beispiel ist die Shadegan Steel Company in der Provinz Khuzestan, die zukünftig jährlich 8 Millionen Kubikmeter aufbereitetes Abwasser erhalten soll. Für die Esfahan Steel Company sind 125 Millionen Kubikmeter vorgesehen. |