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Israels Bauwirtschaft schlittert in eine Krise

Hohe Wohnungspreise und teure Hypothekendarlehen lassen den Verkauf neuer Wohnungen einbrechen. Eine Schrumpfung der Bauinvestitionen scheint unvermeidlich zu sein. 

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Die israelische Bauwirtschaft steckt in einer schwierigen Lage. Die Nachfrage nach Neubauwohnungen bricht ein. Wirtschaftsbauten und öffentliche Gebäude können der Branche keinen Ersatz für die Flaute im Wohnungsbau bieten. Im Gesamtergebnis dürfte der Bedarf an Baustoffen und Baumaschinen sinken. Das würde auch die Absatzmöglichkeiten ausländischer Lieferanten tangieren.

Doppelbelastung durch hohe Preise und teure Finanzierung

Anfang 2023 befanden sich die Wohnungspreise in Israel auf einem Höchststand. Nach geradezu explosionsartigem Anstieg 2021 und 2022 lagen sie um 29,8 Prozent über dem zum Jahreswechsel 2020/21 verzeichneten Niveau.

Billige Kredite hatten zu massiver Aufnahme von Hypothekendarlehen beigetragen und das Preisniveau in die Höhe getrieben. Zugleich herrschte eine Erwartung anhaltend steigender Preise, was zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wurde.

Die Teuerung im Wohnungsbau war viel höher als die Zunahme der Lebenshaltungskosten insgesamt. Diese waren in derselben Zeitspanne um 8,2 Prozent gestiegen.

Letztlich dämpfte das Preisniveau die Nachfrage, weil eine eigene Wohnung für immer mehr potenzielle Käufer unerschwinglich wurde. Als zweiter Belastungsfaktor kam eine rapide Leitzinserhöhung durch die Zentralbank hinzu. Von 0,1 Prozent im März 2022 stieg der Leitzins auf 3,25 Prozent Ende 2022. Im Mai 2023 erreichte er 4,75 Prozent.

Dementsprechend stieg auch die Zins- und Rückzahlung der Hypothekendarlehen. Im Mai 2023 lag sie um 23,7 Prozent über dem Stand von März 2022.

Verkauf neuer Wohnungen bricht ein

Die meisten Wohnungskäufer nehmen Hypothekendarlehen auf. Deshalb wirken hohe Zinsen in Verbindung mit nicht mehr steigenden, aber immer noch hohen Wohnungspreisen wie eine Notbremse. In den ersten vier Monaten 2023 ging die Zahl der von Bauunternehmen verkauften Wohnungen gegenüber dem Parallelzeitraum des Vorjahres um 42,9 Prozent zurück.

Im April 2023 lag die Zahl der Wohnungen, die Bauunternehmen verkaufen konnten, sogar um 55 Prozent unter dem Stand von April 2022. Das geht aus einer Analyse der Abteilung der Chefökonomin im Finanzministerium (Division of the Chief Economist) hervor.

Die Zentralbank erwartet nicht, dass der Leitzins bis Frühjahr 2024 zurückgeht. Falls die Inflation hartnäckig bleibt, sind sogar weitere Zinsanhebungen möglich.

Zwar konnte die Zahl der Wohnungen, mit deren Bau begonnen wurde, 2022 gegenüber dem Vorjahr noch um 4,5 Prozent auf etwas mehr als 62.000 steigen. Allerdings wird 2023 ein kräftiger Rückgang der Baustarts erwartet.

Im Mai 2023 erklärte Amit Gottlieb, Präsidiumsmitglied des Bauunternehmerverbandes (Israel Builders Association), im 1. Quartal 2022 sei die Zahl der Baustarts gegenüber dem vorangegangenen Vierteljahr um 22 Prozent gesunken. Dieser Rückgang werde sich wahrscheinlich noch beschleunigen.

Schwächephase bei Investitionen erwartet

Zwar nahmen die Wohnungsbauinvestitionen im 1. Quartal 2023 gegenüber dem vorherigen Quartal saisonbereinigt noch um 2,6 Prozent zu. Indessen markierte diese Zahl eine deutliche Verlangsamung gegenüber dem schnellen Wachstum von 2022. Da der gegenwärtige Nachfrageeinbruch sich erst zeitverzögert in der Investitionsstatistik niederschlägt, sind die Investitionsaussichten im Wohnungsbau getrübt.

Die für 2023 prognostizierte Verlangsamung des allgemeinen Wirtschaftswachstums dämpft auch die Nachfrage nach Wirtschaftsbauten. Ohnehin fließt in dieses Segment weitaus weniger Kapital als in den Wohnungsbau. Nach Angaben des Zentralamts für Statistik (Central Bureau of Statistics) entfielen 2022 nur 30 Prozent der Gesamtfläche aller Bauprojekte in Israel auf Wirtschaftsbauten und öffentliche Gebäude. Daher sind aus dieser Richtung keine wesentlichen Impulse zur Überwindung der Nachfrageschwäche zu erwarten.

Importe von Baumaschinen und Baustoffen tangiert

Eine Flaute in der Bauwirtschaft wäre naturgemäß der Einfuhr von Baumaschinen und Baustoffen abträglich. Das würde auch deutsche Exporteure treffen. Im Jahr 2022 führte Israel Baumaschinen im Wert von 479 Millionen US-Dollar (US$) ein. Hiervon entfielen 68 Millionen US$ beziehungsweise 13,3 Prozent auf Lieferungen aus Deutschland. Die Einfuhr von Baustoffen belief sich 2022 auf knapp 1,9 Milliarden US$. Mit einem Lieferwert von 44 Millionen US$ erzielten deutsche Exporteure einen Importmarktanteil von 2,4 Prozent. 

Baubranche fordert Hilfe vom Staat

Der Bauunternehmerverband erwartet, dass die Zahl der Insolvenzen in der Branche zunehmen wird. Verbandspräsident Raul Srugo warnte im Mai 2023, die Stabilität des Baugewerbes sei keine Selbstverständlichkeit.

Wie Srugo betonte, zeigten Daten von Wirtschaftsforschungsfirmen jetzt schon, dass die Zahl von Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden, deutlich zunehme. Solche Warnungen werden auch von ausländischen Unternehmen wahrgenommen, die als Zulieferer für die israelische Bauwirtschaft tätig sind.

In dieser Situation verlangt die Baubranche Hilfsmaßnahmen von der Regierung. Als mögliche Schritte nannten Srugo und Gottlieb Steuersenkungen inklusive einer Senkung der Grunderwerbssteuer sowie eine Reduzierung der Preise, die der Staat für Bauboden verlangt. Auch Subventionen für Hypothekendarlehen seien ein geeigneter Weg, um die Bautätigkeit zu unterstützen.

Dass es zu solchen Maßnahmen kommt, wird indessen bezweifelt. Angesichts der insgesamt verlangsamten Wirtschaftstätigkeit drohen der Regierung jetzt schon ungeplante Steuerausfälle. Umfangreiche Hilfen für die Bauwirtschaft würden das Haushaltsdefizit weiter erhöhen. Eine Alternative wäre Gegenfinanzierung durch Ausgabenkürzungen. Das aber würde staatliche Leistungen an die Bevölkerung schmälern und wäre politisch schwer durchzusetzen.


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