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Kanadas Provinz Ontario liberalisiert den Alkoholverkauf
Ontario öffnet seinen Alkoholmarkt: Ab 2026 dürfen Supermärkte Bier, Wein und Cider verkaufen. Die Auslistung von US-Produkten schafft zusätzliche Chancen für deutsche Exporteure.
24.07.2025
Von Heiko Steinacher | Toronto
Die Regierung der kanadischen Provinz Ontario will den Alkoholverkauf im Lebensmitteleinzelhandel umfassend liberalisieren. Ab 2026 sollen Bier, Wein, Apfelwein (Cider) und alkoholhaltige Mischgetränke auch in Lebensmittelgeschäften, Supermärkten und an Tankstellen erhältlich sein. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, erfolgt der Verkauf von alkoholischen Getränken in Kanadas bevölkerungsreichster Provinz bislang in Läden des staatlichen "Liquor Control Board of Ontario" (LCBO). Der Handel mit Spirituosen verbleibt vorerst weiterhin exklusiv bei LCBO.
Im Zuge dieser Marktöffnung könnten alkoholische Getränke künftig an 8.500 zusätzlichen Verkaufsstellen angeboten werden, schätzt die Provinzregierung. Diese müssen dann künftig auch Leergut zurücknehmen.
Liberalisierung bietet Chancen für europäische Exporteure
Die Marktöffnung schafft neue Regalplätze – und damit Chancen für Lieferanten aus Europa, zusätzliche Einzelhandelskanäle zu erschließen. Dies gilt umso mehr, da die LCBO wegen des Handelskonflikts mit den USA im März 2025 sämtliche US-Produkte aus dem Sortiment genommen hat. Kalifornischer Wein, Bourbon, Hard Seltzer und amerikanisches Craft Beer fallen damit auf unbestimmte Zeit als Konkurrenz weg. Neue Nachfrage trifft auf freie Flächen im Sortiment. Eine Rücknahme der Maßnahmen ist angesichts des weiter anhaltenden Konflikts derzeit nicht absehbar.
Zwar suchen Einzelhändler und Distributoren neue Lieferanten, um Sortiment und Vielfalt zu sichern. Dabei haben deutsche Anbieter mit Premium- oder Spezialitätenprofil gute Chancen. Doch um bei Walmart, No Frills und Metro gelistet zu werden, müssen die Hersteller die meist hohen Anforderungen an Volumen, Preis, Logistik und Marketing der zentralen Einkaufsabteilungen der Lebensmittelketten erfüllen. Viele internationale Anbieter kooperieren daher mit lokalen Importeuren oder Agenturen, die bereits Kontakte zu den Ketten haben. Produkte aus bekannten Regionen, mit Qualitätssiegeln oder Nachhaltigkeitsprofil haben in der Regel bessere Chancen, gelistet zu werden.
Ein möglicher Gamechanger: Der Markteintritt von Aldi
Im Mai 2024 berichtete GTAI über die Bemühungen der kanadischen Regierung, mehr Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel zu schaffen. Aldi und Lidl wurden damals explizit als gewünschte Marktteilnehmer genannt.
Nun scheint sich der Markteintritt von Aldi zu konkretisieren. Einem Bericht des amerikanischen Onlineportals ExpertBeacon zufolge hat Aldi in Kanada bereits Markenrechte für "ALDI" und "ALDI Finds" registriert. Auch gebe es Hinweise auf eine aktive Standortsuche in Toronto, Vancouver, Montréal und Calgary.
Ob Aldi im Fall eines Markteintritts in Kanada künftig Alkohol in seinen Läden anbieten wird, ist unbekannt. Besonders Riesling, Spätburgunder und Silvaner gelten in Nordamerika aber als beliebt. Auch deutsche Braukunst hat hohes Ansehen, insbesondere Helles, Pils und Weißbier. In den USA bietet Aldi bereits ein Craft Beer als Eigenmarke vergleichsweise preisgünstig an.
Erste schrittweise Öffnung im Jahr 2024
Ontario hatte bereits 2024 damit begonnen, den Markt für alkoholische Getränke in Etappen zu öffnen: Ab Sommer durften Supermärkte erstmals Ready-to-Drink-Produkte und größere Verpackungseinheiten verkaufen. Im Herbst folgten Convenience Stores sowie neu lizenzierte Großmärkte wie Walmart und Costco, die seither ebenfalls Bier, Wein und Mischgetränke gelistet haben.
Allerdings dürfen die neuen privaten Einzelhändler bislang nur unter engen Auflagen und in begrenzter Menge Bier verkaufen – zum Beispiel ausgewählte Supermärkte nur mit Sonderlizenz. Insgesamt ist der Verkauf alkoholischer Getränke in der wirtschaftsstärksten Provinz Kanadas weiterhin stark reguliert. Organisiert wird er hauptsächlich über zwei zentrale Vertriebskanäle:
- die LCBO, die ein staatliches Monopol für den Verkauf von Spirituosen, importierten Weinen sowie einigen Bieren und Cidern hat;
- "The Beer Store", eine privat betriebene, lange Zeit durch ein Exklusivabkommen (Master Framework Agreement, MFA) mit der Regierung geschützte Einzelhandelskette, die auf den Verkauf von Bier spezialisiert ist.
Durch das MFA ist "The Beer Store" bis Ende 2025 der einzige Einzelhändler, der Mehrwegflaschen verkaufen und zurücknehmen darf. Logistik und Rücknahme sind auf Marken und Verpackungen der Großbrauereien Labatt, Molson Coors und Sleeman abgestimmt, in deren Besitz sich die Kette befindet.
Quasi-Monopol für Mehrwegbierverpackungen vor dem Aus
Über den 31. Dezember 2025 hinaus will die Provinzregierung von Ontario das Abkommen von 2015 aber nicht mehr verlängern. Die Maßnahme gilt als politisch beschlossen, auch wenn die vollständige gesetzliche Ausgestaltung noch erarbeitet werden muss.
Neben Ontario plant derzeit keine andere Provinz eine ähnlich umfassende und bereits politisch beschlossene Liberalisierung des Alkoholmarkts. Dennoch gibt es regionale Unterschiede und vereinzelte Reformansätze, die auf eine vorsichtige Öffnung hindeuten – jedoch mit deutlich geringerer Reichweite und Verbindlichkeit.
In Québec dürfen Bier und Wein – mit Ausnahme importierter Weine, die im Ursprungsland abgefüllt wurden – bereits seit den 1970er-Jahren in Supermärkten und Convenience Stores verkauft werden. Dieses System unterscheidet sich deutlich von anderen kanadischen Provinzen, in denen der Einzelhandel mit Alkohol stärker zentralisiert oder staatlich kontrolliert ist.
British Columbia hat seinen Markt für alkoholische Getränke bereits teilweise geöffnet, plant aber keine weiteren großen Schritte. In Alberta ist der Markt bereits vollständig privatisiert: Dort sind Bier, Wein und Spirituosen in privaten Läden erhältlich. In den übrigen Provinzen ist die Wahrscheinlichkeit einer vergleichbaren Marktöffnung kurz- bis mittelfristig eher gering.
Drei Provinzen ohne US-Alkohol
Neben Ontario haben auch Québec und British Columbia den Verkauf von alkoholischen Erzeugnissen aus den USA eingeschränkt. Analog zur LCBO hat die Société des alcools du Québec (SAQ) alle entsprechenden Produkte ausgelistet. British Columbia differenziert nach der Herkunft und hat den Verkauf aller alkoholischen Erzeugnisse aus republikanisch regierten US-Bundesstaaten ("Red States") untersagt.