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Markttrends

In den letzten zwei Jahrzehnten stiegen die Ausgaben für Arzneimittel kontinuierlich. Dabei expandierte der Krankenhaussektor im Schnitt noch stärker als der Einzelhandel.

Von Daniel Lenkeit | Toronto

Kanadischer Pharmamarkt wächst

Kanadas Pharmaziemarkt ist berechnet nach Umsatz der neuntstärkste der Welt. Die Regierung gibt den Weltmarktanteil für Medikamentenverkäufe mit 2,1 Prozent an. Die pro Kopf Ausgaben für Medikamente gehören im durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführten Vergleich zu den höchsten. Mit 868 US-Dollar (US$) pro Jahr stehen Kanadier an vierter Stelle von insgesamt 42 Ländern der Vergleichsgruppe. Nur in den Vereinigten Staaten, Japan und Deutschland wird durchschnittlich mehr für Gesundheit ausgegeben. 

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Medikamentennachfrage steigt ebenso wie die Bedeutung verlässlicher Lieferketten

Kanadas Regierung bemüht sich seit dem Ausbruch der Coronapandemie um neue Produktionskapazitäten in der Pharmaindustrie, vor allem im Bereich Vakzinentwicklung und -herstellung. Über seinen "Strategic Investment Fund" investiert der Bund in eigene Kapazitäten für die zukünftige Impfstoffproduktion, vor allem für Corona Impfstoffe aber auch für Therapeutika.

Bisher wurden über den Strategic Innovation Fund und andere öffentliche Fördertöpfe bereits etwa 1,3 Milliarden US$ in 32 Projekte aus dem Biotechnologiesektor investiert. Der Großteil der Fördergelder geht in die Provinzen Ontario, Quebec und British Columbia. Die zukünftige Vakzinherstellung ist dabei ein wichtiges Ziel. Einen detaillierten Überblick über die Projekte bietet die Webseite der kanadischen Regierung.

Eine Studie des aus öffentlichen Geldern finanzierten Canadian Journal of Health Technologies (CJHT) erwartet weiteres Wachstum für den Pharmasektor im Jahr 2023. Das CJHT bezieht sich in seiner Bestandsanalyse und den Projektionen auf nominale Zahlen bei der Absatzentwicklung. Die jährlichen Preissteigerungen für Medikamente werden in den Daten also nicht berücksichtigt.

Für 2023 erwartet die Studie einen Anstieg der Ausgaben für Medikamente insgesamt von 6 Prozent. Die Analysten unterscheiden dabei zwischen dem Absatzwachstum in Krankenhäusern (9 Prozent) und dem Absatzwachstum im Einzelhandel (5 Prozent).

Umsatz und Produktion von Medikamenten nimmt kräftig zu

Den Gesamtumsatz von Pharmazeutika in Kanada 2021 beziffert CJHT mit etwa 35 Milliarden kanadischen Dollar (kan$ - circa 26 Milliarden US$). Der Umsatz lag damit 8 Prozent über dem Wert für 2020 und deutlich über den Erwartungen der Experten. Etwa 7 Prozent des Wachstums generierte der Einzelhandel und 12 Prozent Umsatzwachstum stammen aus dem Krankenhaussektor. Am stärksten stiegen 2021 die Ausgaben für Diabetesmedikamente. Der zweitgrößte Wachstumstreiber waren Arzneimittel für Netzhauterkrankungen (VEGF-Hemmer).

Der Verkauf patentierter Arzneimittel in Kanada nahm in den letzten fünf Jahren deutlich zu. Nach Berechnungen des Patented Medicine Prices Review Board (PMPRB) stiegen die realen Umsätze von 2017 bis 2021 im Durschnitt um etwa 6 Prozent pro Jahr. Das "PMPRB" ist die kanadische Regulierungsbehörde, die die Preissetzung für Medikamente beaufsichtigt und Trends im Pharmamarkt analysiert.

Auch die Herstellung von Pharmazeutika in Kanada stieg in den letzten zwei Jahren stetig. Das gilt sowohl für absolute Produktionszahlen aber auch relativ. Ausgedrückt am Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nahm die Bedeutung der Arzneimittelherstellung in den Pandemiejahren zu.

Versorgung mit Arzneistoffen importabhängig 

Die Mehrzahl der pharmazeutischen Wirkstoffe, Vorprodukte für die kanadische Pharmazeutikaproduktion, werden importiert. Verlässliche Lieferketten für die Einfuhr dieser Arzneistoffe ("active pharmaceutical ingredients") sind seit dem Beginn der Coronapandemie 2020 so wichtig wie nie. Eine Analyse von Ernst & Young (E&Y) stellt fest, dass Kanada seine Arzneistoffe in den letzten drei Jahren zu überwiegendem Teil aus Indien, China, Mexiko, Italien und Spanien bezog.

Indien ist mit Abstand der wichtigste Lieferant und es besteht eine gewisse Abhängigkeit Kanadas von den indischen Lieferungen. China und Indien gemeinsam stellen 60 Prozent der kanadischen Arzneistoffimporte, so der E&Y Bericht.

In der Pandemie waren viele Lieferketten überlastet und haben sich in einigen Industrien bis heute nicht erholt. Dazu nehmen politische Lagerbildungen zukünftig wohl mehr Einfluss auf die Wahl der Handelspartner - so denn eine Lieferantenvielfalt besteht. Kanada orientiert sich dabei eng an der Politik seiner Partner in den USA und der EU.

In Verbindung mit der starken Importabhängigkeit für Arzneistoffe aus Asien, sind zwei Entwicklungen möglich. Zum einen will Kanada seine eigenen Produktionskapazitäten in dem Bereich wieder stärken. Damit soll der Importbedarf sinken. Zum anderen fordern Branchenvertreter die Sicherung der Lieferketten für Pharmazeutika und Arzneistoffe für die eigene Arzneimittelproduktion. Dafür müsste die Importabhängigkeit auf mehrere Schultern verteilt werden. Europäische Lieferländer könnten demnächst stärker zum Zuge kommen, vor allem bei komplexen Arzneistoffen.

Nutzung von Nachahmerpräparaten ausbaufähig

Generika machten 2021 knapp 75 Prozent aller verschreibungspflichtigen Medikamente aus. Gleichzeitig verursachten sie damit 20 Prozent aller Kosten für Medikamente. Der kanadische Verband für Generika (Canadian Generic Pharmaceutical Association - CGPA) gibt an, dass Nachahmerpräparate 565 Millionen Rezepte füllten und diese 7,2 Milliarden kan$ (etwa 5,3 Milliarden US$) kosteten. Originalpräparate hingegen füllten 203 Millionen Rezepte zu Kosten von 27,8 Milliarden kan$ (20,6 Milliarden US$).

CGPA argumentiert, Kanada gebe noch immer zu viel Geld für Originalpräparate aus. Im Vergleich mit den USA, wo 90 Prozent aller Rezepte durch Generika bedient werden.

Sowohl im öffentlichen Sektor als auch bei privater Absicherung liegt die Quote für Generika deutlich darunter. Hier können, so CGPA, in den nächsten Jahren hunderte Millionen Dollar eingespart werden.

Die Liste der in Kanada verschreibungspflichtigen Arzneimittel stellt die Regierung auf ihrer Webseite zur Verfügung.

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