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Kasachstans Stahlriese Qarmet muss moderner und sicherer werden

Zwei Grubenunglücke erschütterten den Branchenprimus im Jahr 2023. Jetzt sollen Milliarden investiert werden, um Technik, Umwelt- und Sicherheitsstandards neu auszurichten.

Von Viktor Ebel | Bonn

Nachdem im August und Oktober 2023 bei schwerwiegenden Unfällen insgesamt 51 Arbeiter in den firmeneigenen Minen von ArcelorMittal Temirtau ums Leben kamen, hat die kasachische Regierung die Reißleine gezogen. Das für seine Sicherheitsmängel berüchtigte Unternehmen wurde für 286 Millionen US-Dollar (US$) an den staatlichen Direktinvestitionsfonds Qazaqstan Investment Corporation übertragen und in Qarmet umbenannt.

Kurz darauf fand sich für den größten Stahlproduzenten des Landes, der auch Eisenerz- und Kohleminen betreibt, ein neuer Investor. Die Qazaqstan Steel Group, gegründet von dem kasachischen Geschäftsmann Andrey Lavrentiev, hat die Anteile aufgekauft. Zudem kündigte der neue Eigentümer an, 3 Milliarden US$ in die Modernisierung der Produktionsanlagen, sowie die Verbesserung der Umwelt- und Sicherheitsstandards zu investieren.

Schlechte Ausgangslage erfordert dringende Maßnahmen

Um dringende Maßnahmen sofort umzusetzen und das angeschlagene Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, sollen schon in diesem Jahr 1,3 Milliarden US$ investiert werden. Wie groß der Modernisierungsbedarf sein könnte, deutet der Abgeordnete des kasachischen Parlaments, Albert Rau, in einem Interview mit der Deutschen Allgemeinen Zeitung in Kasachstan an. Er hatte schon in den 1990er Jahren als Bürgermeister einer Bergbaustadt mit dem Unternehmen zu tun und berichtet, dass die ausbleibenden Investitionen zu einer Verschlechterung der industriellen Basis geführt hätten. 

Höchste Priorität hat die Wiederinbetriebnahme der Schächte, da die Stahlproduktion aktuell noch auf Kohle als Brennstoff angewiesen ist. Das neue Management will dabei mit neuer Ausrüstung arbeiten, beispielsweise mit einem unterirdischen Lokalisierungs- und Kommunikationssystem, und damit die Arbeitsbedingungen unter Tage verbessern.

Stahlproduktion soll 2024 wieder steigen

Trotz der Unglücke im letzten Jahr und der laufenden Instandsetzung will Qarmet die Produktion 2024 steigern. Bei einer Strategiesitzung im Januar 2024 kündigte der Konzern an, die Stahlproduktion gegenüber dem Vorjahr auf 3,3 Millionen Tonnen und damit um 13 Prozent zu erhöhen. Im Jahr 2028 will Qarmet dann die 5-Millionen-Tonnen-Marke knacken. Der Rohstahl wird unter anderem zu Bewehrungsstahl, Rohren, kalt- und warmgewalzten Flachstahl sowie beschichteten Stahlerzeugnissen weiterverarbeitet.

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Dekarbonisierung ist die nächste dringende Baustelle

Qarmet ist nicht nur der bedeutendste Branchenvertreter, sondern gleichzeitig der Hauptverursacher von Treibhausgasen im Land. Diese will die kasachische Regierung bis 2030 um bis zu 25 Prozent senken, und nimmt dabei auch den Stahlriesen in die Pflicht: Qarmet muss seine Emissionen bis 2025 deutlich reduzieren, von 325.000 Tonnen im Jahr 2021 auf dann höchstens 149.000 Tonnen.

Besonders die in Eigenregie betriebenen Heizkraftwerke verursachen viele Emissionen. Daher muss dort, aber auch in den Stahlhütten, beim Brennstoff von Kohle auf Erdgas umgesattelt werden. In Zukunft könnte hier auch grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen.

Aufgrund der strengeren Umweltauflagen wurden schon unter ArcelorMittal erste emissionsmindernde Modernisierungen in Auftrag gegeben. Das betrifft unter anderem den Austausch von Kesselanlagen und Transformatoren in den Kraftwerken, den Einbau neuer Staubsammel- und Absauganlagen in der Kokerei und das Wechseln der Schlauchfiltersysteme in der Sinteranlage.

Metallurgie ist das Rückgrat der verarbeitenden Industrie

Über 40 Prozent der Produktion in der verarbeitenden Industrie in Kasachstan entfällt auf die Metallurgie, wie aus Zahlen des kasachischen Statistikamtes hervorgeht. Das hat auch mit den reichlich vorhandenen Erzen zu tun, die in den kasachischen Böden schlummern und darauf warten, verarbeitet zu werden. In der Industriepolitik des Landes spielt die Branche deswegen eine zentrale Rolle.

Denn Kasachstan will sich von seiner Abhängigkeit von der Ölförderung verabschieden und das produzierende Gewerbe massiv ausbauen. Laut Schätzungen der Regierung soll die verarbeitende Industrie in den Jahren 2024 bis 2028 durchschnittlich mit fast 5 Prozent jährlich wachsen und damit schneller als der Bergbau samt Ölförderung mit 3 Prozent pro Jahr.

Einer der Hebel dafür ist die Lokalisierung. Heimische Firmen werden mit Rohstoffen unter den Börsenpreisen versorgt, wovon 2023 laut Medienberichten die Produzenten von Aluminium- und Kupfererzeugnissen profitierten. Zudem werden Investitionsanreize geschaffen, beispielsweise indem

  • neue produzierende Unternehmen drei Jahre von der Steuer befreit werden,
  • bei der Einfuhr von Maschinen und Ausrüstung, die in Kasachstan nicht verfügbar sind, die Mehrwertsteuer erlassen wird und
  • die Stabilität der Steuergesetzgebung beim Abschluss eines Investitionsabkommens für zehn Jahre gewährleistet wird.

Neue Produktionsanlagen für Ferrolegierungen und Stahl geplant

Wie das Branchenportal GMK Center schreibt, sollen in den nächsten Jahren zwei Hütten zur Herstellung von Ferrolegierungen in Betrieb gehen. Das Unternehmen Ekibastus FerroAlloys will in der gleichnamigen Stadt Ekibastus (Region Pawlodar) ab 2025 jährlich 80.000 Tonnen Ferrosilizium produzieren. Geschätztes Investitionsvolumen: 245 Millionen US$. Technologiepartner ist das südkoreanische Unternehmen SAC. 

Die andere Schmelze ist in einem Industriepark im südkasachischen Taras (Region Schambyl) geplant. Ein kasachisch-indisches Joint Venture (TB Alloys Kazahk) hat dazu Ende 2022 eine Absichtserklärung unterzeichnet, die Investitionen von 125 Millionen US$ vorsieht. Die geplante Kapazität der Anlage beträgt 100.000 Tonnen Ferrolegierungen pro Jahr. Das beteiligte indische Unternehmen Tirumala Balaji Alloys betreibt bereits metallurgische Industriebetriebe in Indien.

Zudem wurden zwei neue Stahlhütten in der Region Aktobe angekündigt. Eine durch den Investor Aktobe Generation LLP, die andere durch QazSpetsSteel LLP. Beide wollen jeweils etwa 600 Millionen US$ investieren. Zum aktuellen Stand der Projekte ist noch nichts bekannt.

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