Kasachstan bewältigt die Coronapandemie recht gut. Die Wirtschaft schrumpfte 2020 nur leicht und kann 2021 wieder mit nennenswertem Wachstum rechnen. (Stand: 27. September 2021)
Die Coronakrise und das niedrige Preisniveau für Rohöl bescherten der kasachischen Wirtschaft 2020 ihren ersten Abschwung seit 2009. Der Konjunkturknick fiel jedoch ausgesprochen moderat aus: Vorläufigen Angaben des Büros für nationale Statistik zufolge ging die Wirtschaftsleistung 2020 um real 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück.
Umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen der Regierung halfen, einen befürchteten stärkeren Einbruch zu verhindern. Vorübergehende Steuererleichterungen und zinsgünstige Kredite trugen wesentlich dazu bei, zahlreichen Unternehmen das Überleben in der Coronakrise zu sichern.
So blieben die Landwirtschaft, das Baugewerbe und das verarbeitende Gewerbe von stärkeren Einbrüchen verschont. Die zeitweiligen Einschränkungen vor allem in wichtigen Teilen des Dienstleistungssektors, wie Handel, Verkehr und Gastgewerbe, setzten der Wirtschaft hingegen stark zu.
Wirtschaft schwenkt 2021 wieder auf Wachstumskurs ein
Trotz des ungewissen Verlaufs der Pandemie, erwarten internationale Beobachter bereits 2021 wieder eine spürbare Erholung der Wirtschaft des Landes. Die Economist Intelligence Unit geht angesichts ihrer aktuellen Wachstumsprognose von 3,7 Prozent davon aus, dass das Vorkrisenniveau wieder erreicht und leicht übertroffen wird. Ähnlich optimistisch fällt der Ausblick der Asiatischen Entwicklungsbank aus, die für 2021 mit einem Plus von 3,4 Prozent rechnet. Für 2022 erwarten die beiden Institutionen Zuwächse um 3,7 bis 4,2 Prozent.
Die Chancen für einen konjunkturellen Aufschwung gelten als recht vielversprechend. So hat sich Erdöl auf den Weltmärkten wieder deutlich verteuert: Anfang März 2021 wurden für das mit Abstand wichtigste Exportgut der zentralasiatischen Republik Preise erzielt, die das extrem niedrige Vorjahresniveau teilweise um mehr als das Doppelte übertrafen. Als positiver Aspekt erweist sich zudem die fortschreitende wirtschaftliche Erholung im Nachbarland China, das zweitwichtigster Handelspartner ist.
Nur noch relativ überschaubare Coronaeinschränkungen
Vor allem aber scheint die Corona-Pandemie im Land insgesamt recht gut unter Kontrolle zu sein. Eine Impfkampagne ist Anfang Februar 2021 angelaufen.
Kasachstan hatte am 13. März 2020 offiziell den ersten Covid-19-Fall gemeldet. Drei Tage später wurde der Notstand mit strengen Quarantäneregeln verhängt, der schließlich am 11. Mai wieder aufgehoben wurde. Im Sommer 2020 musste das Land wochenlang in einen zweiten scharfen Lockdown.
Ausgewählte Maßnahmen haben weiterhin Bestand, wobei sich mögliche Eingriffe an der jeweiligen Infektionslage auf regionaler und örtlicher Ebene orientieren. Kasachstan nutzt dafür eine spezielle Corona-Matrix mit den Interventionsstufen grün, gelb, rot und dunkelrot. Einschränkungen für die Wirtschaft sollen dabei möglichst überschaubar bleiben. Die App Ashyq gilt mittlerweile als Hauptinstrument für Zugangskontrollen, um Infizierte und Kontaktpersonen herauszufiltern.
Im Zuge einer erneuten Coronawelle im Sommer 2021 rutschte Kasachstan Ende Juni in die rote Zone. Die Lage entspannte sich in der Folgezeit nur langsam. Erst Ende September wurde das Land wieder als „gelb" eingestuft.
Verstärkter Rückgriff auf externe Finanzierungsquellen
Bei der Bewältigung der Folgen der Coronakrise profitiert Kasachstan auch von den verbesserten Bedingungen für die Kapitalaufnahme auf den internationalen Finanzmärkten. Damit konnte das Land die Finanzierung seiner Hilfspakete für Wirtschaft und Bevölkerung auf eine breitere Basis stellen. Zunächst hatten die benötigten Mittel ausschließlich aus eigenen Reserven gestammt.
Zu wichtigen Aktivitäten des kasachischen Finanzministeriums auf internationalen Kapitalmärkten zählten im Herbst 2020 die erfolgreiche Platzierung von Eurobonds über 1,15 Milliarden Euro sowie eine Anleihe auf dem russischen Markt, mit der umgerechnet 440 Millionen Euro erlöst wurden. Darüber hinaus vereinbarte Kasachstan zwei Großkredite mit internationalen Entwicklungsbanken – zum einen mit der Asiatischen Entwicklungsbank über 909 Millionen Euro und zum anderen mit der Asiatischen Bank für Infrastrukturinvestitionen über 662 Millionen Euro.
Bauwirtschaft als wichtiger Impulsgeber
Zu den Branchen, die sich in Kasachstan während der Coronakrise gut behaupten, zählt die Bauwirtschaft. Sie legte vorläufigen Angaben des Büros für nationale Statistik zufolge 2020 deutlich um 11,2 Prozent zu. Die Branche profitiert auch weiterhin von den umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen der Regierung. Aber es wurde auch ein deutlicher Zuwachs der privaten Bauinvestitionen verzeichnet. Im Jahr 2021 soll der Aufwärtstrend anhalten.
Der Staat kurbelt die Bauaktivitäten derzeit hauptsächlich über seine Langzeitprogramme für staatliche Investitionen in die Bereiche Infrastruktur und Wohnungsbau an. Hauptimpulse zur Modernisierung und zum Ausbau der Verkehrswege liefert das aktuell bis 2025 laufende Programm "Nurly Zhol". Zudem fördert der Staat mit dem Programm "Nurly Zher" neuen Wohnraum für etwa 1,5 Millionen Familien.
Ölprojekte werden trotz Coronakrise weiter vorangetrieben
In der Coronakrise haben der volatile Ölpreis und die gezielte Drosselung der weltweiten Förderung den kasachischen Förderunternehmen zugesetzt. Sie hielten die Förderung zwar weitestgehend aufrecht. Wegen einer von Kasachstan mitgetragenen Kürzung der Ölproduktion im Rahmen der OPEC+ wurde 2020 aber um 5,4 Prozent weniger Öl gefördert als 2019. Im Jahr 2021 und danach soll es wieder aufwärtsgehen.
Beim Ausbau der drei wichtigsten Ölförderprojekte des Landes sind daher auch kaum Abstriche zu erwarten. Das mit Abstand größte Projekt verfolgt Betreiber Tengizchevroil bereits seit 2016. In den Ausbau der Ölförderung am Ölfeld Tengiz investiert das Unternehmen rund 45 Milliarden US-Dollar (US$). Darüber hinaus stehen bei den Konsortien NCOC und KPO, die in Kasachstan die Öl- und Gaslagerstätten Kashagan und Karachaganak betreiben, aktuell Projekte mit Investitionen über 1,5 Milliarden beziehungsweise 1 Milliarde US$ an.
Von Jan Triebel
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Almaty