Rechtsbericht Kenia Coronavirus
Kenia: Coronavirus und Verträge
Das Land ist ein wichtiger Handelspartner in Ostafrika. Viele Unternehmen können aufgrund des Coronavirus Verträge nicht mehr erfüllen. Was sind die rechtlichen Folgen?
15.12.2020
Von Katrin Grünewald | Bonn
Einleitung
Auch die kenianische Wirtschaft leidet unter den Folgen der Coronapandemie. Wie andere afrikanische Staaten hat Kenia zeitweise drastische Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, dies auch vor dem Hintergrund, dass das Gesundheitssystem auf eine Vielzahl von Krankheitsfällen nicht vorbereitet wäre. So wurden zeitweise die Flughäfen, Schulen und Universitäten geschlossen sowie Veranstaltungen abgesagt. Außerdem wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.
Trotz Lockerungen stehen viele Unternehmen angesichts der vergangenen oder noch bestehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens vor der Frage: Was sind die rechtlichen Folgen, wenn Verträge aufgrund der Beeinträchtigungen durch das Coronavirus nicht mehr eingehalten werden können?
Was sehen die vertraglichen Regelungen vor?
Erster Anhaltspunkt für Unternehmen, die vor diesem Problem stehen, sollte der dem Geschäft zugrundeliegende Vertrag sein. Die überwiegende Mehrheit der Verträge enthält sogenannte Höhere Gewalt-Klauseln, auch force majeure-Klauseln genannt. Ob das Coronavirus nach vertraglicher Regelung ein Ereignis höherer Gewalt darstellt, ist auch abhängig von der Formulierung der jeweiligen Klausel und dem anwendbaren Recht.
Einen Anhaltspunkt für die Formulierung einer Vertragsklausel bietet die Musterklausel der Internationalen Handelskammer (ICC Force Majeure Clause 2020), deren Geltung vertraglich vereinbart werden kann. Danach muss ein Hindernis vorliegen, das außerhalb der Kontrolle der leistungsschuldenden Partei liegt, das für die Parteien bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war und dessen Auswirkungen nicht hätten verhindert werden können.
Höhere Gewalt-Klauseln enthalten darüber hinaus häufig eine beispielhafte Aufzählung von Ereignissen, die für die Vertragsparteien ein Ereignis höherer Gewalt darstellen. Die vertraglichen Auswirkungen des Coronavirus dürften danach insbesondere unter Begriffe wie Pandemie oder Epidemie fallen. Die überwiegende Literatur geht ferner davon aus, dass auch Begriffe wie Regierungsakte (acts of government) ausreichen dürften. Auch die ICC-Musterklausel enthält eine derartige Liste, die je nach Art des Geschäfts und Leistungsortes im Rahmen der Vertragsverhandlungen ergänzt werden sollte.
Eine weitere Voraussetzung ist regelmäßig die Kausalität zwischen dem Ereignis höherer Gewalt und der Nichterfüllung. Das bedeutet, dass Grund für das Unvermögen, den Vertrag zu erfüllen, die durch das Coronavirus hervorgerufenen Beeinträchtigungen sein müssen. Außerdem ist die sich auf höhere Gewalt berufende Partei, laut ICC-Musterklausel, verpflichtet, die andere Partei hierüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Der Vertrag kann hierfür auch eine konkrete Frist vorsehen.
Rechtsfolge ist die Befreiung von den vertraglichen Pflichten
Beruft sich eine Partei erfolgreich auf höhere Gewalt, werden nach der ICC-Musterklausel beide Vertragsparteien von ihren vertraglichen Pflichten befreit. Die sich auf höhere Gewalt berufende Partei haftet nicht für Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Verzug.
Ist die Beeinträchtigung nur von vorübergehender Natur, was bei den Beschränkungen zur Bekämpfung des Coronavirus in der Regel anzunehmen ist, dann gilt die Leistungsbefreiung nur für die Dauer der Beeinträchtigung. Sobald das beeinträchtigende Ereignis weg fällt, hat die sich auf die höhere Gewalt berufende Partei die andere Partei hierüber zu informieren und beide Parteien sind wieder zur Leistung verpflichtet.
Teilweise treten Fälle auf, in denen die Vertragserfüllung nach Wegfall der Beeinträchtigung keinen Sinn mehr macht. Hier sieht die ICC-Musterklausel vor, dass beide Parteien innerhalb einer angemessenen Frist kündigen können.
Nach kenianischem Recht gilt die Doktrin der frustration of contract
Möglicherweise wurde bei Vertragsschluss versäumt, eine Höhere Gewalt-Klausel zu vereinbaren. In diesem Fall ist bei anwendbarem kenianischem Recht, wie in anderen anglo-amerikanischen Rechtssystemen, die aus dem Richterrecht entwickelte Doktrin der frustration of contract anwendbar.
Hierauf kann sich eine Vertragspartei berufen, wenn nach Vertragsschluss ein Ereignis eintritt, das nicht von den Vertragsparteien verursacht wurde und die Erfüllung unmöglich macht oder den Charakter des Vertrages grundlegend ändert. Außerdem muss das Ereignis bei Vertragsschluss weder bekannt noch vorhersehbar gewesen sein. Da die Doktrin der frustration of contract von den Gerichten sehr eng ausgelegt und nur unter bestimmten Umständen angewendet wird, genügt eine bloße Erschwerung der Erfüllung, beispielsweise durch eine Verzögerung oder eine Verteuerung, in der Regel nicht.
Rechtsfolge einer erfolgreichen Berufung auf die frustration of contract ist, dass beide Parteien von ihren vertraglichen Verpflichtungen befreit werden und der Vertrag aufgelöst wird. Bereits erfolgte Leistungen können zurückgefordert werden. Nicht vorgesehen ist es bei der frustration, dass der Vertrag nach Wegfall der Beeinträchtigung weiterbesteht und die Parteien wieder zur Leistung verpflichtet sind.
UN-Kaufrecht
Kenia hat das Übereinkommen zum UN-Kaufrecht nicht ratifiziert. Nichtsdestotrotz ist es möglich, dass auf einen Vertrag mit einem kenianischen Geschäftspartner das UN-Kaufrecht anwendbar ist.
Mehr zu diesem und zum Thema „Coronavirus und anwendbares Recht“:
- GTAI-Artikel vom 2. November 2020: Coronavirus und die Haftungsbefreiung nach Art. 79 UN-Kaufrecht
- GTAI-Special „Zoll- und Rechtsfragen im Exportgeschäft“
GTAI-Themenspecial Coronavirus: Über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf Auslandsmärkte sowie damit verbundene rechtliche und zollrechtliche Fragestellungen berichten wir in unserem Themenspecial.