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Das kleine Kirgisistan klinkt sich in die neue Seidenstraße ein
In Zentralasien entsteht ein neuer Bahnkorridor, der China noch besser mit Europa und dem Nahen Osten verbinden soll. Kirgisistan liegt auf der Route und möchte davon profitieren.
13.06.2025
Von Viktor Ebel | Bischkek
Alternative Transportrouten zwischen Europa und Asien, die Russland umgehen, liegen derzeit im Trend. Die Gebirgsrepublik Kirgisistan will auf diesen Zug aufspringen und hat dafür gemeinsam mit seinen Nachbarländern ein jahrzehntealtes Projekt wiederbelebt: eine Eisenbahnstrecke von Kaschgar im Westen Chinas, quer durch Kirgisistan bis nach Andischon in Usbekistan. Dafür müssen Hunderte Kilometer Gleise verlegt sowie Dutzende Tunnel und Brücken gebaut werden.
kürzer ist die Strecke im Vergleich zur nördlichen China-Europa-Route.
Während China sich von der Route eine verkürzte Transportzeit nach Europa und in den Nahen Osten erhofft, möchte Usbekistan neue Märkte in Ost und West erschließen. Kirgisistan hingegen plant, sich zu einem Transporthub zu entwickeln und am Gütertransit mitzuverdienen. Deshalb soll in den kommenden Jahren verstärkt in die Logistik- und Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Ausländische Unternehmen können sich als Ausrüstungslieferanten, Dienstleister oder Investoren einbringen.
Bauarbeiten am ersten Tunnel der neuen Strecke haben begonnen
Die Strecke von China über Kirgisistan nach Usbekistan wird etwa 500 Kilometer lang sein, wovon mehr als 300 Kilometer auf Kirgisistan entfallen. Nach jahrelangen Verhandlungen einigten sich die beteiligten Länder 2023 auf einen Streckenverlauf innerhalb Kirgisistans und die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens als Projektgesellschaft. Die Route führt vom Torugart-Pass an der chinesisch-kirgisischen Grenze über Makmal bis nach Dschalal-Abad. Obwohl sie nicht die kürzeste Option darstellt, ermöglicht sie Kirgisistan, weitere Landesteile an das Eisenbahnnetz anzuschließen.
Das bergige Terrain erfordert zudem den Bau zahlreicher Brücken und Tunnel. Nach dem offiziellen Startschuss für das Projekt im Dezember 2024 haben laut Medienberichten im April 2025 die ersten Bauarbeiten in der Region Dschalal-Abad begonnen. Dort entsteht der über 12 Kilometer lange Fergana-Bergtunnel. Weitere Bauwerke dieser Größenordnung sind in Planung, weshalb die kirgisische Teilstrecke rund 4,7 Milliarden US-Dollar (US$) kosten und frühestens 2031 fertiggestellt werden soll.
China stellt einen Großteil der Finanzierung bereit und hält mit 51 Prozent die Mehrheit an dem Gemeinschaftsunternehmen. Die China Railway International Group (CRIG) wurde als Generalunternehmer verpflichtet. Der Einfluss Beijings zeigt sich auch daran, dass die Gleise von der chinesischen Grenze bis Makmal in Normalspur verlegt werden. Erst in Makmal, wo sich unter anderem eine bedeutende Goldlagerstätte befindet, erfolgt der Spurwechsel auf die in Zentralasien übliche Breitspur.
Neue Seidenstraße in Kirgisistan nimmt Gestalt an
Erste öffentlich-private Partnerschaft im Bahnverkehr angekündigt
Makmal dürfte Logistikexperten zukünftig nicht nur aufgrund der dort geplanten Umspuranlage ein Begriff sein. Der Ort soll auch Ausgangspunkt einer neuen Bahnstrecke nach Karakol im Norden Kirgisistans werden, die im Februar 2025 angekündigt wurde. Wie das Branchenportal Railway Supply berichtet, haben die kirgisische Investitionsagentur, die kirgisische Eisenbahn und die US-amerikanische All American Rail Group eine Vereinbarung über eine öffentlich-private Partnerschaft unterzeichnet.
Diese sieht die Planung, den Bau, den gemeinsamen Betrieb und die Wartung der mehr als 400 Kilometer langen Strecke vor. Die Gesamtinvestitionen werden auf 3 Milliarden US$ geschätzt. Die Regierung Kirgisistans arbeitet bereits seit 2022 an einem Teilabschnitt zwischen Makmal und Balykschy. Dass nun ein ausländischer Partner für Bau und Betrieb hinzugezogen wurde, spricht für eine Beschleunigung des Projekts. Ziel ist es, wichtige Landesteile besser zu vernetzen und Transportkosten sowie -zeiten zu reduzieren.
Transportgewerbe gehört zu den wichtigsten Investitionsbranchen
Fracht sollen jährlich über den China-Kirgisistan-Usbekistan-Bahnkorridor transportiert werden.
Das Transportgewerbe sendet seit einigen Jahren positive Signale. Zwischen 2020 und 2024 stieg der Frachtumschlag in Kirgisistan von 30 Millionen auf 54 Millionen Tonnen, so Zahlen des nationalen Statistikkomitees. Davon entfielen jedoch über 80 Prozent auf den Lkw-Transport. Aufgrund der bislang unzureichenden Bahninfrastruktur konnte sich das Potenzial des Transport- und Lagergewerbes noch nicht vollständig entfalten. Der Anteil dieser Branche am Bruttoinlandsprodukt lag in den vergangenen Jahren konstant bei etwa drei Prozent.
Zunehmender Handel in der Region sowie die Aussicht auf mehr Transitgüterverkehr per Schiene lassen aber eine erhöhte Nachfrage nach Transport- und Lagerdiensten erwarten. Investoren reagieren bereits darauf. Das nationale Statistikkomitee meldet, dass die Bruttoanlageinvestitionen in die Branche 2024 mit über 300 Millionen US$ ihren Höchstwert erreicht haben. Damit lag der Wirtschaftszweig bei den Investitionen auf Platz 3, hinter dem Bausektor und dem Bergbau.
Zahlreiche Logistikkomplexe sind in der Planung und im Bau
In der Region Tschui in der Nähe der Hauptstadt Bischkek ist der Handels- und Logistikstandort Manas geplant, wo langfristig eine ganze Stadt auf einer Fläche von 700 Hektar entstehen soll. Das kirgisische Wirtschaftsministerium gibt die Gesamtinvestitionen mit 4,2 Milliarden US$ an, davon 700 Millionen US$ in der ersten Bauphase. Federführend bei dem Projekt ist eine kirgisisch-chinesische Investitionsholding. Die Realisierung des Vorhabens dürfte wesentlich vom Fortschritt der im Bau befindlichen Bahntrasse China-Kirgisistan-Usbekistan abhängig sein.
Standort | Investitionsvolumen (in Mio. US$) | Projektträger |
---|---|---|
Region Naryn | 173 | Kara Bulak LLC, Kyrgyz Pochtasy OJSC, Shaanxi Lingyun Logistics Co. Ltd |
Region Dschalal-Abad | 57 | MSK Group LLC |
Region Tschui | 21 | Alkanov Group LLC |
Region Tschui | 15 | Wildberries |
Auch deutsche Unternehmen sind dazu aufgerufen, sich im kirgisischen Transportsektor zu engagieren. "Wir rechnen mit einer aktiveren Beteiligung der deutschen Wirtschaft an der Schaffung von Logistikzentren entlang der neuen Eisenbahnstrecke", sagte der kirgisische Präsident Sadyr Dschaparow beim Deutschland-Zentralasien-Gipfel im September 2024 in Astana, der Hauptstadt Kasachstans. Ein erstes deutsches Unternehmen hat bereits Interesse angemeldet: Die Rhenus-Gruppe plant Investitionen in die Logistik entlang der neuen Eisenbahnstrecke China-Kirgisistan-Usbekistan.
Straßen und Grenzübergänge werden weiter ausgebaut
Die Straßen werden weiterhin die Hauptlast des Transitverkehrs tragen. Nach mehreren Jahren Bauzeit wird 2026 eine zweite Nord-Süd-Trasse zwischen Balykschy und Dschalal-Abad eingeweiht. Die Beziehungen zu den Nachbarn Usbekistan und Tadschikistan haben sich zuletzt spürbar verbessert, sodass nun gemeinsame, grenzübergreifende Straßenbauprojekte diskutiert werden. Im September 2024 eröffnete Kirgisistan am Bedel-Pass in der Region Issyk-Kul den dritten Grenzübergang nach China. Bis 2027 soll hier ein modernes Grenzabfertigungszentrum entstehen.