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Branchen | Malta | Tiefbau, Infrastrukturbau

Tourismus bringt Infrastruktur an ihre Grenzen

In Sommer 2022 strömte wieder eine große Zahl von Touristen nach Malta. Dabei wurden die Engpässe in der Infrastruktur des Landes erneut deutlich. 

Von Oliver Döhne | Mailand

Die Besucherzahlen auf Malta lagen im Sommer 2022 nur knapp unter dem Rekordjahr 2019. Zwischen Juni und August kamen rund 823.000 Touristen auf die beliebten Mittelmeerinseln Malta, Comino und Gozo. Damit wurden wieder rund 90 Prozent des Niveaus vor der Coronakrise erreicht. Zwischen Januar und August 2022 sorgten rund 1,5 Millionen Besucher für 10,8 Millionen Übernachtungen und gaben insgesamt 1,3 Milliarden Euro aus. 

Mit diesem Ansturm rückte erneut die Überlastung der Infrastruktur in den Fokus. Hotspots wie St. Julien's und Bugibba würden in der Hochsaison angesichts der Besuchermassen praktisch "unbewohnbar", so ein Einheimischer.

Neue Anlagen für Müll- und Abwasserbehandlung

Mit der Zahl der Touristen wächst auch der Müllberg. Die Ausschreibung für eine Müllverbrennungsanlage, die bis zu 40 Prozent der nicht-recyclebaren Abfälle in Energie und Agrarchemikalien umwandeln soll, verlief im Jahr 2020 erfolglos. In einem neuen Anlauf sind nun fünf vorausgewählte Konsortien in der ITPD-Phase (Invitation to participate in dialogue). Das Ziel ist die Vergabe von Design, Bau und Betrieb. Die Anlage soll ab 2026 laufen.

Die Müllverbrennungsanlage ist Teil des umfassenderen, geplanten Ecohive-Komplexes im Maghtab. Malta will hier insgesamt 500 Millionen Euro investieren, um unter anderem seine Deponie durch Kreislaufwirtschaft zu ersetzen. Der Abfallentsorger WasteServ plant dort eine neue Anlage für die Verarbeitung von organischem Abfall, dessen Menge in den kommenden Jahren um schätzungsweise 1,5 Prozent zunehmen wird. Weitere Bestandteile von Ecohive werden eine Entsorgungsanlage für Sondermüll und pharmazeutischen Abfall sowie eine Recyclinganlage für Papier, Plastik und Metalle sein.  

Auch die maltesische Wasserinfrastruktur ist laut Experten unterdimensioniert und gerät in den Stoßzeiten in den Touristenhochburgen schnell an ihre Grenzen. Regelmäßig fließt nicht ausreichend geklärtes Abwasser in unmittelbarer Strandnähe ins Meer. Laut EU-Kommission sind rund 11 Prozent der Küstengewässer verunreinigt. Die Klärung in den vier Anlagen des Landes ist mangelhaft. Vor dem Europäischen Gerichtshof läuft ein Verfahren gegen Malta, da es die EU-Abwasserbehandlungsrichtlinie bezüglich der Wasserklärung in Ballungsräumen weder im Norden noch im Süden des Landes befolgt. Für die kommenden Jahre rechnen Marktbeobachter hier mit umfassenden Investitionen, auch wenn die Mittel noch nicht konkret bereitgestellt sind. 

Energiesicherheit wichtiger als Mobilität

In der Vergangenheit war immer wieder die Rede von Plänen für einen Tunnel zwischen Malta und Gozo. Kürzlich wurde zudem über den Bau eines U-Bahn-Systems gesprochen, um die Mobilität für Touristen und Einwohner zu verbessern. Zu diesen Themen äußert sich die Regierung momentan nur noch sehr zurückhaltend. Das laufende Straßenbauprogramm, mehr öffentlicher Nahverkehr und mehr Küstenschifffahrt müssen vorerst reichen. Zudem läuft der Ausbau des Flughafens im Rahmen der 40 Millionen Euro-Investition Skyparks 2.  

Priorität hat die Energiewirtschaft, insbesondere die Energiesicherheit. Hierzu stehen zwei Großprojekte auf dem Programm: ein zweites Interkonnektor-Stromkabel und eine Gaspipeline, jeweils nach Sizilien.

Beim bestehenden ersten Interkonnektor war es Ende 2019 zu einem landesweiten Blackout gekommen, nachdem ein Schiffsanker die Leitung beschädigt hatte. Die zweite Leitung soll in einem gewissen Abstand parallel verlaufen und Bahar ic-Caghaq mit dem Umspannwerk im südsizilianischen Ragusa verbinden. Zurzeit laufen Umwelteinflussuntersuchungen. Eine Sichtung des Meeresbodens im August 2022 war offenbar erfolgreich. Bereits ausgeschrieben wurde das Front-End-Engineering-Design (FEED), bevor dann die EPC (Engineering-Procurement-Construction)-Ausschreibung erfolgen soll. Ein höherer Stromimport statt einer Erzeugung in Maltas Gaskraftwerk, wo bislang per Schiff importiertes Flüssiggas verfeuert wird, käme auch den Klimazielen des Landes entgegen. 

Pipeline nach Sizilien

Die Gaspipeline war lange umstritten, da sie in Brüssel nicht als grünes Projekt durchging und folglich auch keine Förderung erwarten konnte. Mit der internationalen Energiekrise hat sich die Lage gewandelt und die Europäische Kommission setzte die Pipeline auf die Prioritätenliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (Projects of Common Interest, PCI), eine wichtige Voraussetzung sowohl für schnellere Genehmigungen wie finanzielle Förderung im Rahmen der EU-Programme. Die Pipeline soll das Gaskraftwerk im südmaltesischen Delimara mit dem Petrochemiekomplex im sizilianischen Gela verbinden. Durch die Leitung soll auch Wasserstoff fließen können.  

Auch erneuerbare Quellen will die maltesische Regierung erschließen. Energieministerin Miriam Dalli plant, Malta mithilfe von EU-Geldern als Versuchsfeld für große schwimmende Wind- und Solarkraftanlagen zu etablieren. Bis 2030 sollen auf jeden Fall 50 MW an Offshore Windkraft- und 65 MW an Offshore-Solarenergie-Leistung installiert werden. 

Überkapazitäten bei Hotels

Keine Engpässe bestehen bei den Hotelkapazitäten - im Gegenteil. Aufgrund des Tourismusbooms der Jahre vor der Pandemie wurde stark in den Ausbau der Übernachtungskapazitäten investiert. Offenbar zu stark, wie nun eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte Malta im Auftrag des maltesischen Gastgewerbeverbandes ergab.

Um die Kapazität vollständig auszulasten, wären laut der Studie rund 4,7 Millionen Touristen pro Jahr notwendig. Dieser Wert kann jedoch nach Meinung von Experten nicht erreicht werden, da die übrige Infrastruktur nicht auf eine so hohe Zahl von Besuchern ausgelegt ist.

Der Tourismusboom hat nicht nur den Wohnungs- und Hotelbau angeheizt, auch die Immobilienpreise sind in die Höhe geschossen. Bald könnte sich diese offensichtliche Überreaktion rächen, wenn die erhofften Rückflüsse hinter den Erwartungen der Investoren und einheimischen Banken zurückbleiben, die sich dort stark engagiert haben. 

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkung

Carrying Capacity Study for Tourism in the Maltese islands

Branchenstudie Tourismusinfrastruktur von Deloitte Malta

Wasteserv

Ausschreibungen des staatlicher Abfallentsorgers

Enemalta

Ausschreibungen des Energieversorgers

InterConnect Malta

Staatlicher Interkonnektorbetreiber 

Fresh Water Information System for Europa (WISE)

Informationen zur Wasser- und Klärqualität in Malta


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