Bedarf existiert in allen Sparten des Hochbaus. Neben den Vorbereitungen für die Fußball-WM sorgen die schnell wachsende Wirtschaft und Bevölkerung für einen expandierenden Markt.
Der Bau und die Modernisierung von Stadien und Sporthallen sowie von Unterkünften und Verpflegungseinrichtungen für Sportgroßveranstaltungen wie der Fußball-Weltmeisterschaft (WM) 2030 haben in Marokko ein regelrechtes Baufieber ausgelöst. Für die Ausschreibung von Projekten zum Stadienbau ist die Société nationale de gestion des établissements de sport (SONARGES) zuständig, für die Bauaufsicht die Nationale Agentur für öffentliche Projekte (Agence Nationale des Equipments Publics, ANEP). SONARGES und ANEP beziffern die Investitionen zur Renovierung der Fußballstadien in Marrakesch, Tanger, Agadir, Fès, Casablanca und Rabat sowie für den Bau des Grand Stadiums in Casablanca auf rund 1,4 Milliarden Euro.
Im Jahr 2024 schrieb SONARGES zum Beispiel die Lieferung und Montage von Tribünensitzen für das Grand Stadion in Marrakesch aus. Den Zuschlag erhielt Vision Sport für 1,9 Millionen Euro. Eine weitere Ausschreibung über 0,9 Millionen Euro wurde für die Renovierung der Umkleidekabinen des Stadions von Marrakesch veröffentlicht.
Neben dem für den Sportstättenbau zuständigen Ministerium für Erziehung und Sport, in dessen Zuständigkeitsbereich SONARGES fällt, investieren auch private Bauherren in Gebäude und Anlagen, die für die Fußball-WM zur Verfügung stehen sollen. Dazu gehören Hotels, Restaurants, Ferienanlagen, Sportkliniken, Lebensmittel- und Getränkefabriken, Supermärkte und Vergnügungsparks.
Boom bei Gewerbeimmobilien
Der anhaltende Wachstumstrend zeigt sich nicht nur im Sportstättenbau, sondern auch im verarbeitenden Gewerbe und im Einzelhandel. Im Rahmen der "Stratégie Commerce", einer ehrgeizigen Initiative des Ministeriums für Industrie, Handel, Investitionen und digitale Wirtschaft, erlebt der Einzelhandel derzeit eine Transformation, weg von traditionellen, hin zu neuen Verkaufsformen. Im Zuge dessen werden Bauprojekte realisiert, die Wohn- und Gewerbebauten im Sinne eines integrierten Wohnens und Arbeitens vereinen. Vorreiter wie die Einkaufszentren Casablanca Marina, Marrakesch Golf City und das Arribat Center in Rabat setzen hier Standards.
Die Ansiedlung von Unternehmen aus dem Ausland, insbesondere im Großraum Casablanca sowie in den landesweit verteilten Freihandels- und Industriezonen, führt zu einem verstärkten Bedarf an Fabrik- und Verwaltungsimmobilien. Besonders hervorzuheben sind die ausgedehnten Industrieareale nahe Tanger und Nador, die für die Ansiedlung von Unternehmen unter anderem aus der Volksrepublik China vorbereitet werden. Diese Investitionen könnten Marokko bis zu einer Milliarde Euro an Direktinvestitionen aus dem Ausland einbringen.
Der Ausbau von Sonderwirtschafts- und Industriezonen birgt Potenziale speziell für Unternehmen, die Industrie- und Logistikimmobilien bauen oder ausstatten. Deutsche Unternehmen mit Know-how im Bereich Building Information Modeling (BIM) und Softwarelösungen zur Bauüberwachung können ebenfalls punkten.
Bau und Ausbau von Bahnhöfen und Flughäfen
Der Bau von Bahnhöfen bietet deutschen Planern und Hochbaufirmen Geschäftschancen, zumal marokkanische Entscheidungsträger das Gebäude des Berliner Hauptbahnhofs als "gold standard" bezeichnen, wenn sie über Referenzen im Ausland sprechen. Zum Beispiel kündigte die staatliche Bahngesellschaft ONCF den Bau von 20 Bahnhöfen im zeitlichen Vorfeld zur Fußball-WM 2030 an. Zehn neue Stationen und Haltestellen werden in der Region Casablanca-Settat, acht in der Region Rabat-Salé-Kénitra und zwei im Raum Marrakesch-Safi gebaut.
Der Ausbau von Flughäfen gehört ebenfalls zur Vorbereitung der Fußball-WM. Die spanische Ineco wurde im März 2024 ausgewählt, um einen Entwicklungsplan für den Flughafen Mohammed V in Casablanca zu entwerfen. Ausgebaut werden auch die Flughäfen Rabat-Salé, Tanger-Ibn Battûta, Tetouan, Marrakech Menara, Agadir Al Massira und Dakhla.
Zahlreiche Klinikprojekte
Der Bau von Gesundheitseinrichtungen wird forciert. So ist die Errichtung mehrerer Universitätskliniken vorgesehen, darunter das Klinikum am Standort Béni Mellal mit einer Gesamtfläche von 25 Hektar. Das Klinikum d'Errachidia wird über eine Kapazität von 500 Betten verfügen und auf einem etwa 39 Hektar großen Grundstück gebaut. Geplant sind ein OP-Bereich, ein Diagnosebereich, Einrichtungen für die Sterilisation und Reanimation sowie eine Notaufnahme, ein Labor und eine Radiologie- und Hämodialysestruktur. Die Bauarbeiten am Klinikum in Laâyoune sollen bis Dezember 2025 abgeschlossen werden. Die Gesamtfläche des Projekts beträgt 180.000 Quadratmeter, davon 95.000 Quadratmeter überdacht. Die marokkanische Tochtergesellschaft des französischen Baukonzerns Bouygues Construction, BYMARO, ist für den Bau des Hôpital Universitaire International Mohammed VI in der Hauptstadt Rabat verantwortlich. Das Krankenhaus wird aus vier sechsgeschossigen Gebäuden und einem Turm mit 25 Etagen bestehen.
Im Jahr 2025 werden mehrere Büroimmobilien fertiggestellt werden, darunter der Campus der Société Générale Maroc in der Casablanca Finance City. Der Campus wird Platz für 2.000 Mitarbeiter bieten und soll - so das Ziel - ein modernes und umweltfreundliches Arbeitsumfeld schaffen, welches den höchsten Standards für nachhaltige Architektur entspricht.
Ein bedeutendes Ereignis stellt die Fertigstellung des Mohammed VI-Turms in Rabat dar. Der 250 Meter hohe und 55 Stockwerke umfassende Wolkenkratzer befindet sich aktuell in der Fertigstellung und wird Büros, Luxuswohnungen, ein Hotel der Waldorf Astoria-Kette und eine Aussichtsplattform beherbergen.
Ausgewählte Projekte des Hochbausin Millionen EuroProjektbezeichnung | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkung |
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Reparatur und Wiedererrichtung von Gebäuden im Atlasgebirge und in Marrakesch nach dem Erdbeben vom September 2023 | 1.000 (Kredit der European Investment Bank vom Oktober 2023) | Durchführungsphase (unter Aufsicht der Kommunalverwaltungen) | 4.232 Wohnungen werden komplett neu gebaut, 22.560 repariert, 155 Herbergen und Hotels, 1.709 Schulen und 42 Gesundheitszentren werden repariert |
Bau der Staumauer Tassa Ouirigane (Provinz Al Haouz) | 39 | Durchführungsphase mit einer Verspätung von 30 Monaten im November 2023 gestartet | Generalauftragnehmer ist die Baufirma Mojazine |
Bau einer Aufarbeitungsanlage für Kobaltsulfat zur Herstellung von Akkukathoden | k.A. | Vertragsunterzeichnung im November 2023 | Auftraggeber ist die China Electronics Corporation, Auftragnehmer ist Reminex (Tochterfirma des Bergbaukonzerns Menagem) |
Bau eines Theatergebäudes für 500 Zuschauer in Sidi Moumen (Casablanca) | 3 | Vorstudien, Architekturausschreibung | Bürgermeisteramt von Casablanca ist Auftraggeber |
Bau des Gebäudes für das Timitar Museum (Agadir) | 1,4 | Architekturwettbewerb haben Zakariae El Moudden et Rajae Agoumi gewonnen, Realisierung wird vorbereitet | Auftraggeber ist die Société Agadir Souss-Massa Aménagement |
Bau des Bahnhofs Hay Riad (Rabat) und Fertigstellung des Bahnhofs Rabat-Ville | k.A. | Baustart Hay Riad, Neuprojektierung von Rabat-Ville | Bahngesellschaft ONCF ist Auftraggeber, Rabat-Ville erhält eine modifizierte Außenfassade |
Bau von 33 Kleinanlagen zur Meerwasserentsalzung (Casablanca-Settat) | 43 | Ausschreibung | Auftraggeber sind die Gemeinde Casablanca-Settat sowie das Innenministerium |
Bau von 3 Anlagen zur Meerwasserentsalzung | 185 | Realisierung | Auftraggeber ist der Phosphatkonzern OCP |
Bau eines zweiten Flughafens in Sidi Zouine (Marrakesch) | k.A. | Planung, Fertigstellung zur Fußball-WM 2030 | Stadtverwaltung ist Auftraggeber |
Bau einer Fachschule für die Pharmaindustrie in Nouaceur (Casablanca) | 9 | Realisierung | Bildungsressort der Gemeinde Casablanca ist Auftraggeber |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024
Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".
Von Ullrich Umann
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Casablanca