Branchen | Marokko | Wassergewinnung
Marokko investiert 1,4 Milliarden Euro in die Meerwasserentsalzung
Deutsche Hersteller von Technologie zur Meerwasserentsalzung sowie spezialisierte Dienstleister treffen in Marokko auf Geschäftschancen.
12.11.2025
Von Ullrich Umann | Casablanca
Marokko leidet seit Jahren unter Niederschlagsmangel. Um Bevölkerung, Industrie und Landwirtschaft mit ausreichend Süßwasser zu versorgen, setzt die Regierung auf Meerwasserentsalzung. Grundlage ist der Nationale Wasserplan 2020-2050, der eine massive Ausweitung der Kapazitäten vorsieht: von derzeit 175 Millionen Kubikmetern pro Jahr bis 2050 auf 1,3 Milliarden Kubikmeter jährlich.
Ist (2023) | Soll (2050) | |
|---|---|---|
| Entsalzung | 175 Mio. cbm/Jahr | 1.300 Mio. cbm/Jahr |
| Anteil: Trinkwasser | 85 Mio. cbm/Jahr | 650 Mio. cbm/Jahr |
| Anteil: Industrie | 90 Mio. cbm/Jahr | 325 Mio. cbm/Jahr |
| Anteil: Bewässerung | gering | 325 Mio. cbm/Jahr |
| Anlagenzahl | 11 | 20 |
Casablanca setzt Maßstäbe für Entsalzungsprojekte
Das Vorzeigeprojekt für den Bau von Anlagen zur Meerwasserentsalzung befindet sich in der Wirtschaftsmetropole Casablanca. Mit einem Investitionsvolumen von rund 800 Millionen Euro zählt die sich im Bau befindliche Anlage zu den größten ihrer Art auf dem afrikanischen Kontinent. Nach Fertigstellung 2028 soll sie jährlich 300 Millionen Kubikmeter Trinkwasser liefern.
Weitere Entsalzungsanlagen sind in den Städten Dakhla, Laâyoune, Safi, Guelmim und Tarfaya geplant oder in der Umsetzung. Die Investitionssummen variieren je nach Standort und liegen zwischen 70 Millionen und 200 Millionen Euro. Zusätzlich zu diesen öffentlichen Projekten befinden sich private Vorhaben in der Pipeline, die zum Ausbau speziell der Wasserstoffelektrolyse im Rahmen der Großausschreibung "Offre Maroc" benötigt werden.
Die Regierung hatte nach einer ersten Ausschreibungsrunde im Rahmen von "Offre Maroc" sechs Konsortien auf die Shortlist gesetzt. Doch scheinen die Projektbetreiber wegen fehlender Exportmöglichkeiten für Wasserstoffderivate aktuell abzuwarten. Infolge ruhen die Überlegungen einiger Konsortien, sich auf ein gemeinsames Projekt zur Meerwasserentsalzung zu verständigen. Davon hinge aber ab, wie viele private Projekte zur Meerwasserentsalzung und zu welchen Kapazitäten tatsächlich gebaut werden.
| Standort | Projektträger | Projektstand | Investitionssumme |
|---|---|---|---|
| Casablanca | ONEE, Afriquia Gaz, Acciona | Im Bau, Fertigstellung 2026-2028 | 800 |
| Dakhla | ONEE, Engie, Nareva | Im Bau, Fertigstellung 2026 | 200 |
| Safi Wave II | ONEE, Afriquia Gaz | Im Bau, Fertigstellung 2027 | 150 |
| Laâyoune (Erweiterung) | ONEE, lokale Partner | Planung; Ausbau bis 2035 | 100 |
| Guelmim | ONEE (Ausschreibung in Vorbereitung) | Planung | 120 |
| Tarfaya | ONEE (Ausschreibung in Vorbereitung) | Planung | 70 |
In Marokkos neuen Entsalzungsanlagen kommt die Umkehrosmose zum Einsatz. Dabei setzt das Maghreb-Land auf Strom aus erneuerbaren Quellen. Das senkt die Betriebskosten und reduziert den CO2-Ausstoß. Unterschiedlich fällt dagegen die Projektfinanzierung aus – meist handelt es sich dabei um durch eine Mischung aus öffentlichen Mitteln, öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) und internationalen Beteiligungen. Multilaterale Entwicklungsbanken, Exportkreditagenturen und private Investoren spielen hier eine zentrale Rolle.
Deutsche Wirtschaft mit Beteiligungschancen
Deutsche Unternehmen können sich beim Bau von Entsalzungsanlagen in vielfältiger Weise einbringen. Besonders gut stehen die Chancen für eine Projektbeteiligung als Subauftragnehmer und Technologielieferant – etwa in den Bereichen Systemintegration, erneuerbare Energie, Digitalisierung, Finanzierung und bei der technischen Wartung nach Inbetriebnahme.
Gute Lieferchancen gibt es bei deutschen Herstellern von Hochdruckpumpen, Membranen, Filtrations- und Energiemanagementsystemen sowie Unternehmen des Maschinenbaus und der Elektrotechnik. Auch Komplettlösungen aus Deutschland sind gefragt. Dazu zählen Automatisierungslösungen sowie Supervisory Control and Data Acquisition (SCADA), Predictive Maintenance und Asset-Management. Da Marokko auf eine "grüne Entsalzung" setzt, gibt es auch im Bereich der Batteriespeicher und hybrider Energiemanagementsystemen Marktchancen.
Auch deutsche Dienstleister können sich positionieren. Zu den gefragten Serviceleistungen zählen Finanzierungs- und Versicherungsprodukte, technische Beratung sowie Engineering. Für die technische Due Diligence, Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen sowie für die Erarbeitung von PPP-Modellen ist ebenfalls spezialisiertes Fachwissen erforderlich. Im Rahmen des After-Sales-Services werden Dienstleistungen aus den Bereichen O&M, Retrofit, Ersatzteilversorgung und langfristige Performanceoptimierung nachgefragt.
Wettbewerb um Projekte ist intensiv
Deutsche Anbieter können gegenüber ihren internationalen Wettbewerbern erfahrungsgemäß mit einer höheren Energieeffizienz, darüber hinaus mit hochwertigen Leistungen beim Engineering sowie innovativen Automatisierungs- und Digitalisierungslösungen punkten. Auch Argumente wie geringere Lebenszykluskosten verschaffen deutschen Anbietern einen Wettbewerbsvorteil.
Doch ist der Markt umkämpft: Frankreich und Spanien sind mit ähnlichen technologischen Angeboten und Konditionen bereits fest in Marokko etabliert und verfügen über lokale Referenzprojekte. Weitere Mitbewerber kommen aus Israel und den Golfstaaten. China holt mit preislich attraktiven Angeboten und schnell agierenden Unternehmen auf, die oft auch günstige Finanzierungspakete mitbringen.
Markteintritt braucht lokale Partnerschaften
Für den Markteintritt und für die Auftragsakquise sind strategische Partnerschaften vor Ort unerlässlich. Besonders vielversprechend sind Beteiligungen an Konsortien mit marokkanischen oder internationalen Partnern. Wer erfolgreich sein will, sollte bereit sein, Pilot- und Demonstrationsprojekte auf der Basis erneuerbarer oder hybrider Energie zu präsentieren. Ein bewährter Ansprechpartner für die Markterschließung ist die Deutsch-Marokkanische Industrie- und Handelskammer (AHK) in Casablanca.