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Wasserwirtschaft: Mit moderner Technik gegen den Klimawandel
Lateinamerika verfügt über die weltweit größten natürlichen Wasserressourcen, ist jedoch starken Wasserrisiken ausgesetzt. Innovative Lösungen dafür kommen aus Deutschland. (Stand: 14.11.2025)
Von Janosch Siepen | Bogotá
Lateinamerika beherbergt lediglich 8 Prozent der Weltbevölkerung, verfügt aber über ein Drittel der weltweiten Süßwasserressourcen. Trotzdem machen Trockenheit, veraltete Infrastruktur und Wasserverschwendung der Region zu schaffen. Da Investitionen in die Wasserinfrastruktur in der Vergangenheit zu niedrig waren und der Wasserbedarf bis 2050 um 43 Prozent steigen wird, modernisieren nun zahlreiche Länder ihre Wasserwirtschaft (die OECD liefert einen Überblick). Dadurch ergeben sich Chancen für deutsche Anbieter in der gesamten Breite des Sektors.
Extreme Dürren treffen die Region
Amazonas und Atacama – Wasserreichtum und Wasserknappheit liegen in Lateinamerika eng beieinander. Dabei stellen der Klimawandel, zunehmende Extremwetterereignisse und der steigende Wasserverbrauch viele Länder der Region vor große Herausforderungen. Hierzu zählt Chile: Das Land befindet sich seit vielen Jahren in einer Wasserkrise. Große Teile Chiles sind von Dürre, Wüstenbildung oder Bodenverschlechterung betroffen. Doch immer noch geht viel Wasser durch Lecks in Wasserleitungen verloren. Das soll sich ändern: Der Energieversorger Aguas Andinas zum Beispiel hat Pläne angekündigt, bis 2030 rund 260 Millionen US-Dollar (US$) zu investieren, um die Widerstandsfähigkeit des Wassersystems von Santiago gegenüber extremen Wetterbedingungen zu verbessern.
Aguas Andinas aus Chile will bis 2030 insgesamt 260 Millionen US$ investieren.
Mexiko wappnet sich gegen die Trockenheit
Auch viele Regionen Mexikos sind stark von Trockenheit und zunehmendem Wassermangel betroffen. Daher sieht der Nationale Wasserplan 2030 der Regierung Sheinbaum umfassende Investitionen in die Wasserinfrastruktur und -effizienz vor. Insgesamt sollen rund 1,1 Milliarden US$ an Privatinvestitionen mobilisiert werden. Allerdings ist der öffentliche Sektor für deutsche Technologieanbieter wie Flottweg in Mexiko bislang eher zweitrangig. Projekte verzögern sich häufig und oftmals mangelt es an Finanzierung. Seine Dekanterzentrifugen und Separatoren verkauft das Unternehmen daher größtenteils an private Industriekunden.
Ihre Exportchancen in mehr als 20 Ländern
Wir haben besonders aussichtsreiche Wassermärkte in Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa unter die Lupe genommen. Alle Länderanalysen finden Sie auf unserer Seite zum Wassersektor.
Klimawandel treibt Innovationen in der Landwirtschaft an
In Brasilien, einem der wasserreichsten Länder der Welt, leidet vor allem die Landwirtschaft unter der zunehmenden Trockenheit. Dadurch ist der Sojaanbau im letzten Jahrzehnt um 10 Prozent hinter seinem Potenzial zurückgeblieben, berechnet das Agrarforschungsinstitut Embrapa. Das macht moderne Bewässerungssysteme und Effizienzsteigerungen durch KI und Sensorik erforderlich. Auch die genetische Veränderung hin zu resilienteren Pflanzen wird im Land erforscht. Die durch die Trockenheit erhöhte Brandgefahr erfordert daneben Überwachungstechnologie und intelligente Löschsysteme.
Die großen Landwirte in Brasilien und Chile setzen bereits auf Präzisionsbewässerung, die Nutzung von Luft- und Satellitenbildern und Monitoringsysteme. Auch die Regierungen sind aktiv. So entstehen im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais neue Staudämme zur Bewässerung. Peru investiert in ein Bewässerungssystem im Chancay-Tal und 3,4 Milliarden US$ in die Wasserinfrastruktur in Ancash.
Sanepar will in den nächsten Jahren 2,2 Milliarden US$ im brasilianischen Paraná investieren.
Brasilien modernisiert seine Abwasserwirtschaft
Daneben stellt die Abwasserbehandlung ein interessantes Geschäftsfeld dar. In Brasilien sollen 2025 und 2026 insgesamt 26 Konzessionen vergeben werden. Dadurch werden zusätzliche private Investitionen von knapp 18 Milliarden US$ ermöglicht. Derzeit wird nur 1 Prozent des aufbereiteten Abwassers der Metropole São Paulo wiederverwertet. Bis 2035 soll der Anteil auf 10 Prozent steigen. Neben dem 2024 privatisierten Wasserversorger Sabesp plant auch das staatliche Abwasserunternehmen Sanepar Investitionen. Sanepar möchte in den nächsten Jahren 2,2 Milliarden US$ in Paraná investieren.
Meerwasserentsalzung für Mensch und Industrie
Daneben gewinnt die Meerwasserentsalzung in Lateinamerika an Bedeutung, allen voran in Chile und Peru. Treiber sind vor allem Bergbauprojekte und langfristige Vorhaben zur Gewinnung von grünem Wasserstoff. Zugleich stehen Entsalzungsanlagen für die Bevölkerung im Fokus: Die Vergabe für den Bau eines neuen Trinkwassersystems in Lima (486 Millionen US$) Anfang 2026 sowie eine neue Meerwasserentsalzungsanlage bieten künftig Absatzchancen für deutsche Firmen. Auch Brasilien plant den Bau einer großen Meerwasserentsalzungsanlage im Bundesstaat Ceará.
Kolumbien, ein Land mit sehr ungleich verteiltem Wasserzugang, setzt in entlegenen Regionen auf kleinere Wasseraufbereitungsmodule. Boreal Light aus Berlin etwa betreibt solarbetriebene Entsalzungsanlagen im nordöstlichen La Guajira. Das Unternehmen möchte auch in Peru und Ecuador aktiv werden, da diese Märkte ein großes Potenzial bieten, so Isabel Castro, Projektleiterin für Lateinamerika bei Boreal Light. Sie empfiehlt deutschen Firmen, den sozialen Mehrwert ihrer Produkte hervorzuheben, um Vertrauen bei der lokalen Bevölkerung zu schaffen.
Deutsche Firmen profitieren bei Abwasseraufbereitung
Deutsche Firmen sind in der lateinamerikanischen Wasserwirtschaft stark vertreten. In Kolumbien setzen Betreiber unter anderem auf große Abwasserpumpen der pfälzischen Firma KSB und auf vollautomatisierte Zentrifugen von Flottweg. Auflagen für die Aufbereitung von Industriewasser, neue Qualitäts- und Effizienzstandards, hohe Energiekosten und ein Trend zu langlebigen Produkten sprechen für "made in Germany". Die Firma Chriwa aus Hambühren liefert Wasseraufbereitungstechnologie für die Getränkeindustrie in Peru und Kolumbien.
Laut Tobias Gehrke, Director Business Development Americas beim Stuttgarter Planungs- und Beratungsunternehmen Fichtner, ist die Wasserwirtschaft in Lateinamerika bereits recht ausgereift, was die Region für deutsche Firmen interessant macht. "Ich empfehle, eine lokale Präsenz in der Region zu haben, um wettbewerbsfähiger zu sein und einfacher in den jeweiligen Markt zu kommen."