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Branche kompakt | Nigeria | Medizintechnik

Vertrieb von Medizintechnik in Nigeria fordert und belohnt

Nigerias Markt für Medizintechnik wächst. Er nimmt auch teure Technik auf, die Lieferanten sitzen aber meist weit weg. Ihre Vertretungen müssen teils recht findig sein.

Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Markttrends

    Nigerias unterversorgtes Gesundheitswesen braucht noch viel Medizintechnik. Der Absatz läuft oft über "Komplettanbieter" für den Sektor. Direkt engagieren sich Hersteller kaum.

    Nigerias Markt für Medizintechnik soll kräftig wachsen. Zwischen 2022 und 2027 liegt das jährliche Plus, nach Einschätzung des Marktanalysten Fitch Solutions, auf US-Dollarbasis etwa bei 9 Prozent. Die große und zunehmende Bevölkerung von geschätzt über 220 Millionen und die massive medizinische Unterversorgung sind die wichtigsten Wachstumsfaktoren. Die Regierung gibt zudem mehr für das Gesundheitswesen aus, laut aktuellen Aussagen des Präsidentenberaters ab 2024 mindestens 10 Prozent des Budgets. Die Behörden fördern daneben verstärkt privates Engagement im Sektor. 

    9 %

    soll Nigerias Markt für Medizintechnik im Jahresschnitt bis 2027 wachsen.

     

    "Dynamischer" Markt mit hoher Wachstumsprognose

    Allerdings dürfte die Freigabe des Wechselkurses der Landeswährung Mitte 2023 das Marktwachstum abbremsen. Die starke Abwertung des Naira verteuert die praktisch ausschließlich importierten Branchenprodukte massiv und macht sie noch unerschwinglicher als bisher. Im August 2023 befragte Medizintechnik-Vertriebspartner in der Wirtschaftsmetropole Lagos bezeichneten den Markt gleichwohl als "dynamisch" und "sehr interessant".

    Nigerias Markt für Medizintechnik (Umsätze in Millionen US$) ¹⁾
    Produktbereich

    2022

    2023

    2024

    2025

    2026

    2027

    Gesamt ²⁾

    200

    218

    238

    258

    283

    311

    Bildgebende Diagnostik

    44

    48

    52

    56

    61

    67

    Orthopädie/Prothesen

    14

    15

    16

    18

    20

    22

    Patientenhilfen

    17

    19

    20

    22

    25

    28

    Dentalprodukte

    6

    7

    7

    8

    9

    10

    Medizinische Verbrauchsgüter

    69

    75

    82

    89

    98

    108

    1 Schätzungen und Prognosen; 2 Abweichungen rundungsbedingt.Quelle: Fitch Solutions, 2023

    Die staatliche Nigeria Sovereign Investment Authority plant, nach einer Meldung vom September 2023, in einer nächsten Phase über 200 Millionen US-Dollar (US$) in die Gesundheitswirtschaft zu investieren. Das in der Hauptstadt Abuja gerade entstehende African Medical Centre soll unter anderem den Medizintourismus ins Ausland eindämmen. Der nach eigenen Angaben größte Labordienstleister Synlab, eine Tochter der gleichnamigen Gruppe aus München, wächst mit seinen derzeit 350 Mitarbeitern stetig. Nach dem Willen der Behörden sollen in jedem der 36 Bundesstaaten Labore entstehen. 

    Aktuell sehen Technikanbieter einen Trend zu Investitionen in die Behandlung von Krebs. Nach entsprechenden Ankündigungen der Behörden von 2021, erwarten sie den Bau von einem knappen Dutzend Behandlungszentren dafür. Bei jedem davon sollen alleine die Geräte rund 10 Millionen US$ kosten. 

    Zwischen 2020 und 2022 halbierte sich Nigerias Markt für Medizintechnik allerdings. Dies gilt zumindest auf Dollarbasis ausweislich der Importstatistik und unter Berücksichtigung der hier verwendeten Produktgruppen. Für das Minus verantwortlich waren, in abnehmender Bedeutung, Rückgänge bei Therapie- und Atmungsgeräten, Orthopädietechnik und Prothesen sowie Sterilisierapparaten.

    Ausländische Technikanbieter machen Bogen um Nigeria

    Ausländische Medizintechnikproduzenten setzen für den Vertrieb in Nigeria offenkundig nur recht begrenzte Mittel ein. "Ich kenne keine Niederlassung eines Herstellers in Nigeria", sagt ein Technikanbieter in Lagos. Seine Ansprechpartner bei den Herstellern säßen ausschließlich in deren Herkunftsländern, ansonsten habe er es mit dazwischengeschalteten Partnern zu tun. Andere befragte größere Technikvertreter ziehen es ebenfalls vor, direkt mit den Herstellern in deren Ursprungsländern zu kommunizieren, üblicherweise per Videocall.

    Brain Drain, Medizintourismus und Otto Bock
    Die Abwanderung von Fachkräften gilt als eines der größten Probleme in Nigerias Gesundheitswesen. Gleichzeitig reisen Nigerianer, die es sich leisten können, wegen der schlechten medizinischen Versorgung zu Hause für Behandlungen ins Ausland. Die Ausgaben für diesen Medizintourismus steigen und erreichten im 1. Quartal 2023 gut 1 Milliarde US$, so Daten der Zentralbank in der Presse. Eine Trendumkehr wird laut Branchenvertretern dauern. Das dafür nötige Vertrauen in die inländische Versorgung könne erst langsam entstehen. Bei künstlichen Gliedmaßen scheint dies im Ansatz zu funktionieren. "Wegen ihrer zweiten Prothese kommen Kunden häufig zu uns", sagt der nigerianische Vertreter des deutschen Orthopädietechnik-Herstellers Otto Bock, der seit 2014 im Markt ist. Die erste Prothese hätten sie sich noch im Ausland machen lassen. 

    Nigerianische Vertriebspartner von Medizintechnik raten Herstellern, nicht Geräte, sondern Lösungen zu vermarkten. Als Partner in Nigeria bieten sich dafür Firmen an, die sich als "Komplett"- oder "Turnkey"-Anbieter etwa bei Krankenhausprojekten verstehen und sich dabei aus dem Sortiment vieler unterschiedlicher Hersteller bedienen. Dies gilt unbenommen der Einschätzung aus der niederländischen "Nigeria Health Sector Market Study" von 2022, wonach es für die Strukturierung schlüsselfertiger Projekte "keine ausreichenden Kapazitäten vor Ort" gebe.

    "Bei einem neuen Krankenhaus machen wir alles, außer es zu bauen", heißt es in Lagos bei Sudabelt, einem dieser "Komplettanbieter". Die Tanit Group, ein anders Beispiel, kümmert sich nach eigenen Angaben um den Bau ganzer Krankenhäuser mit Investitionen von 2 Millionen bis 40 Millionen US$. Bei der Technikausstattung kooperiert die ursprünglich aus dem Libanon stammende Firma mit GE und vielen anderen Lieferanten. Man nehme flexibel die jeweils passenden Produkte bei den Projekten. Eines davon war das NSIA Luth Cancer Centre, wo man auch bei der Finanzierung des Krankenhauses beraten habe.

    Ausgewählte Investitionsprojekte im Gesundheitssektor in Nigeria
    Projekt

    Investitionssumme (in Mio. US$)

    ProjektstandAnmerkungen
    African Medical Centre of Excellence (AMCE), Abuja (Lokogoma)*)

    300

    Juni 2023: im Bau, Inbetriebnahme Mitte 2025 geplantFinanzierung: Afreximbank; weitere Phasen geplant, dann insgesamt: 750 Mio. US$, 500 Betten

    Medipark Lagos/Lagos State Medipark

     

    247

    Juni 2023 lt. Presse: Konzessionsvertrag mit IASOPPP; Eigner: Gesundheitsministerium (MoH); 180 Betten; Architekt: AO+Associates; Informationen widersprüchlich
    Massey Street Children's Hospital, Lagos

    100

    im Bau, soll Ende 2023 fertig seinErweiterung auf 150 Betten; Hauptauftragnehmer (EPC): Cappa and D’Alberto
    Umukuchu Medical Center, Anambra State 

    72

    Projektstand unklarEigner: Las Vegas Professional Medical Company; EPC (August 2022): China Railway Beijing Engineering Group
    14 Gesundheitszentren von NNPC Medical Services

    58

    geplant/gebaut/im BauTochter der Nigerian National Petroleum Corporation 
    NOWA - Women and Children Green Smart Hospital, Abuja

    36

    im Bau seit Mitte 2022Eigner: Naval Officers Wives Association (NOWA); Phoenix Construction; 200 Betten
    * AMCE (Bezirk Lokogoma) wird offenbar teils verwechselt/gleichgestellt mit der Abuja Medical City (AMC, in Giri-Gwagwadalada, die bereits fertiggestellt ist).Quelle: Meed Projects; Presse; Branchenangaben, 2023

     

    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Digital Health

    Nigerias Markt für Digital Health ist klein, wächst aber kräftig. Die lebhafte Start-up-Szene sammelt einiges Kapital für die Branche ein, andere Rahmenbedingungen passen weniger.

    Nigeria ist zweitgrößter Markt in Afrika für Digital Health

    In Afrika gilt Nigeria nach Südafrika als größter Markt für Digital Health-Lösungen. Statista kommt für die größte Volkswirtschaft des Kontinents für 2023 auf Umsätze von 666 Millionen US$ in der Branche, die als größten Posten allerdings auch "Digitales Fitness & Well-Being" umfasst (Südafrika: 729 Millionen US$). Die enger gefassten Umsätze für "digitale Behandlungen und Pflege" beziffert Statista für Nigeria 2023 mit 160 Millionen US$ und die für Online-Konsultationen durch Ärzte mit 25 Millionen US$. Bis 2027 werden diese Umsätze laut Prognose im Jahresschnitt um 12 Prozent steigen. 2027 nutzen demnach 43 Prozent der Nigerianer digitale Behandlungen oder Pflege, allerdings nur 2,7 Prozent eine Online-Konsultation.

    Nigerias Markt für Digital Health-Lösungen beziffert die niederländische "Nigeria Health Sector"-Studie auf Basis von Statista-Daten für 2022 mit rund 100 Millionen US$. In den fünf Jahren bis 2027 werde dieser Markt um jährlich 16 Prozent zulegen. Für Online-Apotheken weisen die Daten 176 Millionen US$ beziehungsweise 18 Prozent Jahreswachstum aus, bei Digital Health-Apps 13 Millionen US$ und 28 Prozent.

    Ein gemischtes Bild zeigt sich für Nigeria in einem "Digital Health Index", den die niederländische Studie wiedergibt. Relativ gut schneidet das Land bei der Gesetzgebung ab und anderen, durch die nationale Politik vorgegebenen Rahmenbedingungen. Große Defizite gibt es demnach aber bei Normen und der öffentlichen Infrastruktur. So seien Geburts- und Sterberegister nicht vorhanden oder nicht nutzbar. Besonders schlechte Noten weist der Index bei der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte aus.

    Nigerias Regierung setzte zwar eine "Nigerian National Health ICT Strategic Framework 2015-2020", Ergebnisse daraus sind aber wenig offensichtlich beziehungsweise werden nicht prominent diskutiert. Eine indische Studie von 2020 konstatiert eine weiterhin niedrige Nutzung von Telemedizin. Ein Grund sei, dass es zwischen den Beteiligten wenig Koordination gebe.

    Start-ups bringen Impulse 

    Impulse für Digital Health kommen aus der lebhaften Start-up-Szene Nigerias. Das Land beheimatete Anfang 2023 vier der sieben afrikanischen Unicorns, Jungunternehmen, die mit mehr als 1 Milliarde US$ bewertet werden. In Nigeria handelt es sich dabei zwar durchweg um Fintech-Unternehmen. In den Gesundheitssektor flossen nach einer Aufstellung per Mitte 2021 aber immerhin die drittmeisten Mittel, übertroffen nur von den Bereichen Fintech und Wagniskapital.

    Knapp ein Drittel von 136 Digital Health-Startups ordnet die niederländische Studie dem Bereich "Telehealth" zu. Mit Abstand folgen "Health on Demand" und "Health Management". Drei offenbar erfolgreiche Beispiele sind die Firmen Reliance Health (Telemedizin u.a.), Drugstoc (Pharma-Handelsplattform) und CarePay (Zahlungsabwicklung). Naturgemäß scheitern Start-ups aber auch. So wie 54gene. Der 2019 gegründete Genom-Informationsdienstleister hatte mit 45 Millionen US$ einen großen Teil des Start-up-Kapitals der gesamten Branche eingesammelt - befindet sich aber nach aktuellen Meldungen seit Juli 2023 in Abwicklung.

    Hilfreich ist für Digital Health die relativ starke Nutzung von Handys. Im Jahr 2022 kamen nach den Daten der International Telecommunication Union auf 100 Nigerianer 102 Mobilfunkverträge, für ganz Afrika liegt der Schnitt bei 86. Schlechter schneidet Nigeria bei mobilen Breitbandanschlüssen ab (41; Afrika: 42; arabische Staaten: 74).

    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Branchenstruktur

    Öffentliche wie private Abnehmer kaufen in Nigeria teure Medizintechnik. Die Kunst ist, diese Kunden zu finden. Technikanbieter investieren auch selbst und nennen Beispiele.

    Dass bei der Gesundheitsversorgung in Nigeria vieles im Argen liegt, zeigt schon die niedrige Lebenserwartung. Die von der Weltbank genannten 53 Jahre sind noch neun Jahre weniger als im verarmten Nachbarstaat Niger. Ausgaben für ihre Gesundheit müssen die Nigerianer üblicherweise aus eigener Tasche bezahlen. Die Weltbank schätzt diesen Anteil an den gesamten Gesundheitsausgaben für 2020 auf drei Viertel. Eine Krankenversicherung hatten nach einem Bericht von 2018 nur 5,9 Prozent der Bevölkerung. Nach dem "Strategischen Plan 2021-2030" der National Health Insurance Authority sollten es 2023 bereits 23 Prozent sein. Im August 2023 wussten Branchenvertreter allerdings von keinen nennenswerten Verbesserungen.

    Privater Sektor wird wichtiger

    In Nigeria gibt es laut Nigeria Health Sector Market zwar mehr öffentliche als private Gesundheitseinrichtungen, private Player leisten demnach aber etwa 60 Prozent aller Gesundheitsdienste. Die Nachfrage nach Medizintechnik verteilt sich bei aktuell befragten größeren Anbietern im Markt etwa hälftig auf öffentliche und private Abnehmer. Während der Pandemie habe der Staat relativ viel investiert. Der Privatsektor hole aber auf und werde in absehbarer Zeit die wichtigere Kundengruppe sein.

    Im öffentlichen Bereich investiert die Zentralregierung den Experten zufolge mit Abstand am meisten. Das föderale Gesundheitsministerium und andere zentrale Stellen hätten während der Coronazeit recht viel modernisiert. Die Bundesstaaten geben wegen zu knapper Mittel deutlich weniger aus und wenn, dann bevorzugt für die primäre (Grund-) Gesundheitsversorgung.

    In- und ausländische Investoren sehen in Nigerias Gesundheitswirtschaft offenkundig Renditechancen. So übernahm der Labordienstleister Synlab aus München 2017 die einheimische Branchenfirma Pathcare. Unter den privaten Krankenhäusern gibt es laut Beobachtern zudem eine Konsolidierung: Führende Firmen versuchten, durch die Übernahme einzelner Häuser in allen Regionen und wichtigen Städten Nigerias präsent zu sein.

    Mit Blick auf Art und Qualität der Beschaffungen gibt es im öffentlichen wie im privaten Bereich große Unterschiede. Das Gesundheitsministerium beschafft laut Vertretern relativ hochwertige Produkte. Im Privatsektor sei dies vor allem bei spezialisierten Einrichtungen der Fall, etwa bei den - lukrativen - radiologischen oder kardiologischen Zentren. Etliche größere private multidisziplinäre Kliniken mit über 100 Betten bieten dem Patienten, mit entsprechender Ausstattung, ebenfalls einen überdurchschnittlichen Standard. Dies gilt allerdings nur im nationalen Kontext und nicht im internationalen Vergleich. Etwas schlechter aufgestellt sind Allgemeinkrankenhäuser ohne eigene Fachabteilungen. Die meisten privaten Kliniken indes können sich laut US-Handelsministerium nur gebrauchte Ausrüstungen leisten.

    PPPs in Mode, aber heikel

    Branchenvertreter sehen mehr Bemühungen seitens der neuen Regierung, durch öffentlich-private Gemeinschaftsprojekte (PPP) mehr Geld in den Sektor zu bekommen. Sie vermissen dabei aber eine Strategie. Jede Institution habe ein anderes Modell. Unter "PPP" firmieren schon bisher der Bau von Krankenhäusern sowie andere Großprojekte. Private finanzieren damit aber auch die Beschaffung teurer Geräte für öffentliche Partner.

    So verwirklichte Synlab nach eigenen Angaben bisher vier PPPs mit öffentlichen Krankenhäusern. Beim jüngsten investierte der Labordienstleister einen sechsstelligen Dollarbetrag in ein Labor, das er mit eigenen Leuten betreibt. Von den Einnahmen führt der Investor dann, bei einer Vertragslaufzeit von einem runden Dutzend Jahren, einen geringen Teil an das Krankenhaus ab. Privatfirmen finanzieren laut einem Technikanbieter nach demselben Muster auch MRT-Scanner und Computertomografen. Sie kümmerten sich um Verwaltung und Einnahmen des Betriebs, während die Bedienung dem Krankenhauspersonal obliege. Ungefähr auf diese Weise beschaffte Medien zufolge das Lagos University Teaching Hospital MRT- und ähnliche Technik. 

    Ein Problem bei Beschaffungen sind offenkundig die hohen, mit rund 25 Prozent angegebenen Zinsen. Bei einem MRT-Scanner will der private Investor sein Geld laut einem Technikanbieter deshalb typischerweise schon in drei bis vier Jahren amortisiert haben. Entsprechend viel müssen Patienten zahlen. Dies wiederum können sich die meisten Nigerianer nicht leisten - was wiederum die Zahl solcher Projekte begrenzt.

    Korruption behindert den PPP-Prozess laut Branchenvertretern ebenfalls. "Auch die Privaten wollen oft nur schnelles Geld machen", Preise seien überhöht. Mit Hilfe aufgeblähter Rechnungen versuchen demnach Käufer wie Verkäufer einen Schnitt zu machen. Beim Einsatz von Technik sei zudem Missmanagement an der Tagesordnung. "Das Gerät kommt an und steht erstmal ein halbes Jahr herum", sagt ein Technikvertreter. "Nach einem weiteren halben Jahr steht es wieder, weil Material fehlt." Die für solche Dinge eigentlich zuständigen Manager interessierten sich nicht dafür.

    Das eingesetzte Gerät ist oft angejahrt. Bei einer empfohlenen Nutzungsdauer von zehn Jahren sei viel Technik doppelt so alt.

    Rahmendaten zum Gesundheitssystem in Nigeria
    Indikator *Wert
    Einwohnerzahl (in Mio.)222 
    Bevölkerungswachstum (in % p.a.)2,4
    Altersstruktur der Bevölkerung 
      Anteil der unter 14-Jährigen (in %) 43
      Anteil der über 65-Jährigen (in %) 3
    Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (in Jahren)52,7
    BIP/Kopf (in US$)1.755
    Gesundheitsausgaben pro Kopf (in % des BIP)3,38
    Private Gesundheitsausgaben pro Kopf (laufende Ausgaben in US$)52,6
    Out-of-Pocket-Ausgaben (% der laufenden Gesundheitsausgaben)74,7
    Staatliche Gesundheitsausgaben im Inland (% des BIP)0,51
    Ärzte/100.000 Einwohner (2018)0,38
    Zahnärzte/100.000 Einwohner 1,6
    * alle Werte für 2020, außer BIP/Kopf und Bevölkerung (je 2023), Zahnärzte (Jahr unbekannt).Quelle: Weltbank; WHO; IWF (BIP/Kopf, Bevölkerung), 2023

    China dominiert den Markt - vor Irland

    Eine einheimische Herstellung von Medizintechnik ist Branchenvertretern nicht bekannt. Der Marktforscher Fitch beziffert die inländische Produktion mit unter 5 Millionen US$ und Studien taxieren den Anteil der Importe im gesamten Markt auf 99 Prozent. Sie verweisen als Ausnahme auf die Jubilee Syringe Manufacturing Company, die sich mit 120 Mitarbeitern als größte Produzentin von Spritzen in Afrika bezeichnet. 

    Dominierender Lieferant von Medizintechnik ist China. Von dort stammt fast die Hälfte der Einfuhren, so jedenfalls die Statistik von UN Comtrade mit den hier ausgewählten Produktgruppen. Deutschland ist relativ gut vertreten bei bildgebenden und ophthalmologischen Geräten. Insgesamt lag made in Germany mit einem Anteil von 3,5 Prozent auf dem 7. Rang. Irland lieferte in den drei Jahren 40 Prozent der Orthopädietechnik und Prothesen nach Nigeria und schaffte es damit auf den 2. Rang der Einfuhrtabelle.

    Importe ausgewählter Medizintechnikprodukte nach Nigeria und Anteil aus Deutschland (in Millionen US-Dollar, Anteil in Prozent)
    SITCProduktImport (2020)Import (2022)Anteil Import aus Deutschland (2020-2022)
    774.1Elektrodiagnoseapparate und -geräte18,016,58,8
    774.2Röntgenapparate etc.33,328,76,1
    741.83 Sterilisierapparate20,25,33,9
    872.1Zahnmedizinische Instrumente; a.n.g.2,01,72,4
    872.21Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc.39,531,81,9
    872.25Ophthalmologische Instrumente15,79,58,2
    872.29Andere Instrumente, Apparate und Geräte65,337,02,4
    872.3Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc.74,88,80,8
    872.4Medizinmöbel etc.35,435,31,8
    899.6Orthopädietechnik, Prothesen etc.67,84,73,9
     Summe372,0179,33,5
    Quelle: UN Comtrade, 2023

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    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Rahmenbedingungen

    Ewiges Warten beim Zoll, haarige Zulassungen und Ausschreibungen, die eigentlich gar keine sind: In Nigeria brauchen Medizintechnikanbieter gute Vertretungen.

    Vertrieb von Medizintechnik in Nigeria mit vielen Fallstricken

    Importkosten und -procedere sind für einen befragten Medizintechnikanbieter das größte Problem gleich nach der Mittelknappheit im Markt. Er zahle zwar nur 5 Prozent Zoll und keine Mehrwertsteuer oder weiteren Abgaben auf die Produkte. Der Zoll brauche aber zwei Wochen für die Freigabe - bei perfekter Dokumentation. Ansonsten dauere es schon mal drei Monate.

    Die Zulassung und Registrierung von Medizintechnik bezeichnet das US-Handelsministerium als sehr schwierig. Zuständig sind die Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) und die Standard Organization of Nigeria (SON). "Die staatliche Regulierung des Marktes ist generell sehr schwach", sagt ein Technikanbieter. "Jeder kann alles importieren." Öffentliche Ausschreibungen für Beschaffungen verdienten ihren Namen nicht, heißt es. Es gebe viele Unregelmäßigkeiten.

    Vertreter vor Ort ist wichtig

    Der Markt ist außerdem stark fragmentiert. Es gibt viele Player und einen Mangel an relevanter und eindeutiger Information. Vor diesem Hintergrund brauchen Technikanbieter laut einem großen Dienstleister einen guten Vertreter, der "sich um alles kümmert". "Viele Anbieter wollen einfach nur ihre Produkte verkaufen oder schnell Geld machen", sagt der Experte aber auch. "Der Service interessiert diese Firmenchefs wenig. Sie haben selbst bei anspruchsvollen Geräten und Dienstleistungen einen oder höchstens zwei Ingenieure, die sich um 50 Kunden kümmern müssen."

    Für das Marketing unter nigerianischen Kunden sind die vielen kleinen, auf Fachgebiete spezialisierten Veranstaltungen wichtiger als große Messen, sagen mehrere Technikvertreter. Bei den Ärzten, die für einen führenden Anbieter die Meinungsführer und damit wichtigste Marketing-Zielgruppe sind, stellt der Technikvertreter Sudabelt einen ausgesprochen "Fahrschuleffekt" fest: Wer mit Geräten eines bestimmten Herstellers ausgebildet wurde, bleibt demnach der Marke treu. Sudabelt baut nach eigenen Angaben ein Ausbildungszentrum auf.

    Wichtig für Kontakte zu Vertriebspartnern in Nigeria sind für Technikanbieter die internationalen Messen Medica in Düsseldorf und Arab Health in Dubai. Als bedeutendste Messe gilt vielen Technikvertretern in Nigeria allerdings die jährlich im Land stattfindende Medic West Africa, auch weil Nigerianer oft nur schwer ausländische Visa erhalten. Potenzielle Vertreter für die Marktbearbeitung finden sich zum Beispiel in der Ausstellerliste der Medic West Africa. Nachfolgende Tabelle stellt eine weitere Auswahl dar, die allerdings weder repräsentativ, vollständig noch eingehend geprüft ist.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Ulrich Binkert | Bonn

  • Kontaktadressen

    BezeichnungAnmerkungen
    Germany Trade & InvestAußenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft
    Delegation der Deutschen Wirtschaft in NigeriaAnlaufstelle für deutsche Unternehmen
    Exportinitiative GesundheitswirtschaftDie Exportinitiative bündelt Unterstützungsangebote für die Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft

    Behörden:

    a) Federal Ministry of Health

    b) National Agency for Food and Drug Administration and Control

    c) Nigeria Centre for Disease Control

    a) Gesundheitsministerium

    b) zuständig für Zulassung von Medizintechnik

    c) zuständig für Infektionskrankheiten und öffentliche Gesundheit

    Fachmessen:

    a) Medic West Africa

    b) Arab Health

    c) Medica

    a) Lagos, 17.-19.4.2024

    b) Dubai, 29.1.-1.2.2024

    c) Düsseldorf, 13.-16.11.2024

    Sonstige:

    a) Nigerian Medical Association

    b) Nigeria Health Sector Market Study Report

    a) Ärzteverband

    b) Detaillierter Report für die niederländische Botschaft in Nigeria von 2022, Informationen aber teils veraltet

     

    Von Ulrich Binkert | Bonn

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