Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Norwegen | Branchen | Biogas

Gemischte Aussichten für Biogas

Der norwegische Biogasmarkt hat große ungenutzte Produktionspotenziale. Die langfristige Etablierung des Energieträgers ist die größte Herausforderung. Hilfen gibt es vom Staat.

Von Julia Kneppe | Stockholm

Norwegens Biogasmarkt befindet sich im Aufbau. Im Jahr 2022 nahmen sieben neue Biogasanlagen ihren Betrieb auf. Die Gesamtzahl stieg damit auf 56. Weitere 26 Einrichtungen werden gerade gebaut oder sind geplant. Anfang des Jahres 2023 erhielten vier Bauvorhaben mit einer Gesamtkapazität von knapp 300 Gigawattstunden Förderzusagen von der staatlichen Förderagentur Enova in Höhe von umgerechnet 14 Millionen Euro.

Werden alle geplanten Vorhaben umgesetzt, könnte sich die Erzeugung von Biomethan laut der Branchenorganisation Energigass Norge bereits bis zum Jahr 2025 auf 1,5 Terawattstunden verdoppeln. Im Jahr 2021 betrug die heimische Biogasproduktion laut dem norwegischen Statistikamt SSB noch etwa 0,75 Terawattstunden. Das nationale Potenzial ist damit noch nicht erschöpft. Laut einer im März 2023 vom Norsus Institut für Nachhaltige Forschung veröffentlichten Studie könnten unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden Rohstoffe bereits heute 5,5 Terawattstunden Strom aus Biogas produziert werden. Künftige technologische Entwicklungen und die Erschließung neuer Rohstoffquellen einbezogen sind langfristig sogar bis zu 22 Terawattstunden möglich.

Bild vergrößern

Förderung ist da, aber (noch) keine Gesamtstrategie

Biogas könnte im Rahmen der norwegischen Klimaziele bis 2030 bei der Halbierung des CO2-Ausstoßes im Transportsektor eine wichtige Rolle spielen. Im Jahr 2021 entfielen über 55 Prozent des Biogasgesamtverbrauchs auf Busse, Lkws, sowie biogasbetriebene Müll-, Räum- und Abschleppfahrzeuge. Die Nachfrage beeinflussten bisher meist staatliche Akteure, etwa bei den Stadtbussen im Großraum Oslo und Bergen. Doch ob der kommunale Biogas-Fuhrpark ausgeweitet wird, hängt davon ab, inwieweit Betreibergesellschaften wie Ruter in Oslo noch vor 2030 ausschließlich auf Elektrifizierung setzen.

Auch wenn es bisher keine Gesamtstrategie gibt, so hat der Staat diverse Förderprogramme aufgelegt. Diese zielen unter anderem auf den Aufbau eines Versorgungsnetzes für Langstreckentransporte ab. Insgesamt erhielten 14 Vorhaben zur Etablierung von Biogastankstellen im Jahr 2022 Gelder von Enova. Nach Inbetriebnahme wird das Zapfsäulennetz den Betrieb von Biogas-Lkw in ganz Südnorwegen erlauben.

Entsprechend steigt der Verkauf gasbetriebener Lkw in den letzten Jahren entgegen dem Gesamtmarkttrend: Ihr Anteil am Gesamtfuhrpark hat sich laut SSB zwischen 2019 und 2022 verdoppelt - auf 1,2 Prozent. Dazu beigetragen haben unter anderem die Ende Mai 2023 auslaufende Kaufprämie oder die im September 2022 in Kraft getretene Mautbefreiung für Biogasfahrzeuge in Oslo. Der langfristige Erfolg ist allerdings noch unsicher. Er wird nicht nur von der Preisentwicklung von Biogas gegenüber anderen Treibstoffen abhängen, sondern auch von der Entwicklung bei Elektro- und Brennstoff-Lkw.

Nachfrage im maritimen Transportsektor könnte steigen

Der Staat unterstützt außerdem den Bau und Ausbau von Biogasanlagen. Im Fokus stehen sowohl Hofanlagen als auch industrielle Anlagen, die lokal produzierte Gülle zirkulär nutzen und möglichst zu flüssigem Biomethan (LBG) für den Transport aufbereiten können. Nachfragepotenzial nach LBG könnte es verstärkt im maritimen Transportsektor geben: im Hochseebereich, bei Kreuzfahrt- und Versorgungsschiffen. Laut einer Umfrage des Norwegischen Reedereiverbands, der im 2022 erschienenen Bericht zur Grünen Schifffahrt zitiert wird, ziehen Reedereien mit einer Flottengröße von 117 Schiffen und einer Tragfähigkeit von 4,5 Millionen Tonnen in Betracht ihre Fahrzeuge auf Biogas umzustellen.

So rüstet der Küstenroutenbetreiber Havila vier Schiffe auf der Postschiffroute Bergen-Kirkenes auf Hybridantrieb um und plant das Naturgas schrittweise durch Biogas zu ersetzen. Die Umrüstung basiert auf einem neuen Vorschlag der Seefahrtsbehörde, dem zufolge Großschiffe mit Biogasantrieb die Welterbe-Fjorde vorläufig weiteranlaufen dürfen. Dieser gilt trotz des geplanten Nullausstoßes für Touristenschiffe und Fähren ab 1. Januar 2026.

Förderprogramme für Biogas 2023

Programm

Zielgruppe

Förderquote

Zweck

Biogas

(Enova)

Unternehmen

Maximal 45 Prozent; der Fördersatz kann bei mittelgroßen Unternehmen um 10 Prozent und bei kleinen Unternehmen um 20 Prozent angehoben werden (KMU-Bonus)

Neu- oder Ausbau von Produktionsanlagen für Biogas der zweiten Generation (Schlamm, Abfälle)

Erneuerbare Energie in der Landwirtschaft

(Innovasjon Norge)

wegen einer großen Anzahl von Anträgen bereits geschlossen


Bauern und Waldbesitzer

Maximal 45 Prozent und 678.000 Euro (8 Millionen Norwegische Kronen) 1)

Bioenergie, Biogas-, Kraft/Wärme- und Biokohlenanlagen

Lieferung von Jauche an Biogasanlagen

(Landbruksdirektoratet)

Landwirtschaftliche Betriebe mit Viehhaltung

71 Euro (833 Norwegische Kronen) pro Tonne gelieferter Gülle, gewichtet nach dem Trockenstoffinhalt 1)

Zuschuss zu den Kosten bei der Lieferung von Jauche an zentrale oder Hofbiogasanlagen

Technologie für nachhaltige Energieträger

(Enova)

Wirtschaftsakteure, öffentliche Akteure

Maximal 50 Prozent

Technologieentwicklung im Bereich flüssige Biotreibstoffe und Biogas oder Wasserstoffbasierte Energieträger

Zuschuss zu Bioökonomieprojekten 

(Innovasjon Norge)

KMU, Großunternehmen

Bis zu 254.000 Euro (3 Millionen Norwegische Kronen) 1)

Produktentwicklung, Vorprojekte, verbesserte Produktion und Zugänglichmachung von Bioressourcen

1) EZB-Umrechnungskurs vom 23.05.2023: 1 Euro = 11,792 Norwegische KronenQuelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Mehr Biogas aus Fischschlamm?

Für mehr Verfügbarkeit von Biogas könnte Fischschlamm sorgen. Dieser wird küstennah produziert und besteht aus unterschiedlichen Anteilen von Fischkot und Futterresten. Da sich die norwegische Fisch- und Meeresfrüchte-Industrie bis zum Jahr 2050 zum Ziel gesetzt hat, die jährliche Lachsproduktion auf 5 Millionen Tonnen mehr als zu verdreifachen, dürfte künftig auch die Menge an Fischschlamm merklich zunehmen.

Bild vergrößern

Allein 2017 kamen mehr als zwei Millionen Tonnen Schlamm mit einem potenziellen Energiegehalt von 350 bis 950 Gigawattstunden auf. Abhängig von der Zusammensetzung könnten es laut einer im Auftrag der Biogasbranche erarbeiteten Studie bis zu 3,8 Terawattstunden im Jahr 2050 sein. Dabei handelt es sich nicht allein um Fischkot aus den geschlossenen Anlagen für Jungtiere (settefisk), sondern auch um Ausscheidungen und Futterreste, die aus den Netzgehegen im offenen Meer herausgefiltert werden.

Bisher wurde der Schlamm zur Umwandlung in Biogas nach Dänemark transportiert. Eine Herausforderung bei der Nutzung des Schlamms besteht darin, mit dem hohen Stickstoff- und Salzgehalt umzugehen. Fischkot musste wegen ersterem bisher immer mit Jauche kombiniert werden, um als Energieträger eine Rolle spielen zu können. Seit kurzem hält das norwegische Versorgungsunternehmen Sterner eine neue Lösung bereit: Für den Lachsproduzenten Cermaq baute es eine Biogasanlage auf Basis der anaeroben Gärung. Der sogenannte Anaerobic Baffled Reactor ermöglicht den stickstoffreichen Fischschlamm ohne Zulagen zu Biogas zu verarbeiten. Ob damit der Durchbruch des Treibstoffs in Norwegen gelingen kann, bleibt abzuwarten.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.