Branchen | Pakistan | Abfallentsorgung, Recycling
Recyclingindustrie in Pakistan steht noch am Anfang
Im südasiatischen Land werden täglich Millionen Tonnen Abfall produziert. Die Entsorgungsbetriebe sind überlastet.
28.04.2023
Von Heena Nazir | Dubai
Das pakistanische Umweltministerium erwartet, dass ab 2022 landesweit pro Jahr etwa 30 Millionen Tonnen an festem Haushaltsmüll anfallen. Die meisten Experten gehen von einer höheren Zahl aus. Laut der amerikanischen International Trade Administration werden in Pakistan jährlich rund 49,6 Millionen Tonnen an festen Abfällen erzeugt.
Nach öffentlichen Angaben werden davon nur 50 bis 60 Prozent auf Müllhalden gelagert. Moderne Deponietechnik fehlt größtenteils. Sondermüll wird selten getrennt und fachgerecht beseitigt. Die Entsorgungswirtschaft steht am Anfang und spielt auf der Ebene der nationalen Verwaltung noch eine eher untergeordnete Rolle. Die Verantwortung liegt bei lokalen und kommunalen Behörden, deren Interesse sich in erster Linie auf eine Verringerung von Schuttabladeplätzen richtet.
Pakistan benötigt Anlagen für Abfallbehandlung und Recycling
Die Entsorgungskette ist lang, kleinteilig und fest in der Hand des informellen Sektors. Eine Mehrheit der Beschäftigten sind Kinder, die wiederverwertbare Gegenstände wie Glas, Plastikflaschen, Dosen sowie Metall sammeln und anschließend an Schrotthändler sowie Firmen weiterverkaufen.
Nur einige wenige Unternehmen sind im formellen Sektor aktiv: Green Earth in Lahore ist beispielsweise auf Recycling spezialisiert. In Islamabad befindet sich das Integrated Resource Recovery Center, eine Einrichtung zur Sammlung und Trennung von Müll. Saaf Suthra Sheher konzentriert sich auf integrierte Entsorgungswirtschaft.
Insbesondere beim Kunststoffabfall besteht dringender Handlungsbedarf. Auch wenn Pakistan mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von schätzungsweise rund 9 Kilogramm pro Jahr noch weit hinter den Industrieländern zurückliegt, wachsen die Plastikberge rasant. Bis 2031 soll sich die Menge mehr als verdreifachen, erwarten Branchenkenner. Das südasiatische Land setzt deshalb nicht nur auf Recycling, sondern auch auf Abfallvermeidung. Einweg-Plastiktüten sind in einigen Städten inzwischen verboten, beispielsweise in Lahore.
Die Wiederverwertbarkeit von Produkten ist in der Islamischen Republik gering. Haushalte trennen ihren Müll selten, wobei organische und anorganische Abfälle zusammengeworfen werden. Das mindert die Qualität und die Möglichkeit zur weiteren Verwertung. Deshalb verwenden die meisten Kunststoffhersteller zum Beispiel importierte Pellets.
Sektor | Anteil |
---|---|
Gemeinde | 19,6 |
Privatsektor | 5,2 |
Informeller Sektor | 75,2 |
Finanzierung bleibt schwierig
Seitens der Provinzregierungen gibt es Bemühungen, das Engagement in der Recyclingindustrie zu stärken. Häufig fehlen aber die finanziellen Mittel. Die meisten Projekte werden von internationalen Geldgebern unterstützt. In Sindh hat die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) umgerechnet circa 38 Millionen US-Dollar (US$) für das Sindh Cities Improvement Investment Program bereitgestellt, das unter anderem auf die Verbesserung der Entsorgungswirtschaft in 20 Sekundärstädten abzielt.
Energiegewinnung aus Abfällen soll Abhilfe schaffen
Mit ihren Plänen im Bereich Waste-to-Energy zielt die Regierung weniger auf die Elektrizitätserzeugung ab. Diese ist gemessen am Strombedarf des Landes minimal und bleibt in der Effizienz hinter anderen Erzeugungsformen zurück. Im Fokus steht die Abfallentsorgung. Um Investitionen attraktiver zu gestalten, kündigte die pakistanische Regulierungsbehörde für den Energiesektor, die National Electric Power Regulatory Authority (NEPRA), einen wettbewerbsfähigen Vorabtarif von 0,10 US$ pro Kilowattstunde für Waste-to-Energy-Projekte an.
Im August 2018 genehmigte NEPRA den Bau der ersten Abfallverbrennungsanlage im Wert von 220 Millionen US$. Diese soll in Lahore mit einer Kapazität von 2.000 Tonnen Müll pro Tag und 40 Megawatt entstehen. Die Lahore Xingzhong Renewable Energy Company, ein Joint Venture aus drei chinesischen Firmen, setzt das Vorhaben um. Die Fertigstellung ist für 2023 vorgesehen.
Die Regierung von Sindh unterzeichnete Anfang 2023 Absichtserklärungen mit dem niederländischen Unternehmen Khan Renewable Energy und der US-Firma Green Waste Energy. Geplant ist die Entwicklung von zwei Waste-to-Energy-Kraftwerken. Ziel des Projekts ist die Verarbeitung von 3.000 Tonnen Abfällen täglich, um 50 Megawatt Strom zu generieren. Die Investitionssumme wird auf 500 Millionen US$ geschätzt. Das Vorhaben soll im laufenden Jahr 2023 fertiggestellt werden.
Ausländisches Know-how gefragt
Zwar ist das Umweltbewusstsein in Pakistan längst nicht so ausgeprägt wie in industrialisierten Ländern, dennoch hat die mediale Aufmerksamkeit zuletzt kontinuierlich zugenommen. Der Druck, in die Behandlung, Verwertung und Entsorgung von Abfall zu investieren, wird in den nächsten Jahren steigen, um den Anforderungen der wachsenden Bevölkerung und der steigenden Urbanisierung im Land gerecht zu werden.
Der Regierung stehen kaum finanzielle Mittel zur Verfügung. Daher setzt Pakistan auf ein stärkeres Engagement des Privatsektors sowie auf internationale Geldgeber. Branchenkenner schätzen den Investitionsbedarf bis zum Jahr 2030 auf mehr als 100 Milliarden US$. Geschäftschancen ergeben sich dadurch auch für deutsche Unternehmen.