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Bauwirtschaft in Saudi-Arabien profitiert von Großprojekten

Die zahlreichen Gigaprojekte dürften der Baubranche in den nächsten Jahren hohe Wachstumsraten bescheren. Der Wohnungsbau kann mit überdurchschnittlicher Dynamik rechnen.

Von Robert Gehrke, Robert Espey | Riad, Dubai

Die Liste der in Saudi-Arabien begonnenen und angekündigten Großprojekte wird immer länger. Betreiber der Vorhaben sind vor allem der Public Investment Fund (PIF) und andere staatliche Organisationen. Nach Angaben der Projektdatenbank MEED Projects wurden von 2018 bis Oktober 2023 für 17 ausgewählte Gigaprojekte Bauaufträge im Gesamtwert von rund 61 Milliarden US-Dollar (US$) vergeben. Allein auf die futuristische Entwicklungszone NEOM im Nordwesten des Königreichs entfielen etwa 30 Milliarden US-Dollar (US$).

Zwei neue Großprojekte sind jetzt dazugekommen: die Weltausstellung 2030 in Riad (EXPO 2030) und die Fußballweltmeisterschaft der Männer 2034. MEED Projects rechnet kurz- und mittelfristig mit der Ankündigung von mindestens zehn weiteren Gigaprojekten.

Wachstumstrend kommt vorübergehend zum Stillstand

Die Gigaprojekte haben den letzten Jahren einen wesentlichen Beitrag zur Belebung der Baukonjunktur geleistet. Diese war 2018 auf einen Tiefpunkt gesunken. Anschließend folgte eine vierjährige Wachstumsphase. Die positive Entwicklung hat sich 2023 allerdings nicht fortgesetzt.

Die Bauwirtschaft dürfte 2023 kein oder nur ein geringes Plus erzielen. Nach vorläufigen Angaben der Statistikbehörde schrumpfte der Sektor im 1. Quartal 2023 saisonbereinigt gegenüber dem Vorquartal real um 1,6 Prozent, im 2. Quartal stagnierte er. Beobachter gehen für das 2. Halbjahr nicht von einer Besserung aus.

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Hochbau könnte Wachstumsmotor werden

MEED Projects beziffert den Wert der geplanten Vorhaben im Hoch- und Infrastrukturbau (ohne Öl- und Gassektor sowie Industriebau) auf fast 500 Milliarden US$. Der Hochbau führt mit 227 Milliarden US$. Es folgen die Bereiche Strom mit 133 Milliarden US$, Transport mit 106 Milliarden US$ sowie Wasser mit 33 Milliarden US$.

In der Durchführungsphase befinden sich Projekte von insgesamt rund 186 Milliarden US$. Davon entfallen 102 Milliarden US$ auf den Infrastrukturbereich und 84 Milliarden US$ auf den Hochbau.

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In den nächsten Jahren könnte der Wohnungsbau der Baubranche kräftige Impulse geben. Gegenwärtig befinden sich Wohnungsbauprojekte im Wert von 122 Milliarden US$ (einschließlich gemischter Wohn- und Gewerbeprojekte) in der Planung. In der Umsetzung sind Vorhaben für 39 Milliarden US$.

Immobiliennachfrage reagiert auf Zinsentwicklung

Aktuell dämpfen auch in Saudi-Arabien die gestiegenen Zinsen die Aktivitäten auf dem Hypothekenmarkt. Seit Anfang 2022 hat die saudi-arabische Zentralbank (SAMA) die Leitzinsen um 5 Prozentpunkte erhöht. Die negativen Auswirkungen sind im Immobilienhandel und auf dem Wohnungsbaumarkt spürbar.

Nach Berechnungen des Forschungsunternehmens Capital Economics aus London lag der Wert neuer Bankhypotheken im August 2023 um 44 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Der internationale Immobiliendienstleister Knight Frank bezifferte den Rückgang der Wohnimmobilientransaktionen in Riad im 1. Quartal 2023 gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode auf 57 Prozent. In Jeddah betrug das Minus sogar 67 Prozent.

Nach Berechnungen der Immobiliengesellschaft JLL wurden im 1. Halbjahr 2023 in Riad und Jeddah insgesamt 12.400 Wohneinheiten fertiggestellt. Damit stieg der Wohnungsbestand in Riad auf 1,4 Millionen Einheiten und in Jeddah auf 875.000. Trotz des wachsenden Angebots gingen in Riad und Jeddah die Transaktionen auf dem Wohnungsmarkt deutlich zurück. Von Januar bis Juni 2023 wurden laut JLL rund 70.000 Transaktionen registriert. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 103.000.

Mittelfristig dürfte jedoch die Nachfrage nach Wohnimmobilien insbesondere in Riad wieder kräftig anziehen. Die Regierung verfolgt das ehrgeizige Ziel, bis 2030 die Bevölkerung im Großraum Riad auf bis zu 17 Millionen anwachsen zu lassen. Derzeit sind es in der gesamten Provinz Riad weniger als 9 Millionen.

Staatliche Projekte schaffen Wohnraum

Der Mangel an Wohnraum für die junge einheimische Bevölkerung gehört zu den politischen Dauerbrennern in Saudi-Arabien. Seit langem versucht die Regierung, dem Wohnungsmangel mit Förderprogrammen zu begegnen. Auch einige der neuen Gigaprojekte werden zur Erweiterung des Wohnungsangebots beitragen.

Im Rahmen des Gigaprojekts Roshn entstehen landesweit neue Wohnsiedlungen. Roshn ist ein Immobilienentwickler und gehört zum PIF. Das Unternehmen will bis 2025 der größte Bauträger in der Region des Golfkooperationsrates werden, so CEO David Grover. Roshn plant, bis 2030 unter anderem in den Städten Riad, Jeddah, Mekka und Asir sowie in der Ostprovinz mehr als 395.000 Wohneinheiten zu errichten.

Aktuell werden im Großraum Riad zwei große Roshn-Vorhaben realisiert, Sedra und Warefa. Im September 2023 hat Roshn für die beiden Projekte mit der chinesischen China Harbour Engineering Company Vereinbarungen über Baumaßnahmen im Gesamtwert von 7,7 Milliarden US$ abgeschlossen.

In Sedra sollen in acht Phasen mehr als 30.000 Wohneinheiten entstehen. Gebaut werden Villen mit etwa 400 Quadratmetern Wohnfläche, Duplexapartments mit 230 Quadratmetern und Reihenhäuser mit 190 Quadratmetern. Für Sedra erhielt Siemens Energy 2021 den Auftrag, die Übertragungsnetze zu verstärken und 26 Kilometer Erdkabel zu verlegen.

Die 2016 gegründete National Housing Company (NHC) ist ein weiterer wichtiger staatlicher Akteur auf dem Wohnungsmarkt. Im September 2023 unterzeichnete das Unternehmen einen Vertrag über das Stadtentwicklungsprojekt Banan City in Al Fursan in der Nähe von Riad. Die Baukosten werden mit 10,6 Milliarden US$ angegeben.

Bauträger ist die Talaat Moustafa Group, einer der größten Immobilienentwickler Ägyptens. Banan City soll sich über 10 Quadratkilometer erstrecken. Etwa 40 Prozent der Fläche sind für Grünanlagen reserviert. Das Projekt sieht die Errichtung von 27.750 Wohneinheiten (Villen und Apartments) vor.

"The Line" plant mit 9 Millionen Einwohnern

Als Teil der Giga-Entwicklungszone NEOM ist das Städtebauprojekt "The Line" geplant. Das Konzept sieht einen zusammenhängenden Gebäudekomplex vor, der 170 Kilometer lang, 500 Meter hoch und 200 Meter breit sein soll. Anfang 2023 erklärte Kronprinz Mohammed bin Salman, bis 2026 sei die Fertigstellung von Wohnungen für 450.000 Menschen vorgesehen. Bis 2030 sollen es 1,5 Millionen bis 2 Millionen Einwohner und bis 2045 etwa 9 Millionen werden. Angesichts des aktuellen Baufortschritts erscheinen zumindest die mittelfristigen Ziele wenig realistisch.

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