Deutsche Start-ups finden besonders im E-Commerce und bei Finanztechnologien attraktive Chancen. Eine frühzeitige Partnerschaft mit lokalen Akteuren erhöht die Erfolgschancen.
Das Analyseinstitut MAGNiTT berichtet, dass das Gesamtvolumen von Risikokapital (Venture Capital, VC) in der Region Naher Osten und Nordafrika (Middle East and North Africa, MENA) im Jahr 2024 um etwa 42 Prozent auf 1,9 Milliarden US-Dollar (US$) zurückging. Besonders betroffen waren großvolumige Finanzierungen, sogenannte Megadeals, die um rund 66 Prozent auf 388 Millionen US$ einbrachen. Philip Bahoshy, CEO von MAGNiTT, erklärt diesen Trend mit globaler Unsicherheit und steigenden Zinssätzen. Diese veranlassten Investoren dazu, vorsichtiger zu agieren und weniger große Deals abzuschließen.
Saudi-Arabien führt in der MENA-Region
Dennoch behauptet Saudi-Arabien seine Position als größter VC-Markt der MENA-Region. Im Jahr 2024 erreichten die Investitionen insgesamt 750 Millionen US-Dollar (US$), ein Rückgang um 42,3 Prozent im Vergleich zum Rekordjahr 2023 mit 1,3 Milliarden US$. Gleichzeitig stieg jedoch die Zahl der Finanzierungsrunden um 16 Prozent auf insgesamt 178 Transaktionen.
Nach Saudi-Arabien folgten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit einem Investitionsvolumen von 613 Millionen US$. Allerdings wurden dort mit 188 Transaktionen etwas mehr Deals abgeschlossen. Führende Branchen in Saudi-Arabien waren neben E-Commerce (247 Millionen US$) auch Finanztechnologien (FinTech, 182 Millionen US$), Transport, Logistik und IT-Lösungen.
VC-Investitionen in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen EmiratenVergleich 2023 - 2024Saudi-Arabien | 1,3 Mrd. | 750 Mio. | -42,3 % |
VAE | 1,1 Mrd. | 613 Mio. | ca. -44 % |
MENA-Gesamt | 3,3 Mrd. | 1,9 Mrd. | -42 % |
Quelle: MAGNiTT, Juli 2025
Anteil ausländischer Investitionen wächst
Das Investoreninteresse am saudi-arabischen Start-up-Ökosystem wächst: Im Jahr 2024 stammten rund 29 Prozent der insgesamt 135 aktiven Investoren aus dem Ausland, deutlich mehr als im Vorjahr mit 20 Prozent. Davon profitieren zunehmend auch deutsche Start-ups, insbesondere im Rahmen internationaler Plattformen wie der LEAP-Messe in Riad.
"Viele deutsche Start-ups nutzen die LEAP gezielt zum Netzwerken mit saudischen und internationalen Investoren", erklärt Dalia Samra-Rohte, Geschäftsführerin der Deutsch-Saudischen Industrie- und Handelskammer (GESALO). "Entscheidend für den Erfolg sind ein klarer Bezug zum saudi-arabischen Markt, Skalierbarkeit und strategische Partnerschaften mit lokalen Start-ups."
Zugleich sollten deutsche Unternehmen branchenspezifische Herausforderungen nicht unterschätzen: In regulierten Sektoren wie FinTech oder E-Commerce erfordern komplexe Lizenzierungsprozesse und eine vertrauensbasierte Geschäftskultur eine sorgfältige Vorbereitung. Sprachliche Hürden und bestehende lokale Netzwerke erschweren zusätzlich den Marktzugang. Wer frühzeitig lokale Berater oder Partner einbindet, erhöht jedoch die Chancen auf einen erfolgreichen Einstieg deutlich.
Förderprogramme sind hilfreiche Einstiegsmöglichkeiten
Die umfangreiche staatliche Förderung unterstützt die wirtschaftliche Diversifizierung und reduziert die Abhängigkeit vom Ölsektor. Die Saudi Venture Capital Company (SVC) stellte von ihrer Gründung im Jahr 2018 bis Anfang 2025 insgesamt 827 Millionen US$ bereit, um 49 Fonds zu finanzieren, die über 700 Start-ups unterstützen.
Das Kafalah-Programm bietet seit 2006 Kreditbürgschaften für Start-ups an. Bis Ende 2023 wurden über 64.000 Bürgschaften im Volumen von 19,3 Milliarden US$ ausgegeben. Allein im Jahr 2024 belief sich das garantierte Kreditvolumen auf rund 3,7 Milliarden US$. Das entspricht einem Anstieg von 15,6 Prozent im Vergleich zu 2023. Zudem initiierte Kafalah 2021 die Technical Growth Financing Initiative, die technologieorientierten Start-ups Kreditbürgschaften bis zu 90 Prozent für Kreditsummen zwischen 26.700 US$ und 4 Millionen US$ bereitstellt. Darüber hinaus ermöglicht die Regulatory Sandbox der Saudi Central Bank (SAMA) seit 2019 FinTech-Unternehmen, innovative Geschäftsmodelle und Produkte unter realen Bedingungen zu testen. Bis Mitte 2024 haben insgesamt 50 Unternehmen diese Möglichkeit genutzt, 19 davon aktiv.
"Programme wie Kafalah und die Regulatory Sandbox haben wesentlich dazu beigetragen, Saudi-Arabiens Start-up-Umfeld für internationale Unternehmen attraktiver zu gestalten", erklärt Abdulaziz Alomran, CEO des saudischen VC-Fonds Impact46.
Deutsche Start-ups müssen für die Teilnahme an saudischen Förderprogrammen in der Regel lokal registriert sein, einen überzeugenden Geschäfts- und Finanzplan vorlegen und technologische Relevanz nachweisen. Dennoch sollten Unternehmen die komplexen administrativen Abläufe und regulatorischen Anforderungen nicht unterschätzen. Das Kafalah-Programm verlangt umfangreiche Dokumentationen zur Kreditwürdigkeit, darunter detaillierte Finanzberichte. Die Technical Growth Financing Initiative fordert spezifische technologische Nachweise wie Gutachten oder Patente. Deutsche Unternehmen sollten daher gründliche Vorbereitungen treffen.
Förderprogramme in Saudi-ArabienAuswahlKafalah Loan Guarantee Program | General Authority for Small and Medium Enterprises (Small and Medium Enterprises Bank) | Kreditbürgschaften für kleine und mittlere Unternehmen |
Technical Growth Financing Initiative | Kafalah und National Technology Development Program | Bürgschaften bis zu 90 Prozent für Technologie-Kredite |
Saudi Venture Capital Company | General Authority for Small and Medium Enterprises und Financial Sector Development Program | Co-Investitionen, Unterstützung und Förderung von Investmentfonds |
Jada Fund of Funds | Saudi Venture Capital Company und Public Investment Fund | Unterstützung und Investitionen in Venture Capital- und Private Equity-Fonds |
Esterdad Initiative | General Authority for Small and Medium Enterprises | Rückerstattung bereits bezahlter Gebühren an Unternehmen |
Indirect Lending Initiative | General Authority for Small and Medium Enterprises | Vergabe günstiger Kredite an Unternehmen |
Regulatory Sandbox Program | Saudi Arabian Monetary Authority (Zentralbank) | Testumgebung für Finanztechnologie-Unternehmen |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Juni 2025
Ein Netzwerk an Acceleratoren und Inkubatoren erleichtert zusätzlich den Einstieg. Diese Unterstützungsangebote unterscheiden sich jedoch deutlich in ihrer Qualität, ihrem Fokus, den Zielgruppen, sowie den Bedingungen, unter denen Unterstützung angeboten wird. Deutsche Unternehmen sollten daher sorgfältig prüfen, welches Angebot am besten zu ihrer Strategie passt, um von diesen Programmen profitieren zu können.
Auswahl wichtiger Inkubatoren und Acceleratoren in Saudi-ArabienFlat6Labs | Dschidda, Riad | Seed/Early | Accelerator mit Finanzierung, Mentoring, Coworking |
500 Sanabil Accelerator | Riad | Frühphase | Kooperation Saudi Venture Capital (SVC) und 500 Global |
AstroLabs | Riad | Wachstumsphase | Tech-Hub mit SABIC und Google; Fokus GreenTech |
KAUST Innovation Fund & TAQADAM Accelerator | Thuwal | Deep Tech | Förderung in DeepTech, MedTech, Wasser- und Umwelttechnik |
Wa’ed (Saudi Aramco) | Riad | Frühphase | Zuschüsse, Pilotprojekte in FinTech und Energie |
BIAC | Riad | Prototyp | Von Monsha'at lizenzierter Inkubator mit bis zu 200.000 SAR Förderung |
Falak Business Hub | Riad | Pre-seed bis Series A | Workshops, Pilotprojekte und Infrastruktur |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Juni 2025
Einstiegschancen für deutsche Unternehmen mit lokalem Fokus
Deutsche KMU können insbesondere in den Bereichen FinTech, E-Commerce und innovative Unternehmenslösungen Marktpotenziale erschließen. Know-how in regulierten Märkten, IT-Sicherheit und datengetriebenen Geschäftsmodellen sind gefragt. Erfolgreiche Kooperationen gibt es bereits: Aramco Ventures investierte etwa in das Berliner Climate-Tech-Start-up Ucaneo, während der deutsche Investor FoodLabs das saudische Food-Tech-Start-up Barakah unterstützte.
Ucaneo - ein erfolgreiches deutsches Start-up-Beispiel in Saudi ArabienUnternehmen | Ucaneo (Berlin, gegründet 2022) |
Branche | Climate-Tech (Umwelttechnologie) |
Kerntechnologie | Elektrochemisches Direct Air Capture (DAC), entfernt effizient CO₂ aus der Atmosphäre |
Strategischer Investor | Aramco Ventures (Saudi-Arabien), Venture-Capital-Arm von Saudi Aramco |
Finanzierungsrunde | Seed-Runde 2024 (6,7 Mio. Euro); Aramco Ventures 2025 |
Markteintritt Saudi | Zugang zu saudischer Infrastruktur und Pilotprojekten |
Erfolgsfaktoren | Innovative Technologie mit lokalem Bedarf- Strategische Partnerschaft vor Ort; Skalierbares Geschäftsmodell; effektive Nutzung von Förderprogrammen und Netzwerken |
Geplanter Meilenstein | Größte DAC-Demonstrationsanlage Deutschlands bis Mitte 2026 |
Quelle: Ucaneo, Recherche GTAI; Juni 2025
Hinweise für deutsche Start-ups in Saudi-Arabien
- Lokale Accelerator‑Programme nutzen: Bewerbungen bei Sanabil, Badir oder dem KAUST Innovation Fund verschaffen Zugang zu Kapital, Mentoring und Infrastruktur.
- Profitieren von Freizonen & Coworking: AstroLabs bietet internationale Präsenz, Coworking & Programme in Saudi-Arabien.
- Wettbewerbe & Networking: Teilnahme an Initiativen wie der German-Saudi Startup Competition und Events wie LEAP schaffen Sichtbarkeit.
- Partnerschaften mit Corporates: Zusammenarbeit mit Aramco (über Wa’ed) oder SABIC (via AstroLabs Accelerator) erleichtert Zugang zu Fördermitteln.
- Förderkriterien prüfen: Programme Kafalah bieten Zuschüsse und Bürgschaften: Voraussetzungen prüfen (beispielsweise. Tech‑Fokus, Kapitalstruktur).
- Branchenspezifische Ausrichtung: Deep-Tech (z. B. Klima, Energie) oder FinTech kommen besonders gut an (siehe KAUST, Flat6Labs, Sanabil).
- Anschluss ans regulatorische Netzwerk: Nähe zu KACST eröffnet Chancen bei Technologie-Research & -Development und Genehmigungen.
Von Heena Nazir
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