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Kanada lockt mit Health-Tech-Initiativen und CETA-Vorteilen
Neue Initiativen bieten deutschen Firmen gute Chancen im Bereich KI, Bio- und Med-Tech. Der Web Summit 2025 hat gezeigt, dass Kanada offen ist für internationale Partnerschaften.
03.07.2025
Von Heiko Steinacher | Toronto
Das University Health Network (UHN) in Toronto hat im April 2025 die Initiative Canada Leads 100 Challenge gestartet. Ziel des Programms ist es, 100 weltweit führende Wissenschaftler anzuwerben, die mit ihrer Forschung das Wirtschaftswachstum und die Innovation in Kanada fördern sollen.
Eine Anfangsinvestition von knapp 11 Millionen US-Dollar – weitere Mittel wurden in Aussicht gestellt – soll nicht nur die Rekrutierung ermöglichen, sondern auch Investitionen in die nötige Infrastruktur. Hierzu zählen:
- Biotechnologie
- Medizintechnik
- Forschungs- und Laborausstattung
- digitale Pathologie und Radiologie
- automatisierte Diagnostiksysteme
- Integration von künstlicher Intelligenz in klinische Entscheidungsprozesse
Das UHN ist Kanadas größtes akademisches Gesundheitsnetzwerk und umfasst mehrere Krankenhäuser, darunter das Toronto General Hospital, das Toronto Western Hospital, das Princess Margaret Cancer Centre und das Toronto Rehabilitation Institute.
Digitalisierung und Präzisionsmedizin im Aufwind
Dieses sowie eine Reihe weiterer Projekte im kanadischen Gesundheitswesen bieten deutschen Anbietern von Medizin- und Labortechnik gute Geschäftschancen. Hier einige Beispiele:
- Das McGill University Health Centre (MUHC) in Montreal investiert in molekulare Diagnostik und Genomik-Technologien; dies bietet Chancen für Anbieter von Laborrobotik, Probenlogistik und Analyseplattformen Chancen.
- BC Cancer Agency forscht an personalisierten Krebstherapien, wofür Bioprozessausrüstung, Reinraumtechnik und klinische IT-Lösungen gefragt sind; die Einrichtung ist Teil der Provincial Health Services Authority der Provinz British Columbia und betreibt sechs moderne Krebszentren.
- Das Centre for Addiction and Mental Health (CAMH) in Toronto verfolgt mehrere digitale Innovationsprojekte zur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung, insbesondere durch den Einsatz von KI, Datenplattformen und digitalen Patientenportalen.
Siemens Healthineers ist bereits in ein groß angelegtes Projekt zu neuen Behandlungsmethoden von Krebs, insbesondere mit KI und modernen Bildgebungssystemen, in der Provinz Alberta involviert. Dabei ist nicht nur Medizintechnik gefragt, sondern Chancen eröffnen sich auch für Nischenanbieter, etwa im Bereich KI-gestützter Tumorerkennung.
Gesundheitstechnologien im Fokus internationaler Kooperationen
Chancen für deutsche Health-Tech-Anbieter zeigte auch die Technologiekonferenz Web Summit Ende Mai 2025 in Vancouver auf. Dort wurden – neben KI, Nachhaltigkeit und digitaler Infrastruktur – technologische Entwicklungen im Bereich Gesundheit präsentiert, die für deutsche Unternehmen besonders interessant sein könnten. Schwerpunkte waren digitale Gesundheitslösungen, Telemedizin und biotechnologische Innovationen.
Panels zu KI in der Diagnostik und personalisierter Medizin zeigten deutlich, dass ein großes Interesse kanadischer Unternehmen an internationalen Partnerschaften besteht. Hierzu einige Beispiele:
- WELL Health Technologies aus Vancouver (Fokus: Telemedizin, digitale Patientenportale) sucht internationale Forschungs- und Entwicklungspartner zur Integration von KI-gestützter Diagnostik und für Datenschutzlösungen.
- AbCellera Biologics, ebenfalls aus Vancouver (Schwerpunkte: KI-gestützte Antikörperentwicklung, personalisierte Medizin), will in den Bereichen Genomik, Labortechnologie und Bioinformatik mit Co-Entwicklern kooperieren.
- MindBeacon aus Toronto sucht Partner zur Entwicklung von KI-Therapieplattformen, Sprachanalyse und digitaler Diagnostik für die digitale psychische Gesundheitsversorgung.
- Deep Genomics (ebenfalls Toronto) hat Interesse an Forschungspartnerschaften, unter anderem bei der Entwicklung von Datenanalyseplattformen, wobei KI für RNA-Therapien und genetische Diagnostik im Fokus stehen.
Brainlab und Zeiss präsentieren Hightech auf dem Web Summit
Aus Deutschland war auf dem Web Summit 2025 unter anderem Brainlab (digitale Chirurgie, Bildgebung) mit einem eigenen Stand und Live-Demos vertreten; das Unternehmen hebt Kanada auf seiner Unternehmensseite als Wachstumsmarkt für seine Produkte hervor. Carl Zeiss Meditec präsentierte einen Therapielaser sowie ein neues System für Neurochirurgie.
Drägerwerk war zwar auf der Technologiekonferenz nicht offiziell vertreten, will aber ebenfalls in Nordamerika expandieren, insbesondere im Bereich Intensivmedizin und Beatmung. Das Lübecker Unternehmen für Medizin- und Sicherheitstechnik hat sich an mehreren kanadischen Ausschreibungen für Krankenhausmodernisierung beteiligt.
CETA bringt große Vorteile
Deutsche Unternehmen können sich durch das zwischen der EU und Kanada geschlossene Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement), das 2017 vorläufig in Kraft trat, günstiger und schneller am Markt positionieren. Rund 98 Prozent aller Zölle auf Waren zwischen der EU und Kanada wurden durch CETA abgeschafft. Dazu gehören auch medizinische Geräte, Instrumente und Ausrüstungen, sofern sie die Ursprungsregeln erfüllen, das heißt in der EU hergestellt oder ausreichend verarbeitet wurden.
Firmen müssen sich auf regulatorische und technische Anforderungen einstellen
Trotz Zollfreiheit bestehen einige nichttarifäre Handelshemmnisse, darunter:
- Zulassungspflichten: Medizinprodukte müssen von Health Canada zugelassen werden (vergleichbar mit CE-Kennzeichnung in der EU).
- Technische Normen: Kanadische Standards können von EU-Normen abweichen (etwa bei elektrischer Sicherheit, Verpackung, Etikettierung).
- Sprachvorgaben: In Kanada sind zweisprachige Produktinformationen (Englisch und Französisch) erforderlich.
- Logistik und Zollabwicklung: Exportdokumentation, Ursprungsnachweise und gegebenenfalls kanadische Importlizenzen sind notwendig.
- Datenschutzanforderungen: Bei digitalen Gesundheitslösungen gelten kanadische Datenschutzgesetze (zum Beispiel PIPEDA), die sich von der DSGVO unterscheiden.
Zudem bündeln starke Einkaufsverbünde wie HealthPRO, Medbuy und Mohawk Medbuy in Kanada Beschaffungen. Deutsche Anbieter benötigen daher oft lokale Partner oder Distributoren. Vorteilhaft kann auch die Teilnahme an Pilotprojekten oder Forschungskooperationen sein.
Kanada ist ein führender Biotech-Standort
Kanada zählt laut dem Verband BIOTECanada zu den weltweit führenden Biotech-Nationen mit über 1.000 Branchenunternehmen. Die wichtigsten Cluster befinden sich in Toronto, Vancouver, Montreal und Calgary. Ein aktives Ökosystem für Start-ups bietet Zugang zu Risikokapital, staatlichen Innovationsfonds und Inkubatoren, insbesondere in den genannten Clustern.
Zentrale Innovationsbereiche sind KI-gestützte Diagnostik, personalisierte Medizin, Zell-/Gentherapie und digitale Gesundheitslösungen. Für deutsche Unternehmen eröffnet sich dort ein technologieoffenes Umfeld mit schnellen Einstiegsmöglichkeiten in Pilotprojekte und klinische Studien – begleitet von einer starken Nachfrage nach fortschrittlichen Medizintechnologien.