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Sierra Leone: Wirtschaft wächst dank steigender Rohstoffproduktion
Das kleine westafrikanische Land Sierra Leone findet bislang noch wenig Beachtung. Nicht nur die weltweit steigende Nachfrage nach kritischen Rohstoffen dürfte das bald ändern.
24.04.2025
Von Corinna Päffgen | Accra
Seit dem Jahr 2021 stehen die Zeichen in der Wirtschaft Sierra Leones wieder auf Erholung: Für das Jahr 2025 prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) ein reales Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent. Die Wirtschaft stand seit dem Ebola-Ausbruch im Jahr 2015 und der Coronapandemie im Jahr 2020 unter Druck. Getrieben wird das Wachstum vor allem durch eine steigende Eisenerz- und Agrarproduktion sowie die damit einhergehenden steigenden Exporterlöse. Größte Wachstumshemmer der Wirtschaft sind eine schwache Infrastruktur, hohe Arbeitslosigkeit und Korruption.
Rohstoffe gehen unverarbeitet in den Export
Bereits im Jahr 2024 legte das Bruttoinlandsprodukt des Landes real um 4 Prozent zu. Für die nächsten Jahre geht der IWF von einer Fortsetzung des Wachstumstrends aus. Das kleine westafrikanische Land mit rund 8,5 Millionen Einwohnern gehört zwar zu den ärmsten Ländern der Welt, verfügt aber über beträchtliche mineralische und agrarische Rohstoffe wie Eisenerz, Titanerz, Diamanten, Gold, Bauxit, Rutil, Rohholz, Kaffee und Kakao. Zudem gehören seltene Erden zu den Vorkommen. Alle wichtigen Kennziffern zur Wirtschaft Sierra Leones finden Sie in unseren Wirtschaftsdaten kompakt.
Die Landwirtschaft wird bislang von Subsistenzwirtschaft dominiert. Die meisten Erzeugnisse, vor allem Holz und Kakao, gehen unverarbeitet in den Export. Gleiches gilt für Bergbauprodukte. Im Jahr 2023 betrugen die Ausfuhren rund 1,6 Milliarden US-Dollar (US$), rund 90 Prozent waren Rohstoffe (1,4 Milliarden US$).
Eisenerz wird vor allem nach China exportiert, Ausfuhren des Minerals Rutil gingen in der Vergangenheit zum größten Teil nach Deutschland. Rohstoffe stellten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2023 rund 80 Prozent der deutschen Importe aus Sierra Leone.
Dynamische Tendenzen in zahlreichen Branchen
Die formelle Wirtschaft ist stark vom Rohstoffexport abhängig. Lokale Wertschöpfung findet noch wenig statt, gleichzeitig hat Sierra Leone ein großes Infrastrukturdefizit: Verkehrswege sind vielerorts unzureichend ausgebaut, es gibt keine zentrale Wasserversorgung oder eine – mit Ausnahmen - geregelte Müll- und Abwasserentsorgung. Zudem haben nur rund 30 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Strom.
Trotzdem können einige Branchen seit mehreren Jahren ein stetiges Wachstum aufweisen. Dazu gehört der wichtige Agrarsektor, der die meisten Menschen beschäftigt und etwa 30 Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt. Auch andere Schlüsselbranchen wie das verarbeitende Gewerbe, die Bauwirtschaft, der Bergbau und der Handel wuchsen zuletzt kontinuierlich. Sie tragen jeweils zwischen 7 und 10 Prozent zur Wirtschaftsleistung Sierra Leones bei.
Das verarbeitende Gewerbe ist in den letzten fünf Jahren um durchschnittlich rund 3 Prozent gewachsen, was vor allem auf Produktionssteigerungen in den Bereichen Kunststoffe, Süßwaren und Getränke zurückzuführen ist. Die Bauwirtschaft profitiert vor allem von Infrastrukturprojekten der Regierung und konnte so im Schnitt um 2,4 Prozent zulegen. Der wichtige Bergbausektor konnte trotz eines Einbruchs im Jahr 2020 vor allem aufgrund der gestiegenen Eisenerzproduktion in den letzten fünf Jahren durchschnittlich um 45 Prozent pro Jahr wachsen. Das Segment des Groß- und Einzelhandels sowie Reparatur von Kfz und Motorrädern legte durchschnittlich um 3,8 Prozent zu. Beteiligungschancen können sich für deutsche Unternehmen vor allem in den Bereichen Agrarwirtschaft, Bergbau und Infrastruktur ergeben.
Für private Haushalte sind vor allem die hohen Kosten für Lebensmittel, Benzin und Energie belastend. Die Weltbank erwartet ein Sinken der Inflationsrate von rund 30 Prozent im Jahr 2024 auf etwa 20 Prozent im Jahr 2025. Private Ausgaben dürften dann wieder steigen, sodass die Weltbank mit einer Zunahme der privaten Nachfrage von real 4,7 Prozent rechnet.
Ausländische Investitionen zuletzt gestiegen
Das westafrikanische Land zieht im regionalen Vergleich noch wenig ausländische Direktinvestitionen an. Nach Angaben des UNCTAD World Investment Reports erreichten diese im Jahr 2023 263 Millionen US$; im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von rund 40 Prozent und der höchste Wert seit dem Jahr 2019. Investitionen flossen vor allem in den Bergbau und in den Agrarsektor und stammen vorwiegend aus China, Australien und dem Vereinigten Königreich. Der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen belief sich 2023 auf 3 Milliarden US$.
Das Land ist auf ausländische Investoren angewiesen und hat deswegen die National Investment Comission (NIC) als zentrale Anlaufstelle gegründet. Die NIC ist eine Nachfolgeorganisation der SLIEPA (Sierral Leone Investment and Export Promotion Agency). Gewünscht sind Investitionen vor allem in den Bereichen Energie, Bergbau, Infrastruktur, Tourismus und Agribusiness. Des Weiteren bieten Branchen wie Gesundheit und Pharmaindustrie sowie Abfall- und Kreislaufwirtschaft Potenzial für Entwicklung und Investitionen.