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Lange rangen die Skandinavier um eine Positionierung im globalen Streit um chinesische 5G-Technik. Am Ende gingen die drei Länder unterschiedliche Wege - mit gleichem Ziel.
08.12.2020
Von Michał Woźniak | Stockholm
Am 10. November 2020 fällt in Schweden der Startschuss für die Vergabe der Frequenzen für 5G, das Funknetz der Zukunft. Entgegen internationaler Trends hat sich das größte Land Skandinaviens lange zu keiner Stellungnahme bezüglich des Einsatzes chinesischer Technik verleiten lassen. Drei Wochen vor dem Auktionsbeginn wurden die zugelassenen Bewerber bekannt gegeben: Hi3G Access, das zu 60 Prozent der in Hongkong beheimateten CK Hutchinson Holdings gehört, Telia, Teracom, sowie das Konsortium Net4Mobility von Tele2 und Telenor.
Die eigentliche Nachricht folgte aber in den Auktionsbedingungen: "Die Neuinstallation und Neuimplementierung zentraler Funktionen für die Funknutzung in den Frequenzbändern darf mit Produkten der Anbieter Huawei oder ZTE nicht durchgeführt werden". Huawei hat gegen die Bedingungen Klage eingereicht und das schwedische Verwaltungsgericht einen Tag vor dem geplanten Start der 5G-Auktion die Gültigkeit der strittigen Punkte vorübergehend ausgesetzt. Und somit auch die ganze Prozedur. Wann die Frequenzvergabe startet, darüber wollten PTS-Sprecher am 10. November nicht spekulieren.
Dabei wird die Entscheidung sehnlichst erwartet. Bereits seit Anfang 2020 laufen 5G-Tests. Knapp 30 lokale Pilotprojekte hat die Post- und Telekommunikationsbehörde PTS bewilligt, darunter für den Industriepark des Maschinenbauers ABB in Västerås, Volvos Motorenstandort in Skövde oder Scanias Teststrecke in Södertälje. Seit Ende Mai 2020 werden die Funkanlagen in den drei größten Agglomerationen - Stockholm, Göteborg, Malmö - für den neuen Standard aufgerüstet. Im Sommer fingen entsprechende Arbeiten in weiteren Städten an.
Viel Fläche, wenig Menschen: Der Norden braucht digitale Kommunikation um zwischenmenschlichen Kontakt zu wahren, Gesundheitspflege überall auf gleichem Niveau anzubieten und Randgebiete vor der Unternehmensflucht zu bewahren. Deswegen gingen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden 2018 eine 5G-Partnerschaft ein, um Hürden grenzübergreifend abzubauen, Forschung zu stärken und mehr Bandbreite zu schaffen. Im Fokus stehen die Themen Katastrophenschutz, Transportsysteme, autonomes Fahren und Smart City. |
Einige Vorzeigeprojekte sollen die Technologie der Öffentlichkeit näherbringen. So fuhr im September 2020 für zwei Wochen ein autonomer Bus um den hauptstädtischen Königlichen Tierpark. "Autonome Technologie in Kombination mit elektrischen Fahrzeugen mit 5G-Anschluss, die über Kontrolltürme überwacht werden, bedeutet einen großen Schritt in der Digitalisierung des öffentlichen Verkehrs und kann zu einem effizienteren Betrieb, einer Verringerung der Umweltbelastung und einer besseren Zugänglichkeit für Fahrgäste beitragen", unterstrich Anders Olsson, CEO des Mobilfunkanbieters Telia Sverige.
Weitere Partner des Projektes waren Urban ICT Arena, Keolis, Ericsson und Intel. Den Kleinbus stellte das 2012 in Schweden gegründete Start-up T-engineering, das sich heute laut eigener Internetseite "im stolzen Besitz von Dongfeng Motors" befindet. Im Automobilbereich haben schwedisch-chinesische Kooperationen eine lange Tradition. Seit 2010 verhilft Geely Volvo Cars zu neuem Glanz.
Mit dem 5G-Einsatz im Transportbereich beschäftigt sich auch das AI4Cities-Projekt in Kopenhagen. Dank der schnellen Vernetzung sollen auf Basis von Bewegungsdaten Algorithmen ausgearbeitet werden, die zur Signaloptimierung sowie bei Verkehrs- und Bauprojekten angewendet werden können. Im Rahmen des von Welfare Tech betriebenen Förderprogramms VISE erprobt Lorenz Technology den Einsatz der neuen Funktechnik bei der Unterstützung von Rettungskräften mit Drohnen, die aus einem zentralen Kontrollzentrum ferngesteuert werden. Der Unternehmensverband Dansk Industri baute derweil an der Universität Aalborg das 5G Smart Production Lab auf, in dem Klein- und Mittelständler neue Produktionsmethoden testen können.
Obwohl in Dänemark tätige Telekomunternehmen bereits im Frühherbst 2020 mit der Modernisierung ihrer Anlagen für 5G begonnen haben, wird es noch dauern, bis die Technik ihr volles Potenzial entfalten kann. Die meisten bisherigen Projekte basieren nämlich auf Frequenzen unterhalb von 1 Gigahertz (GHz). Die ursprünglich für dieses Jahr geplante Versteigerung von Frequenzbändern im Bereich 3,5 GHz und 26 GHz wurde auf März 2021 verschoben. Dann sollen auch die weiteren Zugänge zwischen 1,5 GHz und 2,3 GHz unter den Hammer kommen.
Firmenname | Tätigkeitsfeld |
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Netzbetreiber | |
5G-Hardware | |
5G-Hardware |
Ein Grund für die Verzögerung sind die weiterhin andauernden Arbeiten an einem Gesetz, mit dem die Auswahl technischer Ausstatter eingeschränkt werden soll. Verteidigungsminister Trine Bramsen sagte dem Portal ITWatch im Frühling 2020 in Bezug auf den Netzausbau: "Um Dänemark und die Dänen zu schützen, wollen wir mit jemandem zusammenarbeiten, mit dem wir bereits Allianzen haben". Laut der Tageszeitung Berlingske und dem Nachrichtenportal Politico drohte China daraufhin, ein Handelsabkommen mit den von Dänemark abhängigen Färöer Inseln platzen zu lassen.
Nachdem sich das norwegische Telenor für Ericsson als Zulieferer entschied, äußerte auch die chinesische Botschaft in Oslo Bedenken bezüglich der Unbefangenheit des Vergabeprozesses. Dabei ist das kleinste Land Skandinaviens am offensten bei der Technologiewahl. Ende 2019 verkündete der Digitalisierungsminister Nikolai Astrup via Pressemeldung: "Die Unternehmen wählen ihre Ausrüstungslieferanten im globalen Wettbewerb selbst aus". Allerdings müssen sie dabei dem Sicherheitsgesetz Folge leisten. Fällt die Wahl auf einen Zulieferer aus einem Land, mit dem Norwegen keine Sicherheitsvereinbarung hat (wie beispielsweise China), darf dieser maximal die Hälfte der Basisstationen bestücken.
Die Mobilfunkanbieter gehen deswegen auf Nummer sicher und entscheiden sich bisher entweder für Ericsson oder die finnische Nokia. Und sie drücken aufs Tempo. Telenor hat bereits im März 5G-Netze auf neun Gebieten freigeschaltet, zum Beispiel in Longyearbyen auf Spitzbergen. Die Metropolen Oslo, Bergen und Stavanger sollen bis Ende 2020 folgen. Für das kommende Jahr plant die Firma etwa 2.000 Basisstationen aufzurüsten. Der Konkurrent Telia hat sich das Ziel gesetzt, 2023 als erster Anbieter über ein landesweites 5G-Netz zu verfügen.
Im Digitalisierungsranking der Europäischen Union (DESI) müssen sich Schweden und Dänemark nur Finnland geschlagen geben. Im weltweiten Vergleich von IMD besetzten sie die Ränge drei und vier. Norwegen kommt auf Rang 9 von 63 Ländern. Dortige Unternehmen sind laut Eurostat nur Mittelmaß in Bezug auf die Nutzung von ERM- oder CRM-Systemen, dafür aber Vorreiter bei digitaler Kundenansprache und -Service. Laut dem World Retail Congress hatte Schweden 2019 mit 85 Prozent den höchsten Anteil von Online-Shoppern an der Bevölkerung. Norweger und Dänen waren demnach die zweit- und viertspendabelsten E-Commerce-Nutzer in den 30 untersuchten Ländern. In allen drei Ländern tätigte der Durchschnittsbürger laut Deloitte bereits 2017 etwa anderthalb bargeldlose Zahlungen täglich. Ein Jahr später nutzten demnach bereits 80 Prozent von ihnen sogenannte Person-to-Person-Zahlungen (P2P) um einander per Smartphone Geld zu überweisen. In allen drei Ländern ist E-Health fester Bestandteil des Gesundheitswesens, mit einheitlichen Gesundheitsportalen, Online-Buchungen von Arztbesuchen, digitalen Patientenakten und Video-Konsultationen. Letztere haben durch die Corona-Pandemie weiteren Aufwind bekommen. |