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Branchen | Tunesien | Wasser

Internationale Geber finanzieren Wasserprojekte in Tunesien

Trockenheit, marode Leitungen und kaum Abwassernutzung: Das tunesische Wassermanagement steht vor großen Aufgaben. Viele Projekte werden mit internationalen Geldern umgesetzt.

Von Verena Matschoß | Tunis

Bereits seit Jahren ist Tunesien einer schweren Dürre ausgesetzt. Im Jahr 2023 traf es das Mittelmeerland besonders heftig und die Regierung griff zu einer drastischen Maßnahme. Seit Ende März 2023 kann landesweit nachts das Trinkwasser abgestellt werden. Die Nutzung von Trinkwasser für bestimmte Zwecke wie zur landwirtschaftlichen Bewässerung wurde untersagt. Ursprünglich galt die Regelung bis September 2023, sie wurde aber noch einmal bis auf Weiteres verlängert. 

Stauseen nur zu einem Drittel gefüllt

Tunesien zählt zu den wasserärmsten Ländern der Welt. Pro Person stehen im Jahr rund 420 Kubikmeter an erneuerbaren Frischwasserressourcen zur Verfügung – bei unter 500 Kubikmetern spricht die UNESCO von absoluter Wasserknappheit. Ihr Trinkwasser erhalten die Tunesierinnen und Tunesier vor allem aus 37 Stauseen, die Ende Januar 2024 allerdings nur zu einem Drittel gefüllt waren. 

Deutsche KfW Entwicklungsbank ist der größte Geldgeber 

Insgesamt hat das tunesische Landwirtschaftsministerium für 2024 rund 658 Millionen Dinar (etwa 195 Millionen Euro) für Investitionen im Wassersektor eingeplant. Allein kann die Regierung den Finanzierungsbedarf nicht stemmen. Geberbanken aus aller Welt stehen der Regierung zur Seite und stellen Kredite zur Verfügung. Im Vergleich ist die deutsche KfW Entwicklungsbank der mit Abstand größte Geldgeber. Die internationale Finanzierung birgt Chancen für deutsche Unternehmen, die sich auf die jeweiligen Ausschreibungen bewerben können. Bei der Lieferung von Wassertechnik herrscht allerdings große Konkurrenz durch Anbieter aus Italien, Frankreich und China. 

Informationen über Projekte und Ausschreibungen

Bei der Planung und Umsetzung von Vorhaben im Wassersektor schreiben Geberorganisationen Bau-, Liefer- und Beratungsleistungen oft international aus. Deutsche Unternehmen können an den Ausschreibungen teilnehmen, Aufträge gewinnen und mit ihrem Know-how einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in Entwicklungs- und Schwellenländern leisten.

GTAI informiert tagesaktuell über Ausschreibungen im Bereich Wasser und Umwelt.

Mit Finanzierung der KfW Entwicklungsbank soll unter anderem der Staudamm Raghai gebaut und die Kapazität des Staudamms Bou Heurtma erhöht werden. Bei starken Regenfällen kommt der Staudamm im Nordwesten des Landes an seine Kapazitätsgrenze. Insgesamt will die Regierung laut einer Studie zur nationalen Wasserstrategie Eau 2050 bis 2025 vier neue Staudämme errichten und zwei bestehende erhöhen. 

Die KfW Entwicklungsbank ist mit Abstand der größte Geldgeber im tunesischen Wassersektor. Das aktuelle Portfolio umfasst etwa 1 Milliarde Euro. Dabei sind wir in allen Bereichen aktiv: integriertes Management von Wasserressourcen, Transfer, Meerwasserentsalzung, Bewässerung und Abwasserentsorgung.

Christian Vosseler Portfoliomanager, KfW Büro Tunesien

Ein wichtiges Ziel der Regierung ist, den Transfer zwischen den Stauseen im Norden und denen in Zentraltunesien zu verbessen. Denn während die Stauseen im Norden einen Füllstand von 39 Prozent erreichten, kommen die acht Stauseen im Zentrum und die sechs auf dem Cap Bon nur auf knapp über 10 Prozent. Auch hier ist die Kfw aktiv und stellt, im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie der EU, derzeit rund 320 Millionen Euro für Projekte zur Verfügung. "Der Transfer vom Norden zu den Stauseen im Zentrum sorgt für eine gerechtere Wasserverteilung in Tunesien", so Christian Vosseler, Portfoliomanager im KfW Büro in Tunis.

Marodes Wassernetz hat hohe Leitungsverluste 

Nicht nur der geringe Füllstand der Stauseen ist Grund zur Sorge, sondern auch illegale Wasserentnahmen und der Zustand des Kanalnetzes. So gehen aufgrund lecker Leitungen bis zu einem Drittel des Trinkwassers verloren. In ländlicheren Regionen sogar noch deutlich mehr. Immer wieder fällt kurzfristig die Versorgung aus, da das Kanalnetz repariert werden muss. 

Der nationale Wasserversorger SONEDE hat allerdings wenig Geld, um das Leitungsnetz in Stand zu halten. Der durchschnittliche Tarif pro Kubikmeter Wasser liegt bei umgerechnet rund 33 Cent pro Kubikmeter und damit deutlich unter den Produktionskosten. Was für die Bewerbung Tunesiens als Industriestandort ein Vorteil sein mag, hindert die staatlichen Versorger an nötigen Investitionen in das marode Leitungsnetz. Seit 2020 wurden daher die Tarife durchschnittlich um 150 Millimes (rund 5 Eurocent) pro Jahr angehoben, um bis 2024 Kostendeckung zu erreichen. "Kritisch ist, dass die Tariferhöhung im Jahr 2023 ausblieb", merkt Vosseler allerdings an. 

In den südlichen Regionen Tunesiens sind die Leitungsverluste derzeit am höchsten. Mehrere internationale Geber unterstützen den Versorger SONEDE dabei, vor allem die Trinkwasserversorgung in ländlichen Gebieten zu verbessern. Um die Effizienz der Leitungsnetze in ausgewählten Regionen Südtunesiens zu steigern, erhält der nationale Wasserversorger Geld von der KfW. Dabei kommen etwa 37 Millionen Euro aus Deutschland und rund 12 Millionen Euro von der EU. 

Ausgewählte Wasserprojekte in Tunesien bis 2030
ProjektFinanzierung

Projektkosten (in Millionen Euro)

Projektverantwortlicher/Anmerkung
Mehrere Projekte zur Trinkwasserversorgung in ländlichen GebietenFranzösische Entwicklungsagentur AFD, Europäische Investitionsbank (EIB), Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB), Saudischer Entwicklungsfonds (FSD), KfW 

351

Generaldirektion für ländliche Technik und Wassernutzung (DG-GREE), SONEDE /im Bau
Meerwasserentsalzungsanlage SfaxJapan International Cooperation Agency (JICA)

280

SONEDE/im Bau; Kapazität: bis 100.000 Kubikmeter pro Tag
Erweiterung Wassertransfer vom Staudamm Sidi El Barrek nach BéjaouaKfW

273

Generaldirektion für Staudämme und große Wasserbauten (DG BGTH)
Wasseraufbereitungsanlage Béjaoua und andereAFD, EIB

112

SONEDE/im Bau
Meerwasserentsalzungsanlage Zarat/GabesKfW

94

SONEDE/im Bau; Kapazität: bis 100.000 Kubikmeter pro Tag
Wassertransfer Saida-BelliArabischer Fonds für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (AFESD), Islamische Entwicklungsbank IDB

91

Generaldirektion BGTH/im Bau
Staudamm Melah Amontk.A.

89

Generaldirektion BGTH
Projekt zur verbesserten Trinkwasserqualität in mehreren StädtenKfW

85

SONEDE
Station zur Wasseraufbereitung und Transfer Kalaa KebiraAFD

60

SONEDE/im Bau
Modernisierung von 170 Kilometern Trinkwassernetzen Kuwaitischer Entwicklungsfonds, FKDEA

60

SONEDE/in der Umsetzung
Modernisierung des Kanals Medjerda-Cap Bon (Phase 1 und 2)KfW

58

Generaldirektion BGTH
Staudamm SaidaAFESD

41

Generaldirektion BGTH/im Bau
Staudamm Kalaa KebiraAFESD

33

Generaldirektion BGTH/im Bau
Meerwasserentsalzungsanlage SousseStaatsbudget

30

SONEDE/im Bau, Kapazität: 50.000 Kubikmeter pro Tag
Umrechnung nach dem durchschnittlicher Wechselkurs Januar bis Dezember 2023: 1 Euro = 3,3584 Tunesische DinarQuelle: Studie zur nationalen Wasserstrategie Eau 2050, 2023

Zweite Meerwasserentsalzungsanlage kurz vor Inbetriebnahme

Mit einem Kredit der KfW nahm 2018 auch die erste Anlage zur Meerwasserentsalzung auf Djerba den Betrieb auf. Auch bei der zweiten Anlage Zarat/Gabès ist die Bank mit 82 Millionen Euro beteiligt. Die Anlage soll in der ersten Jahreshälfte 2024 das erste Wasser entsalzen und eine Kapazität von 50.000 Kubikmetern pro Tag haben. Ausbaufähig ist die Kapazität auf 100.000 Kubikmeter. Rund 1,1 Millionen Einwohner der südlichen Regierungsbezirke Gabès, Médenine und Tatouine können mit dem Wasser aus der Anlage versorgt werden. Zwei weitere Meerwasserentsalzungsanlagen in Sfax und Sousse sind derzeit im Bau. Die Anlage in Sfax wird von der japanischen Entwicklungsagentur JICA finanziert.      

Schätzungsweise 6 Prozent des Trinkwassers erhalten die 12 Millionen Tunesierinnen und Tunesier derzeit aus der Meerwasserentsalzungsanlage und den 15 Entsalzungsanlagen für Brackwasser. Auch bei den Brackwasseranlagen war die deutsche KfW an der Finanzierung beteiligt.

Großer Bedarf im Abwasserbereich

Ein ebenso großes Betätigungsfeld der internationalen Geber ist die Abwasserentsorgung. Hier ist noch sehr viel Luft nach oben. Das nationale Abwasserentsorgungsunternehmen ONAS gibt an, dass im Jahr 2022 nur rund 65 Prozent der tunesischen Bevölkerung an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen waren. In den urbanen Zentren liegt die Anschlussquote natürlich deutlich darüber. 

Programme im tunesischen Abwassersektor (Auswahl)
ProjektFinanzierung

Geschätzte Kosten (in Millionen Euro)

Umsetzungszeitraum

Modernisierung und Erweiterung von Wasseraufbereitungsanlagen und des Abwassernetzes in Küstenzonen im Rahmen des Programms DEPOLMED (Phase 1)Französische Entwicklungsagentur (AFD), Europäische Investitionsbank (EIB)

162

2018-2026

Programm zum Bau von Industriekläranlagen und zur Abwasserentsorgung in IndustriezonenKfW

87

2013-2026

Projekt zur Verbesserung der Wasserumwelt in StädtenJapan International Cooperation Agency (JICA)

83

2013-2024

Programm für ländliche Abwasserentsorgung (4. Tranche)AFD

57

2022-2027

Modernisierung und Erweiterung des Abwassernetzes in 10 mittelgroßen StädtenKfW, Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft SECO 

55

2016-2024

Verbesserung der Energieeffizienz in KläranlagenKfW

48

2019-2024

Umrechnung nach dem durchschnittlicher Wechselkurs Januar bis Dezember 2023: 1 Euro = 3,3584 Tunesische DinarQuelle: Office national de l'assainissement ONAS 2024 (Stand: April 2023)

Die KfW hat bisher rund 65 Kläranlagen in ganz Tunesien gebaut und rehabilitiert. Davon profitieren etwa 5,5 Millionen Menschen. Deutsche Planer sind bei Projekten im Abwassersektor sehr aktiv. So hat das deutsche Ingenieurbüro Dorsch den Auftrag erhalten, die Beratungsleistungen für den Bau einer neuen Kläranlage Sayada 2 in der Nähe von Monastir zu übernehmen. 

Die Wasserver- und Abwasserentsorgung ist energieintensiv und das Versorgungsunternehmen SONEDE ist der größte Stromverbraucher des Landes. In einigen Projekten ist daher auch vorgesehen, einen Teil des nötigen Stroms über Solaranlagen zu generieren. Ein weiterer Bereich ist die Steigerung der Energieeffizienz. Mit Mitteln der KfW soll die Energieeffizienz in zwölf Kläranlagen des Landes gesteigert werden. Auch hier übernimmt das Ingenieurbüro Dorsch die Generalplanung.

Landwirtschaft soll vermehrt aufbereitetes Abwasser nutzen

In der Landwirtschaft gibt es ein großes Potenzial für die Nutzung von Abwasser. Derzeit sind nur 5 Prozent des dort eingesetzten Wassers aufbereitetes Abwasser. In Tunesien werden zahlreiche wasserintensive Kulturen wie Datteln und Zitrusfrüchte für den Export angebaut. Obwohl weniger als 10 Prozent der Anbauflächen bewässert werden, steht die Landwirtschaft für 75 Prozent der Wasserentnahmen im Land. 

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Um das behandelte Wasser für andere Zwecke wiederzuverwenden, muss die dritte Reinigungsstufe erreicht werden. Bisher schaffen diese tertiäre Behandlung nur rund ein Viertel der 125 Kläranlagen im Land. Ende Januar 2024 unterzeichnete die Regierung einen Darlehensvertrag in Höhe von 81,9 Millionen Euro mit der Afrikanischen Entwicklungsbank zur Modernisierung von Kläranlagen, um die dritte Behandlungsstufe zu erreichen. Rund 3.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche sollen davon profitieren. 

 

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkungen

Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer

AHK Tunesien unterstützt und berät bei Markterschließung und Messepräsenz

Société Nationale de l’Exploitation et de Distribution des Eaux (SONEDE)Staatliches Wasserversorgungsunternehmen

Office National de l'Assainissement (ONAS)

Staatliches Unternehmen der Abwasserentsorgung und -aufbereitung

Observatorie Nationale de l'Agriculture (ONAGRI)Behörde im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Landwirtschaft, Wasserressourcen und Fischerei, jährliche Veröffentlichung eines nationalen Wasserberichts

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