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Branchen | Ukraine | Gesundheitswesen

Wiederaufbau des Gesundheitssystems kostet 5 Milliarden US-Dollar

Westliche Geberländer sichern der Ukraine Mittel für den Wiederaufbau des Gesundheitswesens zu. Das Fachministerium skizziert in einem Entwurf neun ambitionierte Ziele.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Das ukrainische Gesundheitswesen erleidet durch den russischen Angriffskrieg erhebliche Schäden. Russlands Armee greift gezielt medizinische Infrastruktur wie Krankenhäuser oder Geburtskliniken an. Seit Kriegsbeginn wurden mehr als 900 medizinische Einrichtungen beschädigt oder zerstört, meldet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Staatliche und private Gesundheitseinrichtungen haben Schwierigkeiten, die Versorgung der Bevölkerung mit medizinischen Geräten und Arzneimitteln sicherzustellen.

Wiederaufbau nimmt mindestens zehn Jahre in Anspruch 

Anfang Juli 2022 sagten Geberländer im schweizerischen Lugano der Ukraine für die kommenden zehn Jahre rund 750 Milliarden US-Dollar (US$) für 850 Projekte zum Wiederaufbau des zerstörten Landes zu. Für das Gesundheitswesen sind rund 5 Milliarden US$ vorgesehen. Mit diesen Mitteln will das osteuropäische Land nicht nur die Kriegsfolgen beheben, sondern das Gesundheitssystem grundsätzlich umgestalten. Westliche Standards und Praktiken sollen maßgeblich werden, betont Michail Raduzkij, Vorsitzender des Komitees für das Gesundheitswesen, medizinische Dienstleistungen und Krankenversicherungen des ukrainischen Parlaments (Werchownaja Rada). Der Fokus beim Wiederaufbau liegt auf:

  • dem Bau neuer und der Sanierung bestehender spezialisierter medizinischer Einrichtungen;
  • der Weiterentwicklung eines E-Health-Systems (mit der Möglichkeit zur Integration in europäische und weltweite Systeme);
  • der großflächigen Einführung der Telemedizin;
  • der Entwicklung eines Netzwerks moderner Universitätskliniken;
  • dem Bau von Krankenhäusern in Modulbauweise nach europäischen Standards (inklusive Lokalisierung der Produktion der Module);
  • der Ausarbeitung einer Roadmap zur Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Gesundheitsministerium arbeitet neun Prioritäten heraus

Zur Umsetzung dieser Hauptziele zum Wiederaufbau präsentierte das Gesundheitsministerium am 21. Juli 2022 einen Entwurf des Plans zum Wiederaufbau des Gesundheitssystems der Ukraine bis 2032 mit insgesamt neun Prioritäten:

Priorität 1 bis 4: Institutionelle Reformen sollen Gesundheitssystem fit für die Zukunft machen

Priorität 1 hat die Stärkung der nationalen Gesundheitsinstitutionen zum Ziel. Im Fokus steht die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung in den befreiten und vorübergehend besetzten Gebieten. Zudem wird der Einhaltung der Anforderungen des Assoziierungsabkommens mit der EU und der Harmonisierung der Rechtsvorschriften im Gesundheitswesen ein hoher Stellenwert beigemessen.

Die 2. Priorität hat die Steigerung der öffentlichen Gesundheitsausgaben zum Ziel. Wichtigste Maßnahme ist die Umsetzung des Gesetzes zur Finanzierung des Programms medizinischer Garantien (PMG). Jährlich sollen 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zur Verfügung stehen.

Als Prioritäten 3 und 4 nennt der Entwurf die Wiederherstellung und den Umbau eines Netzes medizinischer Einrichtungen. Patienten sollen Zugang zu hochwertigen medizinischen Dienstleistungen erhalten. Zudem soll den Bedürfnissen von Kriegsversehrten, vor allem im Bereich Rehabilitation und psychologischer Betreuung, besser Rechnung getragen werden.

Priorität 5 und 6: Fachkräfte und Prävention im Fokus

Bei Priorität 5 geht es um die Stärkung des Humankapitals des Gesundheitssystems. Dem medizinischen Ausbildungssystem fehlen aktuell moderne und leistungsfähige Universitätskliniken. Zudem existiert keine kontinuierliche berufliche Weiterbildung für Rehabilitationsfachkräfte. Abhilfe schaffen sollen neue Formen berufspraktischer Ausbildung für alle Gesundheitsberufe, ein Konzept zur spezialisierten medizinischen und pharmazeutischen Ausbildung, sowie eine langfristige Personalplanung im Gesundheitswesen.

Priorität 6 schlägt die Bereitstellung von Ressourcen für die Prävention von Krankheiten vor. Die Mittel sollen unter anderem in die Schaffung eines Labornetzwerks fließen, das die Standards für Biosicherheit gemäß den WHO-Richtlinien erfüllt.

Priorität 7 und 8: Telemedizin, Cybersicherheit und Qualitätsmanagement

Die Entwicklung von E-Health-Lösungen und der Ausbau der Cybersicherheit stehen im Zentrum von Priorität 7. Fehlende digitale Informationen über Patienten bremsen die Entwicklung der Telemedizin. Darüber hinaus sind die Prozesse zur Erhebung, Analyse und Validierung von Daten und Statistiken nicht ausgereift. Abhilfe schaffen sollen die Implementierung intelligenter klinischer Systeme, solcher zur Verarbeitung von Big Data und künstlicher Intelligenz. Zudem soll ein Zentrum zur Koordinierung, Analyse und Ausformulierung von Richtlinien zur Cybersicherheit im Gesundheitswesen geschaffen werden.

Als 8. Priorität soll ein System des Qualitätsmanagements auf nationaler und regionaler Ebene aufgebaut werden. Dazu muss zunächst eine langfristige Vision von Patientenqualität und -sicherheit im Gesundheitssystem entwickelt, sowie die Umsetzung und Harmonisierung des Rechtsrahmens für die Qualität der medizinischen Versorgung und Patientensicherheit mit der EU-Gesetzgebung koordiniert werden.

Priorität 9: Wiederaufbau der Pharmabranche

Die Verbesserung des Zugangs zu Arzneimitteln ist Thema von Priorität 9. Die beschädigte und teilweise zerstörte Logistikinfrastruktur schränkt den Zugang zu Medikamenten ein. Die nationale Liste der lebensnotwendigen Arzneimittel soll nach der Bewertung medizinischer Technologien (OMT) ergänzt werden. Dazu notwendig werden Änderungen des Verfahrens zur Konformität der Produktion von Arzneimitteln mit den Anforderungen der guten Herstellerpraxis (GMP). Zudem soll eine Roadmap zum Aufbau eines Verifizierungssystems für Arzneimittel nach EU- und GS1*-Standards definiert und umgesetzt werden.

Die beschriebenen Prioritäten sollen bis 2032 erreicht werden. Allerdings erschweren das bis dato nicht absehbare Ende der Kampfhandlungen, die vergleichsweise bescheidene Summe von 5 Milliarden US$ zur Finanzierung sowie fehlende oder emigrierte Fachkräfte die Erfüllung der Ziele.

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