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Special | Welt | Beratende Ingenieure

Rolle von Ingenieurberatern bei der Projektvergabe

Beratende Ingenieure bestimmen bei Projekten mit, wer Aufträge bekommt. Stimmt das? Welche Rolle haben die Consultants also? Fragen und Antworten dazu. (Stand: 12.01.2024)

Von Ulrich Binkert | Bonn

Welche Rolle spielen Ingenieurconsultants bei Bauprojekten?

Sie können viele Hüte aufhaben. "Das richtet sich ganz nach dem Auftrag", sagt Fred Wendt vom österreichisch-deutschen Ingenieurberater ILF. Oft erstellen sie Machbarkeitsstudien am Anfang eines Projekts oder beaufsichtigen später die ausführende Baufirma. "Am umfassendsten ist die Rolle als Owner's Engineer", sagt Wendt. "Dann erstellen wir das komplette Ausschreibungspaket." 

Legen Berater mit ihren Studien am Projektanfang schon technische Details fest?

Teilweise. "In der Machbarkeitsstudie bestimmen wir die Eckdaten des Projektes und damit die Kriterien für die spätere Ausschreibung", sagt ein deutscher Consultant großer Infrastrukturprojekte. "Dabei legen wir noch keine Details zu den einzelnen Gewerken oder technischen Ausrüstungen fest", sagt der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will und hier Thomas Meißner heißen soll. "Das tun wir im folgenden Schritt, der Ausführungsplanung. Bei Gewerken mit sehr spezifischen Eckdaten oder bestimmten technischen Anlagen ist es möglich, dass wir mit unseren Optionen eine gewisse Vorauswahl festlegen, welche Anbieter überhaupt in Frage kommen."

Wie geht es dann üblicherweise weiter?

"Als Ergebnis unserer Ausführungsplanung präsentieren wir dem Bauherrn mehrere Optionen", sagt Meißner. "Der entscheidet sich dann für eine." Auf Basis der gewählten Option erstellt Ingenieurberater Meißner die Unterlagen für die Projektausschreibung. Wendt von ILF schildert es so: "Als Owner´s Engineer bereiten wir auch den Tender vor."

Auftraggeber folgen oft der Empfehlung

Dann geht der Tender raus und Angebote kommen herein. Nimmt der Berater Einfluss auf die Auswahl? 

Fred Wendt von ILF: "Wir bewerten die eingehenden Angebote und geben dem Kunden abschließend eine Empfehlung." Thomas Meißner führt aus: "Ergebnis unserer Bewertung ist eine Liste mit präqualifizierten Firmen. Auf deren Basis geben wir dem Projekteigner eine Empfehlung für die endgültige Projektvergabe."

Folgt der Projekteigner der Empfehlung der Consultants?

"In vielen Fällen ja", sagt Wendt. "Wenn der Projekteigner dies will", präzisiert Meißner. Dann stehe im Vertrag des Ingenieurbüros "assistance during contract negotiations" oder "procurement support". Diese Klauseln würden allerdings seltener. Dann sei seine Firma an der Vergabe von Folgeaufträgen weniger oder gar nicht beteiligt. 

Wie verhalten sich Auftraggeber da typischerweise?

"Manche beteiligen sich bereits an der Bewertung der eingegangenen Angebote", sagt Meißner. Andere schickten ihre Leute erst später in das Evaluierungskomitee, das über die endgültige Vergabe entscheidet. Wichtig sei dabei, wie viele Mitarbeiter der Auftraggeber für solche Aufgaben hat und wie kompetent diese sind.

Welche Rolle spielen Ingenieurconsultants bei der Auftragsvergabe in privaten Projekten? 

Da läuft es ähnlich. Die Hamburger Firma Stulz stattet Rechenzentren mit Kühlanlagen aus. Um bei einem Großprojekt den Fuß in die Tür zu bekommen, sieht der für Subsahara-Afrika zuständige Stulz-Manager Michael Jux technische Consultants als direkte Ansprechpartner. "Sie planen ein Rechenzentrum im Auftrag des Investors oder Hauptauftragnehmers komplett durch. Die Consultants spezifizieren die einzelnen Gewerke wie Server, Stromversorgung oder die Kühlung."

Bestimmt der Consultant damit, wer den Auftrag bei nachfolgenden Gewerken bekommt?

Zumindest beim Bau von Rechenzentren kann dies offenbar zutreffen. "Der Consultant empfiehlt dem Investor eine bestimmte Technologie und Ausstattung", sagt Jux. "Damit trifft er eine Vorentscheidung über die Vergabe." Die tatsächliche Entscheidung allerdings treffe später der Investor.

Sind Ingenieurbüros bei Infrastrukturprojekten immer in einem frühen Stadium dabei?

"Das ist in jedem Projekt anders und man kann nur schwer allgemeine Gesetzmäßigkeiten feststellen", sagt Heike Bergmann von Voith Hydro zur Frage, wer ein staatliches Wasserkraftprojekt etwa in Afrika ins Laufen bringt. Berater würden Detailwissen zu einem Vorhaben beisteuern. Manchmal würden sie dazu frühzeitig von der zuständigen Behörde kontaktiert, manchmal kämen sie erst später ins Spiel. 

Welche Faktoren gibt es noch, wie stark Berater in ein Projekt eingebunden sind?

"Je individueller die Planung, die der Bauherr wünscht, umso größer ist tendenziell die Rolle des Ingenieurconsultants", sagt Meißner. Wichtig sei aber auch, um welche Art von Infrastruktur es geht. "Häfen wollen schon wegen differierender natürlicher Bedingungen individueller geplant sein. Beim Bau eines Kraftwerks oder einer Mine geht es vor allem darum, standardisierte Abläufe möglichst gut hinzubekommen."

Generalunternehmer sind meist nicht technologieoffen

Welche Rolle spielen Generalunternehmer (EPC) und was bedeutet das für Ingenieurberater?

EPCs übernehmen typischerweise die gesamte Abwicklung des Projekts für den Auftraggeber. Manche führen die Planungen dann weitgehend selbst durch. In anderen Fällen beauftragen EPCs ihrerseits externe Berater für die Erstellung der Machbarkeitsstudien oder die Ausschreibung von Untergewerken. Die Berater sichern sich damit einen Teil des Planungsgeschäfts. Der Kunde ist dann nicht der Projekteigner, sondern der EPC. Auch dabei können die Berater Einfluss nehmen, welche Firmen Aufträge für Untergewerke bekommen. 

Welche Vor- und Nachteile hat die Einbindung eines EPC?

Vorteil für den Projekteigner: Er hat einen zentralen Ansprechpartner, der für das Gesamtprojekt und dessen Abläufe verantwortlich ist. Nachteil: "Er legt sich auf einen Anbieter und eine Technologie fest", sagt ein Berater. "Er hat dann bei einer Lokomotive eine bestimmte Spurweite oder eine ganz bestimmte Antriebsart, für die es nur wenige Anbieter gibt." Was ist anders, wenn der Projekteigner für die Planung einen Consultant einschaltet? "Wir sind technologieoffen und keinem Anbieter verpflichtet", sagt der Berater. "Durch unsere Marktkenntnis sorgen wir für Wettbewerb. Das drückt den Preis und verbessert die Leistung."

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