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Recht kompakt | WTO | TRIPS

Pandemie und Patente - zur aktuellen Relevanz des TRIPS

In der gegenwärtigen Situation werden insbesondere im Hinblick auf die Impfstoffe gegen Covid-19 viele Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz geistigen Eigentums diskutiert.

Von Julia Merle | Bonn

Einleitung: TRIPS in Zeiten der Pandemie 

Die erheblichen Auswirkungen der Coronapandemie auf den weltweiten Handel mit Waren und Dienstleistungen sind bis heute zu spüren.

Seitdem es Impfstoffe gegen Covid-19 gibt, stellt sich im Besonderen die große Frage, wie möglichst schnell möglichst viele Menschen auf der Welt diese Impfung erhalten können. Ein weiteres Themenfeld ist dabei nun mit in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt: das geistige Eigentum (IP). 

Mit welchen internationalen "Spielregeln" haben wir es dabei überhaupt zu tun?

Nicht nur im Bereich des Handels mit Waren und des Dienstleistungshandels existieren sogenannte multilaterale WTO-Übereinkommen (siehe zum Warenhandel: GTAI-Informationen zum GATT). Auch "über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums" haben die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) eine Vereinbarung geschlossen: das TRIPS. Behandelt werden darin im Wesentlichen die Bereiche Urheberrechte und gewerbliche Schutzrechte.

Besonders im Blickfeld der aktuellen Debatte steht der Patentschutz der neuen Impfstoffe. Der WTO wird von einigen ihrer Mitglieder vorgeschlagen, diesen aufzuheben beziehungsweise die Patentrechte zeitweise auszusetzen. So soll schwer betroffenen ärmeren Ländern der Zugang zu den Vakzinen ermöglicht werden. Immer wieder fällt dabei das Schlagwort "TRIPS-Waiver". Man befindet sich in einem gewissen Spannungsverhältnis zwischen öffentlichem Gesundheitsschutz auf der einen und exklusiven Rechten von Patentinhabern auf der anderen Seite.

Verschiedene Vorschläge von WTO-Mitgliedern

Der aktuelle Hintergrund sei an dieser Stelle lediglich wie folgt zusammengefasst:

Bereits am 2. Oktober 2020 reichten Indien und Südafrika beim Rat für TRIPS "zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19" den Vorschlag eines "Waivers" verschiedener Bestimmungen des TRIPS-Abkommens ein. In der Folge unterstützten weitere WTO-Mitglieder diesen Vorschlag der teilweisen Aussetzung. Andere (darunter die Europäischen Union (EU) und Deutschland) sprachen sich bislang dagegen aus.

Im Mai 2021 schlossen sich die USA der Forderung nach einer Aussetzung des IP-Schutzes im Hinblick auf Covid-19-Impfstoffe an.

Einen weiteren Ansatz verfolgt daneben etwa Bolivien (siehe dazu WTO-Meldung vom 12. Mai 2021), indem es als "importabhängiges Land" versucht, über bestimmte sogenannte "Zwangslizenzen" Zugang zu Impfstoffen zu erhalten.

Inzwischen hat der Vorschlag Indiens und Südafrikas unter den WTO-Mitgliedern zahlreiche (mehr als 100) Unterstützer - darunter die am wenigsten entwickelten Länder - gefunden und der Entscheidungsentwurf liegt in revidierter Form vom 25. Mai 2021 vor ("IP/C/W/669/Rev.1"; englischer Text auf der WTO-Website). Der Entwurf wurde im Vergleich zu der ursprünglichen weiteren Fassung etwas eingeschränkt. Bezug genommen wird darin insbesondere auf TRIPS-Vorschriften zu Patenten und Geschäftsgeheimnissen; Rechtsschutzmöglichkeiten soll es nicht geben (vgl. Abschnitt 6 des Entwurfs). Erläuterungen zu dem Vorschlag finden sich in einem Dokument des Rates für TRIPS vom 30. September 2021 ("IP/C/W/684"; WTO-Website).

Die EU legte dem Rat für TRIPS im Juni 2021 einen "Entwurf einer Erklärung des Allgemeinen Rates zu TRIPS und öffentlicher Gesundheit während einer Pandemie"("IP/C/W/681"; englische Fassung auf der WTO-Website) vor. Darin wird insbesondere auf die Bedeutung der bestehenden Vorgaben des TRIPS zu Zwangslizenzen und ihre Umsetzung abgestellt.

Auf der formellen Sitzung des Rats für TRIPS Mitte Oktober 2021 standen beide genannten Vorschläge wieder auf der Tagesordnung (WTO-Meldung vom 14. Oktober 2021). Nach Verschiebung der für den 30. November 2021 geplanten WTO-Ministerkonferenz bekräftigte der Rat für TRIPS in formeller Sitzung vom 16. Dezember 2021 erneut die Fortsetzung der Diskussion um die beiden Vorschläge (dazu: WTO-Meldung vom 16. Dezember 2021).

Die WTO informiert über Neuigkeiten in Bezug auf dieses und andere Themen rund um das TRIPS auf ihrer Website

Zielsetzung dieses Überblicks

Doch was ist mit dem "Waiver" eigentlich gemeint? Was ist die rechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung? Welche Voraussetzungen müssten hierfür vorliegen? Welche anderen Möglichkeiten der vorübergehenden Einschränkung solcher Patente und damit Ermöglichung ihrer Nutzung gibt es vielleicht? Welche Flexibilität bietet das TRIPS-Abkommen insofern schon (Stichwort Zwangslizenzen)?

Zum besseren Verständnis des Hintergrunds dieser aktuellen Fragestellungen soll der vorliegende erste Überblick über das TRIPS-Übereinkommen beitragen.

Es wird dabei auch aufgezeigt werden, dass das Thema "TRIPS und öffentliche Gesundheit" keineswegs ein neues ist, sondern sich bereits vor zwei Jahrzehnten ähnliche Fragen im Zusammenhang mit Zwangslizenzierung und Zugang zu Medikamenten stellten. Diesbezügliche rechtliche Entwicklungen sollen gesondert beleuchtet werden. In den Blick genommen werden ferner auch andere ausgewählte Immaterialgüterrechte außer den bereits erwähnten Patenten.

Erfahren Sie also im Folgenden, was sich hinter der sogenannten "dritten Säule des WTO-Rechts" verbirgt.

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