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Jungunternehmen haben keinen leichten Stand

Die Start-up-Szene in Japan findet international wenig Aufmerksamkeit, was nicht nur an mangelndem Risikokapital liegt. Dennoch gibt es interessante Produkte und Lösungen.  

Von Jürgen Maurer | Tokyo

Japan tut sich nach wie vor schwer, sich als Start-up-Inkubator zu positionieren, wie es die USA und China tun. Die drittgrößte Volkswirtschaft ist beispielsweise bei der Entwicklung von sogenannten Einhörnern (Unicorns), also Jungunternehmen mit einer Bewertung von einer Milliarde US-Dollar (US$) oder mehr, deutlich abgeschlagen. Die US-Firma CB Insights zählte Anfang April 2021 weltweit 654 Unicorns. Darunter waren jedoch lediglich vier japanische Start-ups: Preferred Networks, Smart News, Paidy und Liquid.

Eine geringere Kapitalisierung bedeutet jedoch nicht, dass die von Start-ups in Japan entwickelten Produkte und Lösungen nicht attraktiv oder schwer umsetzbar sind. Auf der Insel ist genügend Kapital vorhanden, jedoch fließt es nicht so einfach in junge Unternehmen wie in anderen Ländern. Die Banken sind sehr konservativ, private Kapitalgeber vorsichtig und selbst das durch Beteiligungen groß gewordene japanische Unternehmen Softbank operiert mit seinem Risikokapital (Venture Capital) hauptsächlich im Ausland.

Geldgeber sind in Japan eher risikoscheu

Japans Markt für Wagniskapital lag laut Angaben des Venture Enterprise Center im Jahr 2020 bei ungefähr 2 Milliarden US$. Insgesamt wurden gut 1.420 Finanzierungsrunden abgeschlossen. Dabei fällt auf, dass die Summe, die inländischen Start-ups zufloss, gegenüber 2019 um mehr als ein Viertel auf 1,4 Milliarden US$ deutlich eingebrochen ist. Dahingegen wuchs der Kapitalfluss an ausländische Start-ups. Sie erhielten etwa 600 Millionen US$.

Start-ups haben es in Japan offensichtlich schwer, an privates Investitionskapital zu kommen. Daher suchen sie sehr früh eine Finanzierung über den Kapitalmarkt. Der Tokyo Stock Exchange Mothers Index lockt mit nur geringen Eintrittshürden. Einige ehemalige Start-ups, die in diesem Börsensegment notieren, sind gegenwärtig mehr als eine Milliarde US$ wert, darunter Freee, Rakus oder AI inside.

Die Umsetzung braucht Zeit

Das Start-up Spiber hat 2020 einen anderen Finanzierungsweg gesucht. Es hat mit der Verbriefung seines Know-hows und einer vorhandenen Pilotanlage Kapital aufgenommen. Spiber ist seit 2007 in der Entwicklung eines speziellen Fasermaterials (Brewed Protein) aktiv. Die biologisch abbaubare Faser soll unter anderem für Bekleidung und für Autopolster genutzt werden.

Ein Teil des zufließenden Kapitals wird in die Massenproduktion in Thailand investiert, die noch 2021 starten soll. Zudem ist eine Produktion in den USA angedacht. Hierzu wurde im September 2020 eine Kooperation mit Archer Midland Linseed vereinbart. Mit diesen Planungen ist Spiber schon auf dem besten Weg, über die Start-up-Phase hinauszuwachsen.

Firmen mit hohen Zielen

In diese Kategorie gehört auch ein anderes junges Unternehmen in Japan, dessen Geschäftsmodell über die Erde hinausreicht. Im April 2021 hat das 2010 gegründete Start-up ispace angekündigt, dass es von den Vereinigten Arabischen Emiraten einen Auftrag erhalten hat, deren Mondrover 2022 auf den Erdtrabanten zu befördern. Mit Hilfe einer SpaceX-Rakete wird das Transportmodul von ispace auf eine Erdumlaufbahn gebracht und der Weiterflug erfolgt dann mit einem eigenständigen Antrieb.

Das Modul wird mit Teilen unter anderem der Firma ArianeGroup GmbH in Deutschland gefertigt. Es ist die erste bezahlte Mission des Start-ups ispace. Dessen nächstes Ziel ist es, im Jahr 2023 einen eigenen Rover auf den Mond zu bringen. Die Chancen stehen gut, dass auch hierbei auf deutsche Unterstützung gesetzt wird.

Neue Venture-Capital-Fonds aufgelegt

Insgesamt sind Spiber und ispace eher in Nischenbereichen unterwegs. Es dürfte kaum überraschen, dass 2020 in Japan laut den vierteljährlichen Berichten des Venture Enterprises Centers das meiste Wagniskapital in die Sektoren Informationstechnologie und Telekommunikation floss. Dem folgten Biotechnologie und Pharmazeutika. Bei den Finanzierungsrunden stehen Start-ups in der Frühphase (Early-Stage) und in der Expansionsphase im Fokus. Die stärker risikobehaftete Seed-Finanzierung, bei der Gelder in die Unternehmensgründung fließen, ist in Japan relativ schwach ausgeprägt.

Was im Jahr 2020 besonders auffällt, ist die hohe Anzahl neu aufgelegter Venture-Capital-Fonds. Insgesamt sind 54 Finanzinstrumente, inklusive Follow-up-Kapitalisierung, entstanden. Das waren sieben mehr als 2019. Zudem war auch der zur Verfügung stehende Gesamtbetrag deutlich höher als in den Vorjahren, wobei insbesondere das vierte Quartal 2020 hervorstach. Hier entstanden zwei Fonds, die fast ausschließlich mit Geldern der öffentlichen Hand neu aufgesetzt wurden.

Staat unterstützt Entwicklung

Viele Start-ups benötigen für die Entwicklung ihrer Produkt- oder Lösungsideen Büros, Labore und die Möglichkeit, Prototypen zu erstellen. Auch das Networking mit wichtigen Akteuren spielt eine große Rolle. Bei diesen Herausforderungen hilft das J-Startup-Programm des Wirtschaftsministeriums (Ministry of Economy, Trade and Industry) ausgewählten Start-ups, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Ein Problem in Japan ist, dass die einheimischen Start-ups kaum über die Insel hinaus Aufmerksamkeit erregen. Viele haben keine englischen Webseiten und ihre Gründer verfügen nur über geringe Englischkenntnisse, was den Kreis potenzieller Investoren stark beschränkt. Das wollen die zuständigen Stellen wie unter anderem das Wirtschaftsministerium ändern. Dazu haben sie Anfang 2021 den US-Seed-Accelerator Techstars engagiert. Er soll einen ausgewählten Kreis von japanischen Start-ups für das Agieren in einem internationalen Umfeld trainieren.

Um Start-ups zu stärken, sollen auch neue Richtlinien für eine einfachere Kooperation mit Firmen formuliert werden. Diese "Guidelines for Business Collaboration with Start-ups" haben die Japan Fair Trade Commission und das Wirtschaftsministerium im Dezember 2020 vorgestellt. Da die Zusammenarbeit mit großen Unternehmen für viele Start-ups zu einem wichtigen Geschäftspfeiler gehört, sollen die Richtlinien einen fairen und freien Innovationsrahmen gewährleisten. 

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