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Breite KI-Adoption ist in Kanadas Industrie noch nicht in Sicht

Spitzenforschung und proaktive Politik verschaffen Kanada Standortvorteile bei Künstlicher Intelligenz (KI). In der industriellen Fertigung wird KI aber erst selten eingesetzt.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Das Unternehmen Kruger Products nutzt KI für vorausschauende Wartung und Bedarfsprognosen entlang seiner Lieferkette. KI unterstützt den Papierhersteller ebenfalls dabei, Produktionslinien im Schichtbetrieb zu planen. „Hersteller, die KI einsetzen, spüren einen beeindruckenden Unterschied in ihrem Wachstum und wenn es um die Skalierung ihrer Unternehmen geht“, sagt Isabelle Hudon, die Präsidentin der Business Development Bank of Canada.

Dennoch gibt es in dem Land bisher erst wenige KI-Anwendungsbeispiele in der Fertigung. Als Ursache macht Hudon die zu geringe digitale Akzeptanz aus: „Es ist schwierig, von kleinen und mittleren Unternehmen zu verlangen, die digitale Transformation zu überspringen und direkt zur KI-Einführung überzugehen.“ KI biete in der Fertigung zwar große Potenziale. Um diese nutzen zu können, müssten aber viele Firmen ihre Produktionsanlagen in Kanada erst auf den neuesten Stand der Technik bringen.

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Erst Digitalisierung, dann Automatisierung – KI kommt später

Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe sind zwar zunehmend an neuen Technologien interessiert, vor allem aber in den Bereichen automatisierte Betriebsdatenerfassung, fortschrittliche Analytik und ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) zur Optimierung von Geschäftsprozessen. Auch Robotik und Automation gehören laut Umfrage des Plant Magazins von November 2023 zu den Technologieschwerpunkten produzierender Unternehmen. KI zählt dagegen nur ein gutes Drittel der befragten Betriebe dazu. Das sind sogar noch weniger als im Vorjahr.

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Eine wachsende Nachfrage nach Industrie-4.0-Technologien ist zwar zu erwarten. Um IoT (Internet of Things)-fähige Geräte aber für KI-Anwendungen nutzen zu können, muss auch die Konnektivität dieser Geräte gewährleistet sein. Neben anderen Vorbehalten gegenüber KI tritt daher noch ein Kostenproblem zutage: Eine dafür notwendige Umstellung der Technik ist teuer, vor allem für kleinere Unternehmen.

Forschungsprojekte offenbaren vielversprechende Einsatzmöglichkeiten

An Forschungs- und Entwicklungsprojekten sowie Prototypen mangelt es bei KI-gestützten Produktionstechnologien dagegen nicht. So hat die Firma Xaba das weltweit erste Fahrgestell im 3D-Druck produziert. Das kanadische Tech-Start-up nutzt dafür zwei Fertigungsplattformen, die auf KI basieren. Industrieroboter können dadurch Aufgaben wie Bohren, Schweißen und Montieren mit maximaler Genauigkeit sowie minimaler menschlicher Aufsicht ausführen. Hersteller optimieren so automatisch viele Konstruktionsabläufe in kurzer Zeit.

Auch große Unternehmen wie die Royal Bank of Canada und Thomson Reuters haben in die KI-Forschung investiert. Neben heimischen Firmen eröffneten vor allem US-Tech-Riesen wie Facebook und Google, aber auch der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung und rund 50 weitere Unternehmen KI-Labors in Kanada. Google Canada kündigte im März 2024 Forschungsstipendien im Wert von 2 Millionen US-Dollar (US$) an: Das Geld soll vor allem in Projekte für mehr Nachhaltigkeit von und den verantwortungsvollen Umgang mit KI fließen.

Ethische Aspekte berücksichtigte der Esslinger Anbieter industrieller Automatisierungstechnik Festo bereits, als er zwei Jahre lang gemeinsam mit deutschen und kanadischen Partnern an neuen KI-Methoden für Kommissionierroboter forschte: Dabei sei es gelungen zu zeigen, dass Roboter voneinander lernen können, ohne sensible Daten und Betriebsgeheimnisse zu teilen, wodurch Kundendaten besser geschützt würden. Das dürfte die KI-Akzeptanz und -Einsatzbereitschaft in der Lagerlogistik weiter beflügeln. 

Spitzencluster fördert neue KI-Projekte im Bereich Industrieproduktion

Erfolge im Bereich der KI-Forschung sind auch das Ergebnis der unter Premierminister Justin Trudeau geschaffenen fünf kanadischen Spitzencluster. Diese von der Industrie geführten öffentlich-privaten Kooperationen konzentrieren sich auf fünf Technologiebereiche, sie verteilen sich vom Atlantik bis zum Pazifik. Die von der Industrie geführte gemeinnützige Organisation Next Generation Manufacturing Canada (NGen), die das Advanced Manufacturing Cluster in Ontario leitet, hat im November 2023 rund 14 Millionen US$ an Fördermitteln für 12 neue KI-Projekte im Bereich der industriellen Produktion angekündigt. Das ist gut ein Drittel des gesamten Investitionsvolumens. Die übrigen zwei Drittel bringen die beteiligten Industriepartner auf.

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Kanada hat in den letzten Jahren hohe dreistellige Millionenbeträge in die heimische Halbleiterproduktion investiert – nicht zuletzt auch wegen der enormen Chancen, die KI bietet. Große KI-Potenziale werden vor allem für die Energie- und Mobilitätswende und in Verbindung mit der Quantentechnologie gesehen. Neben US-Riesen wie IBM und Intel entwickeln auch heimische Unternehmen wie Spark Microsystems, Tenstorrent und Untether AI in Kanada Halbleitertechnologien. Auch wurden dort in den letzten Jahren immer mehr Halbleiter-Start-ups gegründet, darunter Edgehog Advanced Technologies, Moduly und PredictNow.ai.

Immer mehr Unternehmen integrieren generative KI in ihre Arbeitsprozesse

Laut einer Erhebung von Statistics Canada nutzten im 1. Quartal 2024 bereits knapp 14 Prozent der kanadischen Unternehmen sogenannte generative KI oder planten zumindest deren Einsatz. Im verarbeitenden Gewerbe lag der betreffende Anteil mit fast 15,5 Prozent leicht darüber. Etwa zwei Drittel der befragten Unternehmen sehen den Wert generativer KI darin, eigene Inhalte wie Texte, Bilder oder Multimedia selbstständig und schneller weiterzuentwickeln. Rund 46 Prozent streben mit generativer KI eine stärkere Automatisierung ohne Stellen- oder Stundenabbau an. Zu den Anwendern zählen unter anderem der Kfz-Zulieferer Mavis, die Royal Bank of Canada, der E-Commerce-Anbieter Shopify und das Telekommunikationsunternehmen Telus.

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