Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Special Spanien Brexit

Spanische Großunternehmen waren früh auf den Brexit vorbereitet

Spanische Unternehmen nutzten die Zeit unter anderem für Käufe britischer Partner. In Spanien überwiegt die Erwartung, dass die Schwierigkeiten nach dem Brexit vorübergehen werden.

Von Oliver Idem | Madrid

Spanische Unternehmen haben die Zeit seit dem britischen Austrittsreferendum im Juni 2016 genutzt, um sich auf das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union vorzubereiten. Vor allem größere Unternehmen stellten die Weichen durch die Übernahme von Partnern im Vereinigten Königreich, die verstärkte Kooperation mit britischen Akteuren oder die Verlegung von Unternehmenssitzen.

Nach dem erfolgten Brexit zeichnet sich ab, dass vor allem kleinere Unternehmen mit neuer Bürokratie zu kämpfen haben. Insgesamt wird die jetzige Phase als vorübergehende Umstellungsphase betrachtet, bis alle Regeln festgelegt und implementiert sind. Entsprechend dürfte das Vereinigte Königreich weiterhin ein wichtiger Wirtschaftspartner Spaniens bleiben.

Lebensmittelindustrie spürt Brexit-Auswirkungen

In den ersten Wochen nach dem Brexit registrierte die Wirtschaftszeitung Cinco Días gleich mehrere Problemfelder. Verzögerungen in der Abfertigung betrafen besonders verderbliche Agrarprodukte und Lebensmittel. Wegen der üblichen knappen Lieferfristen traten auch Schwierigkeiten bei Kfz-Teilen auf. Manche kleinen spanischen Unternehmen zahlten lieber vermeidbare Zölle, als immer wieder aufwendige Ursprungsnachweise zu erbringen. Die Auswirkungen auf den Lebensmittel- und Getränkesektor hielten länger an. Die britische Food & Drink Federation registrierte 11,8 Prozent weniger Importe aus Spanien im 1. Halbjahr 2021. 

Dabei hatte sich der spanisch-britische Außenhandel bis einschließlich 2019 positiv entwickelt. Danach mischten sich die Folgen der Coronapandemie und wachsende Unsicherheiten über den Brexit und dämpften die Entwicklung. Spanien lieferte 2019 vor allem Fahrzeuge, Transportmittel sowie Nahrungsmittel und Getränke ins Vereinigte Königreich. Die wichtigsten Importgüter Spaniens waren chemische Erzeugnisse, Fahrzeuge und Ausrüstungsgüter.

Spanische Konzessionäre im Vereinigten Königreich rechnen damit, dass ihr Geschäft schwieriger werden könnte. Sie befürchten Protektionismustendenzen bei neuen Ausschreibungen. Cinco Días brachte im Mai 2021 das Beispiel der geplanten Heathrow Southern Railway vom Flughafen in den Süden Londons. Spanische Branchenvertreter rechnen damit, besonderes Augenmerk auf die Lieferketten und die Logistik legen zu müssen. Zudem gehen sie davon aus, mit höheren Local-Content-Anforderungen konfrontiert zu werden.

Investitionsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich

Indikator

2016

2019

Spanischer Direktinvestitionsbestand im Vereinigten Königreich (in Mio. Euro)

35.361

63.333

Rangstelle beim britischen Direktinvestitionsbestand

9

9

Britischer Direktinvestitionsbestand in Spanien (in Mio. Euro)

65.711

77.546

Rangstelle beim spanischen Direktinvestitionsbestand

3

3

Spanische Unternehmen in Vereinigten Königreich (Anzahl)

427

793 (2018)

Britische Unternehmen in Spanien (Anzahl)

1.249

1.410 (2018)

Quelle: Eurostat 2021

Eine Reihe großer spanischer Unternehmen kaufte vor dem Brexit britische Partner auf. Die gesamten spanischen Investitionen im Vereinigten Königreich belaufen sich auf 78 Milliarden Euro. Laut der Wirtschaftszeitung Expansión wurde die Last-Minute-Einigung Ende 2020 mit großer Erleichterung aufgenommen. Entsprechend äußerten sich unter anderem Vertreter des Energiekonzerns Iberdrola, der Bank Santander, des Infrastrukturkonzerns Ferrovial und des Telekommunikationsunternehmens Cellnex.

Spanien profitierte in der Zeit nach dem Brexit-Referendum von einem massiven Anstieg der Investitionen aus dem Vereinigten Königreich. Im Jahr 2018 entfielen alleine 6,5 Milliarden Euro auf größere Transaktionen. Die Gelder flossen unter anderem in den Energie- und Immobiliensektor sowie die Papier- und Keramikindustrie.

Kleine spanische Unternehmen auf der Insel mit teils großen Schwierigkeiten

Laut der Tageszeitung El Mundo zieht der Schinkenhändler Jamonería Enrique Tomás vom Londoner Flughafen Luton nach Frankreich. Der Grund liegt in den neuen bürokratischen Anforderungen. Vorher habe man Schinken einfach auf einen Lkw laden und ins Vereinigte Königreich fahren können. Nun sorgen Kontrollen und Formalitäten für Verzögerungen. Da das Unternehmen seine Mitarbeiter in Spanien ausbildet, leidet es auch darunter, dass der Wechsel zwischen den Ländern nicht mehr so einfach ist wie zuvor.

Das spanische Restaurant Barrafina in London verwendet üblicherweise 50 bis 60 Prozent spanische Zutaten. Diese haben sich mittlerweile stark verteuert. Alternativen auf der britischen Insel sind ebenfalls knapp und kostspielig. Geringere Margen, Bürokratie und eine schlechte Vorhersagbarkeit belasten das Restaurant. Zunächst seien die Probleme überschaubar gewesen, verschärften sich jedoch zunehmend. Von den benötigten Zutaten fehle immer wieder etwas anderes.

Vielfältige Brexit-Konsequenzen in Spanien

Die spanische Tourismusbranche hofft, dass nach der Coronakrise wieder mehr als die 3,2 Millionen britischen Gäste des Jahres 2020 kommen werden. Ein Unsicherheitsfaktor ist die Kursentwicklung des britischen Pfundes gegenüber dem Euro. Bei einem ungünstigen Verlauf könnte Spanien gegenüber kostengünstigeren Destinationen an Boden verlieren.

Cinco Días berichtet, dass durch die Kombination aus der Coronapandemie und dem Brexit Briten viel weniger Immobilien in Spanien kaufen als früher. Auf sie entfielen im 2. Quartal 2021 noch 9,5 Prozent der Transaktionen. Gegenüber dem Spitzenwert im 4. Quartal 2015 brach ihr Anteil an den Gesamtkäufen um 60 Prozent ein. Der Tageszeitung El País zufolge sorgt außerdem ein Dekret von 1978 für Verzögerungen. In 1.560 Gemeinden in "strategischen Zonen" benötigen britische Käufer nach dem Brexit eine Genehmigung des spanischen Verteidigungsministeriums.

Für Unruhe sorgt auch, dass tausende Finanzierungsverträge spanischer Unternehmen nach britischem Recht geschlossen wurden. Nach dem Brexit muss die spanische Justiz Urteile von der Insel nicht mehr automatisch anerkennen. Entsprechend werden die ersten Präzedenzfälle mit Spannung erwartet.

Einen Sonderfall stellt das britische Überseegebiet Gibraltar dar. Es ist britisch und proeuropäisch geprägt. Dort stimmten 96 Prozent der Referendumsteilnehmer gegen den Brexit. Gibraltar ist unter anderem durch 10.000 spanische Grenzpendler eng mit Spanien verflochten. Noch laufen Verhandlungen über den künftigen Status. Damit sind auch viele praktische Fragen zur Gesundheitsversorgung, der Geltung von Führerscheinen und der Anerkennung von Titeln verbunden. 

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.