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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Außenhandel

Briten aus Top Ten der deutschen Handelspartner gefallen

Das Vereinigte Königreich ist 2022 aus dem Ranking der zehn wichtigsten deutschen Handelspartner gefallen. Das bestätigen die neuen Dezember-Daten zum deutschen Außenhandel.

Von Marc Lehnfeld | London

Die Prognose von Germany Trade & Invest, dass das Vereinigte Königreich 2022 aus den Top Ten der wichtigsten deutschen Handelspartner fallen wird, hat sich mit den neuesten Zahlen zum Außenhandel bestätigt. Das geht aus den vorläufigen Daten des Statistische Bundesamts für den deutschen Außenhandel hervor, die für den Monat Dezember und das Gesamtjahr 2022 veröffentlicht wurden.

Demnach überholte der Handel mit Tschechien, der nominal um 16,4 Prozent zulegte, den bisher zehntplatzierten Warenhandel mit dem Königreich, der nur um 14,1 Prozent wuchs. Die realen, das heißt inflationsbereinigten, Wachstumsraten dürften wegen der hohen Inflation hingegen viel schwächer ausfallen.

Deutschlands größte Handelspartner 2022*

Rang

Warenhandelspartner

in Mrd. Euro

Veränderung gegenüber dem Vorjahr (nominal, in %)

1

Volksrepublik China

297,8

20,8

2

Vereinigte Staaten

247,8

27,5

3

Niederlande

233,7

13,3

4

Frankreich

185,8

12,8

5

Polen

167,6

13,5

6

Italien

159,8

13,4

7

Österreich

146,6

22,3

8

Schweiz

125,8

14,5

9

Belgien

123,5

19,1

10

Tschechien

112,9

16,4

11

Vereinigtes Königreich

111,0

14,1

*unbereinigte DatenQuelle: Berechnungen von Germany Trade & Invest auf der Basis von Destatis-Daten 2023

Weiterer Abstieg vorerst nicht in Sicht

Ein weiterer Abstieg der Briten im Ranking der deutschen Handelspartner ist in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten. Gegenüber dem zwölftplatzierten Spanien kommt der Handel mit der britischen Insel auf einen komfortablen Vorsprung von rund 29 Prozent. Selbst wenn sich der Warenaustausch mit dem Vereinigten Königreich in den nächsten Jahren zurückhaltend entwickeln könnte, werden die Briten schon angesichts der Marktgröße nicht stärker zurückfallen.

Brexit und Regierungskrise bremsen Handel

Der Fall aus den Top Ten ist keine kurzfristige Entwicklung. Lag das Königreich 2017 noch auf dem fünften Rang als deutscher Handelspartner, fiel das Land seitdem schrittweise zurück. Der Einbruch hat viele Gründe. So bremst der Brexit die Handelsentwicklung auf zahlreichen Ebenen. Und die schwache Entwicklung gewerblicher Investitionen seit dem Referendum 2016 hemmt die Industriegüternachfrage aus Deutschland.

Im vergangenen Jahr haben die deutschen Exporte von Industriemaschinen laut verfügbaren Daten bis November 2022 nur unterdurchschnittlich um 10,5 Prozent zugelegt. Besonders schwach entwickelten sich die deutschen Ausfuhren von Kfz-Teilen. Grund dafür ist, dass sich die britische Automobilproduktion im schwächsten Produktionsjahr seit 1992 nur äußerst langsam vom Einbruch in der Coronapandemie und den anhaltenden Lieferengpässen erholt. 

Deutschlands Warenaußenhandel mit dem Vereinigten Königreich 2022

Handelspartner

in Mrd. Euro (unbereinigt)

nominale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %

nominale Veränderung in % auf Basis der saison- und kalenderbereinigten Daten

Ausland gesamt

3.068,4

18,8

19,0

Vereinigtes Königreich

111,0

14,1

14,4

  davon deutsche Importe

37,5

16,4

16,7

  davon deutsche Exporte

73,4

13,0

13,3

Quelle: Berechnungen von Germany Trade & Invest auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamts 2023

 

Der unklare wirtschaftspolitische Kurs nach dem Brexit und die Regierungskrise von 2022 erschweren den Erholungskurs des Landes nach der Coronapandemie zusätzlich. Noch immer hat das Königreich das wirtschaftliche Vor-Krisen-Niveau von 2019 nicht überschritten. Auch die Industrieproduktion verharrt im November 2022 noch 2,5 Prozent unter dem Niveau von vor dem Coronaschock. 

Eine Trendwende ist weiterhin nicht in Sicht. Laut Internationalem Währungsfonds wird die britische Wirtschaft 2023 um 0,6 Prozent schrumpfen. Der angekündigte, aber noch nicht konkretisierte Deregulierungskurs droht den britisch-europäischen Handel zu verteuern. Dies zeigen bereits die mehrmals kurzfristige Verlängerung der Anerkennung des CE-Kennzeichens oder die hohe Doppelbelastung durch UK REACH-Registrierungen für importierte Chemikalien. Zu den drängendsten Problemen gehören auch die hohen Hürden, Kosten und der bürokratische Aufwand bei der Entsendung von Mitarbeitern auf die Insel. Selbst die schrittweise Einführung der Zollkontrollen ist auf der britischen Seite noch nicht abgeschlossen.

Handelskammern fordern Einigung bei Nordirland-Protokoll

Der Druck auf eine Nachbesserung des britisch-europäischen Freihandelsabkommens ist auf beiden Seiten des Ärmelkanals deutlich gewachsen. In einer Umfrage der British Chamber of Commerce (BCC) beklagten Ende 2022 mehr als drei Viertel der Mitgliedsunternehmen, dass das Abkommen den Handel nicht leichter gemacht habe. Über die Hälfte schafft es nicht, ihr Geschäft an die neuen Handelsbedingungen anzupassen. Die britische Handelskammer verlangt deshalb eine Wiederannäherung an die Europäische Union (EU) mit Erleichterungen für Mittelständler beim Lebensmittelexport oder mit einer verlängerten Anerkennung des CE-Kennzeichens über 2024 hinaus. Die BCC fordert außerdem eine zügige Einigung im Konflikt um die Anwendung des Nordirland-Protokolls (NIP).

Ähnliche Stimmen sind auch auf deutscher Seite hörbar. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderte die Bundesregierung zum dritten Brexit-Jubiläum auf, sich für eine NIP-Einigung einzusetzen, um den Weg für eine verbesserte Partnerschaft mit dem Königreich freizumachen. Laut DIHK sollte das Vereinigte Königreich ein Veterinärabkommen mit der EU schließen und im Freihandelsabkommen die Grundlage für "eine institutionelle Zusammenarbeit im Bereich Sanktionen und Exportkontrollen" schaffen. 

Große Bedeutung des britischen Markts für deutsche Außenwirtschaft

Auch wenn die Handelsbeziehungen mit dem Königreich schwieriger geworden sind, bleibt die britische Insel ein wichtiger außenwirtschaftlicher Partner Deutschlands und der EU. Zunehmende geopolitische Risiken in der Welt machen die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt an der Türschwelle zur EU zu einem wichtigen Handelspartner.

Trotz der Verschiebungen im deutschen Handelspartnerranking ist das Vereinigte Königreich außerdem das drittgrößte Zielland deutscher Nettoexporte. Damit trägt ein erfolgreiches Exportgeschäft deutscher Unternehmen auf der Insel maßgeblich zum außenwirtschaftlichen Erfolg Deutschlands bei.

Konkrete Marktchancen für deutsche Unternehmen bestehen im wachsenden Offshore-Windenergiesektor, auf dem privaten Gesundheitsmarkt, der von den Engpässen des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS profitiert, und im Infrastrukturbau.

Wichtigste deutsche Exportgüter in das Vereinigte Königreich 2023
Anteil und Veränderung in Prozent
Güterkategorie

Volumen (in Mrd. Euro) 1)

Anteil

Nominale Veränderung gegenüber 2022

Gesamt

78,3

100,0

6,2

Pkw 2)

14,5

18,5

24,6

Kfz-Teile 3)

3,7

4,7

6,5

Industriemaschinen 4)

11,3

14,4

7,9

Elektronik und Elektrotechnik 5)

7,4

9,5

3,2

Chemische Erzeugnisse (exklusive Pharma) 6)

6,8

8,7

-10,2

1 unbereinigte Daten; 2 SITC-781; 3 SITC-784; 4 SITC-71-74; 5 SITC-75-77; 6 SITC-5./.54.Quelle: Berechnungen von Germany Trade & Invest auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamts 2024

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