Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Special China

Chinesischer Staat bereitet Nährboden für Tech-Start-ups

Chinas Start-up-Szene ist seit 2014 buchstäblich explodiert. Heute zählt sie zu den stärksten weltweit – nicht ohne Grund. Genährt wird die Start-up-Kultur im Land aus Technologiebegeisterung und Internetgiganten, konfuzianisch geprägtem Unternehmertum, zahlreichen Tech-Talenten, hoher Risikobereitschaft und enorm viel Risikokapital. Bereitgestellt wird es von der Privatwirtschaft sowie vom Staat. Denn dessen umfassende staatliche Innovations- und Hightechstrategie, die China bis 2049 zur Technologieführerschaft in vielen Bereichen bringen will, überlässt wenig allein marktwirtschaftlichen Kräften. "Venture Communism" - unternehmerischer Kommunismus - betitelte 2016 die New York Times dieses Phänomen. Es trägt zum Start-up-Erfolg, aber auch zur Überhitzung des Sektors im Land bei.

Innovationszentren als Erfolgsrezept

Bereits früh legte die Regierung die Grundlagen zur Stärkung der Innovationsfähigkeit und damit letztlich die der heutigen Start-up-Szene. Ein wesentlicher Pfeiler war und ist bis heute das Torch-Program, Fackelprogramm, unter dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MoST). Im Jahr 2018 feierte es 30-jähriges Bestehen. In seinem Rahmen entstanden bis Ende 2017 landesweit 156 Hightechzonen sowie der Suzhou Industrial Park. Rund 45 Prozent aller Unternehmensinvestitionen in Forschung und Entwicklung fanden 2017 innerhalb dieser Zonen statt und 46 Prozent aller nationalen Erfindungspatente wurden an Firmen erteilt, die sich dort niedergelassen hatten.

Jeden Tag werden allein in den Hightechzonen rund 1.000 neue Firmen registriert. Die meisten dürften Start-ups sein. Als Leuchtturm und Chinas Antwort auf das amerikanische Silicon Valley gilt der Hightechpark Zhonguancun im Universitätsbezirk Haidian der Hauptstadt Beijing. Hinzu kommen 115 nationale Forschungsparks der führenden Universitäten.

Wer sich in diesen Zonen oder Parks niederlässt, qualifiziert sich häufig für Steuervergünstigungen als Hightechunternehmen (Reduzierung der Körperschaftssteuer auf 15 Prozent), für erhöhte Forschungs- und Entwicklungsausgaben oder für Gelder im Rahmen marktorientierter Wissenschaftsprojekte des MoST. Stärker als zuvor hat China seit 2015 sein Innovationssystem auf strategisch wichtige Industriebereiche wie Elektromobilität, Biotechnologie, moderne Informations- und Kommunikationstechnologie, Big Data oder künstliche Intelligenz (KI) ausgerichtet. Insgesamt benennt das Modernisierungsprogramm "Made in China 2025" zehn strategische Bereiche. Für die meisten wie beispielsweise KI, Robotik oder Big Data gibt es spezielle Industrieförderpolitiken.

Vor allem bei KI sehen Experten chinesische Start-ups vorne. Bereits 2017 schob sich China bei Patentanmeldungen in der KI an den USA vorbei; ebenso bei Blockchain. Allein 48 Prozent des weltweit in KI investierten Risikokapitals (USA: 38 Prozent) floss 2017 nach China. Für die Entwicklung dieser strategischen Bereiche spielen Start-ups eine wichtige Rolle.

Tausende Inkubatoren und Acceleratoren

Genährt und unterstützt werden diese auch durch landesweit inzwischen über 4.000 Technology Business Incubators (TBI) auf nationaler und regionaler Ebene. Über die Hälfte liegt in den Hightechzonen. Hinzu kommen nochmals rund 5.700 MakerSpaces, die 2017 laut Torch High Tech Industrial Development Center des MoST (THTIDC) allein rund 182.500 Start-ups unterstützt haben, sowie Acceleratoren. Bis 2020 soll die Gesamtzahl in den drei Bereichen 10.000 erreichen, wie im 13. Fünfjahresprogramm 2016 bis 2020 formuliert wird. Bereits jetzt sieht die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua China weltweit an der Spitze.

Auch bei der Bereitstellung von Risikokapital überlässt der Staat im Sinne des "Venture Communism" nichts dem Zufall, sondern mischt mit staatlichen Venture Capital Guidance Fonds kräftig mit, um Risikokapitalinvestitionen (Venturecapital) in Technologie orientierte Start-ups zu fördern: Durch Beteiligungen an Venturecapitalfirmen, Koinvestitionen mit privaten Venturecapitalfirmen sowie Risikoabsicherung von Venturecapitalfirmen. Nach Darstellung der Financial Times vom Dezember 2018 hat die Regierung auf diese Weise tausende - auch private - Venturecapitalfunds mit rund 1,8 Billionen US-Dollar (US$) ausgestattet und damit auch zur Marktverzerrung beigetragen.

Für Investitionen in Hightech-Start-ups in der Seed- beziehungsweise Frühphase können Venturecapitalfirmen zudem ihre Besteuerungsgrundlage um 70 Prozent verringern. Seit dem 1.Januar 2019 sind reduzierte Steuersätze für Partner von Singe-Investment-Fonds hinzugekommen – eine zuvor teilweise bereits von lokalen Steuerbüros eingesetzte Praxis. Ende 2017 registrierte das THTIDC insgesamt knapp 2.300 Venturecapitalinstitutionen. Regulatorische Unsicherheiten sowie eine Abkühlung des Wirtschaftsklimas brachte im Laufe 2018 jedoch für einige Firmen das Aus.

Nach rund 67 Milliarden US$ im Jahr 2017 wurden in China nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Preqin 2018 über 100 Milliarden US$ investiert – ein neuer Rekordwert. Sowohl Investitionssumme als auch Anzahl der Deals fielen im 2. Halbjahr 2018 jedoch von Quartal zu Quartal. Für 2019 dürfte aufgrund schwächerer Wirtschaftskonjunktur sowie des andauernden Handels- und Technologiekonflikts zwischen China und den USA eine weitere Abkühlung anstehen.

 

Tech-Giganten sorgen für Risikokapital

 

Für die Versorgung der Start-ups mit Risikokapital spielen Chinas etablierten Tech-Riesen Baidu, Alibaba und Tencent (Kurz: BAT) eine immer größere und fast schon dominierende Rolle. Dabei entfällt der Löwenanteil auf Alibaba und Tencent. Gemäß der Start-up-Datenbank IT Juzi war BAT Mitte 2018 an über der Hälfte der chinesischen Unicorns (Start-ups mit über 1 Milliarde US$ Unternehmensbewertung) beteiligt und an vier von fünf Unicorns, die mit über 5 Milliarden US$ bewertet wurden. Tendenziell gelten jedoch einige Start-ups im internationalen Vergleich als überwertet.

 

Damit versorgen die finanzstarken Internetgiganten Chinas Start-up-Szene einerseits mit Risikokapital. Andererseits wird es für erfolgsversprechende Start-ups immer schwieriger, sich einer BAT-Beteiligung gerade in späteren Finanzierungsrunden zu entziehen. Tendenziell verschiebt sich in den letzten Jahren der Börsengang als Exitstrategie nach hinten. Dabei versucht China, den Gang an eine chinesische Börse für Unicorns in den Sektoren Internet, KI, Umweltschutz und Biotechnologie zu vereinfachen und attraktiver zu machen. Gleichzeitig hofft es, durch die Einführung von China Depository Receipts und vereinfachten und beschleunigten Verfahren einige der in den USA an der Börse notierten chinesischen Tech-Giganten zurück an heimische Börsen zu bringen.


Text: Corinne Abele

Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.