Die Krise trifft viele Wirtschaftszweige in Spanien. Die Industrie erholt sich schneller als Teile des Dienstleistungssektors. (Stand: 21. Januar 2021)
Eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG im Juli 2020 ergab, dass von den befragten Unternehmen nur 10 Prozent ihren Umsatz nicht durch die Pandemie betroffen sahen. Für die kommenden zwölf Monate bis Mitte 2021 gingen 28 Prozent davon aus, das Vorkrisenniveau wieder erreichen zu können. Für 42 Prozent der Befragten ist dies erst 2022 in Sicht; 20 Prozent erwarten, dass ihr Unternehmen erst nach 2022 wieder an die Vorkrisen-Umsätze anknüpfen kann.
Industrieproduktion wieder nah am Vorjahresniveau
Die meisten Wirtschaftsindikatoren weisen von Monat zu Monat starke Schwankungen auf. Eine einheitliche Erholung ist noch nicht zu erkennen. Die Industrie sendet insgesamt ein positives Signal. Im Oktober lag der kalenderbereinigte Index der Industrieproduktion um 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Ende Dezember 2020 waren 3,86 Millionen Spanier arbeitslos. Circa 755.600 waren von der wieder zunehmenden Kurzarbeit betroffen. Annähernd 350.000 Selbstständige erhielten darüber hinaus eine staatliche Sonderunterstützung, weil sie ihre wirtschaftlichen Aktivitäten einstellen mussten.
Mittlerweile zeigt sich, dass in der Hotellerie und Gastronomie sowie dem Handel die verfestigten Schwerpunkte der Kurzarbeit liegen. Ein neues Hilfspaket im Gesamtwert von 4,22 Milliarden Euro konzentriert sich auf Kredite, reduzierte Geschäftsmieten und Aufschübe bei Steuerzahlungen. Von Branchenvertretern erhoffte Direktzuschüsse beschloss die Regierung im Dezember 2020 nicht. Die Aussichten bleiben ungünstig. Vor diesem Hintergrund wurden die Kurzarbeitsregelungen bis Ende Mai 2021 verlängert.
Pkw-Inlandsmarkt soll 2021 wieder wachsen
Die Kfz- und Kfz-Teileindustrie in Spanien kommt langsam aus der Krise. Nach einem Zwischenhoch im Sommer blieben die Verkäufe im Inland zwar unter dem Niveau der Vorjahresmonate zurück. Die Wirtschaftszeitung Expansión berichtete im Dezember 2020 jedoch von einer inoffiziellen Schätzung, nach der die Neuzulassungen 2021 um 20 Prozent steigen werden. Da wichtige Zielmärkte für spanische Kfz Anfang 2021 unter massiven Einschränkungen aufgrund der Pandemie litten, ist die weitere Entwicklung der Exporte hingegen ungewiss.
Übernachtungszahlen weiterhin dramatisch niedrig
Der Tourismussektor im weiteren Sinne gehört zu den am härtesten betroffenen Dienstleistungsbereichen. Im Herbst entfernte sich die Auslastung noch weiter vom Vorjahresniveau. Im Oktober brach die Zahl der Hotelübernachtungen gegenüber dem Vorjahresmonat um 83,3 Prozent ein. Der November fiel mit minus 84,5 Prozent noch schlimmer aus.
Viele Hotels versuchen, durch neue Angebote ihre Auslastung kurzfristig zu steigern. Der angeschlagene Hotelsektor weckt vermehrt das Interesse von Investoren. Während viele Tourismusunternehmen Liquidität benötigen, hoffen Fonds und andere Investoren auf günstige Geschäftsmöglichkeiten.
Ein von der Regierung verkündetes Hilfsprogramm für die Tourismusbranche (mit 2,5 Milliarden Euro garantierten Krediten und 859 Millionen Euro zur Innovationsförderung in der Branche) wirkt angesichts der Milliardenverluste im Sektor eher bescheiden dimensioniert. Auch ein zweites Maßnahmenpaket vom Dezember 2020 mit Mietreduzierungen, Steuerstundungen und neuen Krediten wurde von Branchenvertretern verhalten aufgenommen.
Der Fachverband Exceltur rechnete mit einem Rückgang der kumulierten Inlands- und Auslandstourismuseinnahmen von 99 Milliarden Euro für 2020. Mit einer Erholung des Sektors ist laut Medienberichten am schnellsten beim Strandurlaub auf dem Festland und den Inseln zu rechnen. Anfang 2021 gab es aber noch keine Anzeichen, dass sich die Lage im ersten Quartal bereits bessern könnte.
Bauwirtschaft setzt auf Wohnungen und Infrastruktur
Die im Frühjahr eingeschränkte Bautätigkeit belebt sich. Nachdem die Bauinvestitionen im 2. Quartal 2020 um 27,7 Prozent nachgegeben hatten, verzeichneten sie im 3. Quartal noch einen Rückgang um 15,2 Prozent. Der vom Industrieministerium ermittelte Zementverbrauch lag kalenderbereinigt im November 2020 um 3,8 Prozent über dem Wert von November 2019.
Auf mittlere Sicht versprechen Infrastrukturprojekte und der Bedarf an mehr Wohnungen sowie Logistikgebäuden positive Zahlen. Spaniens großen Bau- und Infrastrukturkonzernen gelingt es außerdem, zahlreiche Aufträge und Konzessionen im Ausland an Land zu ziehen. Damit können sie sich unabhängiger von der Entwicklung in Spanien machen.
Einzelhandelsumsätze noch unter dem Vorjahresniveau
Die Verkäufe im Einzelhandel lagen seit dem Sommer 2020 nur noch geringfügig unter dem Vorjahresniveau. Im Oktober verzeichnete der arbeitstäglich bereinigte Index des Statistikamtes ein Minus von nur noch 2,3 Prozent. Der November brachte mit minus 5,1 Prozent jedoch einen Rückschlag.
In einem unsicheren wirtschaftlichen und Arbeitsmarktumfeld leidet das Verbrauchervertrauen. Laut der Europäischen Kommission lag dieses im Dezember 2020 um 23,1 Punkte unterhalb des Niveaus von Dezember 2019.
Viele spanische Verbraucher sparen aufgrund unsicherer Aussichten mehr und kürzen ihre Ausgaben. So werden weniger Speisen und Getränke auswärts konsumiert als vor der Krise üblich. Die Wirtschaftszeitung Cinco Días wies zu Weihnachten 2020 darauf hin, dass die Sparquote wesentlich höher als die weniger gearbeiteten Stunden und die Einkommensverluste sei. In einem stabileren wirtschaftlichen Umfeld und ohne die Restriktionen zur Pandemiebekämpfung besteht die Chance, dass manche aufgeschobenen Ausgaben nachgeholt werden.
Die Lage des Textil- und Bekleidungshandels bleibt kritisch. In den ersten elf Monaten des Jahres 2020 blieb der Umsatz laut der Wirtschaftszeitung Cinco Días um 40,5 Prozent hinter dem Vorjahreszeitraum zurück. Nach Einbußen zwischen 70 und 90 Prozent in den Monaten März bis Mai zeichnete sich im Juni und Juli eine Verbesserung ab. Zwischen August und November lag das Minus dann wieder zwischen 33 und 37 Prozent. Auch Rabatte und der "Black Friday" konnten die Umsatzsituation nicht verbessern.
Von Oliver Idem
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Madrid