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Der Fokus des spanischen Aufbauplans liegt auf innovativer Mobilität, baulichen Modernisierungen und mehr Digitalisierung. Bei der Umsetzung ist der Zeitplan schwer einzuhalten.
20.09.2022
Von Oliver Idem | Madrid
Spaniens nationaler Aufbau- und Resilienzplan wurde im Juni 2021 von der Europäischen Union (EU) genehmigt. Er setzt im Einklang mit den europäischen Zielen auf einen klimafreundlichen Umbau und die weitere Digitalisierung des Landes. Zu derzeit elf Förderschwerpunkten hat die Regierung Maßnahmen in Strategieprojekten gebündelt.
Mit den Fördermitteln verbindet die Regierung die Chance, die öffentlichen Investitionen in Spanien wieder anzukurbeln. Diese betrugen 2019 laut Eurostat 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Durchschnitt gaben die EU-Mitgliedsstaaten 3 Prozent für Investitionen aus.
Spanien erhält mit 77,2 Milliarden Euro Direktzuschüssen so viele Mittel wie kein anderes Land der EU. Die Neuberechnung im Juni 2022 ergab eine um 11 Prozent höhere Fördersumme als zuvor. Die jüngste Wirtschaftsentwicklung bildete die Grundlage für die neue Kalkulation. Wie die zusätzlichen Milliarden verteilt werden, war Anfang September 2022 noch nicht festgelegt.
Bis Mitte 2022 flossen bereits 31 Milliarden Euro im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität nach Spanien. Der Aufbau- und Resilienzplan erfordert durch einen kurzen Planungshorizont und aufwendige Vorbereitungen sowohl Schnelligkeit als auch Gründlichkeit. Zudem beschäftigen die Inflation, die Energiesituation und der Ukrainekrieg parallel die Regierung und binden Ressourcen.
Hinsichtlich der Verwendung der Zuschüsse stammen die aktuellsten Angaben von Ende Mai 2022. Damals errechnete das Finanzministerium, dass Investitionen von knapp 11,8 Milliarden Euro genehmigt wurden.
Der spanischen Zeitung El Mundo zufolge konnten jedoch im 1. Halbjahr 2022 nur 2,6 Milliarden Euro tatsächlich ausbezahlt werden. Trotz verstärkter Anstrengungen mangelt es der Verwaltung weiterhin an Personal, um den Plan schneller in die Tat umzusetzen. Einen Unsicherheitsfaktor bildet der wachsende Druck der EU-Kommission auf Spanien, eine Rentenreform umzusetzen. Ansonsten könnten die nächsten Tranchen der Hilfsgelder nur teilweise ausgezahlt werden.
Die Schwerpunkte des spanischen Aufbauplans beziehen sich auf die Gestaltung eines neuen Mobilitätssystems, das stark auf Elektromobilität basiert. Hierzu zählt auch der weitere Ausbau erneuerbarer Energien, die unter anderem zur Versorgung der Fahrzeuge dienen sollen.
Bei kleineren und mittleren Unternehmen sowie in der Verwaltung sind mehr digitale Elemente vorgesehen. Auch im Tourismus sollen moderne Anwendungen genutzt werden. Flankiert werden die Pläne von der Erweiterung digitaler Kompetenzen und dem breitflächigen Ausbau des 5G-Mobilfunks als technischer Basis.
Die Stärkung von Forschung und Innovationen zieht sich durch viele Sparten. Spanien verzeichnete vor der Coronakrise im europäischen Vergleich unterdurchschnittliche Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Zudem verfügen etwa 95 Prozent der Unternehmen über maximal 9 Beschäftigte. Das Wachstums-, Produktivitätssteigerungs- und Innovationspotenzial ist bei ihnen häufig begrenzt.
Investitionsschwerpunkt | Investitionssumme (in Milliarden Euro) |
---|---|
Modernisierung von Industrie, kleinen und mittleren Unternehmen und Tourismus | 16,1 |
Agenda für Stadt, Land und Landwirtschaft | 14,4 |
Infrastruktur und resiliente Ökosysteme | 10,4 |
Bildung und Wissen | 7,3 |
Energiewende | 6,4 |
Wissenschaft, Forschung, staatliches Gesundheitswesen | 5,0 |
Neue Pflegewirtschaft und Arbeitsmarktpolitik | 4,9 |
Modernisierung der staatlichen Verwaltung | 4,2 |
Impulse für Kulturindustrie und Sport | 0,8 |
Bei einigen Vorhaben reicht der Blick aber auch über die Grenzen Spaniens hinaus. Im Aufbauplan sind gemeinsame Aktivitäten mit Portugal, Frankreich und Italien aufgeführt. Gemeinsam mit Portugal sollen Projekte in den Bereichen grüner Wasserstoff, Wasser, Wertschöpfungsketten von Elektrofahrzeugen und digitaler Konnektivität umgesetzt werden.
Die Kooperation mit Frankreich erstreckt sich auf Cloud-Dienste und Supercomputer, die Herstellung von medizintechnischen Produkten und Hilfen für Start-ups. Zudem sollen der grenzüberschreitende Bahnverkehr ebenso wie die Stromtrassen zwischen beiden Ländern verbessert werden. Auch in der Telekommunikation, bei erneuerbaren Energien und im Automobilsektor stehen die Zeichen auf Kooperation.
Italien ist Partner für eine Kooperation bei Wasserstoff aus regenerativen Quellen ebenso wie bei der digitalen Transformation. Letztere bezieht sich auf künstliche Intelligenz und eine europäische Lösung für die Speicherung von Daten.
Absehbar ist bereits, dass die neue Aufstellung von Wirtschaft und Verwaltung für eine zusätzliche Nachfrage nach innovativen technischen Lösungen sorgen wird. Der Investitionsschwerpunkt Modernisierung und Digitalisierung von Industrie und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) verspricht einen erhöhten Ausrüstungsbedarf.
Etliche Vorhaben sind in Bereichen geplant, in denen KMU aus Deutschland über besondere Stärken verfügen. Dazu zählt der Ausbau der Elektromobilität ebenso wie die Sanierung von Wohngebäuden und städtischen Gebieten.
Besonders interessant dürfte der große Komplex aus erneuerbaren Energien und Speichertechnologien, intelligenter Strominfrastruktur und grünem Wasserstoff sein.
Die Digitalisierung von Landwirtschaft und Fischerei könnte ebenfalls Chancen eröffnen. Anknüpfungspunkte bietet auch der Schutz von Wasserressourcen. Spanien zählt zu den besonders stark von Wasserknappheit betroffenen Ländern in Europa.
Zur Erneuerung und dem Ausbau des staatlichen Gesundheitswesens sind unter anderem Investitionen in Medizintechnik erforderlich. Bereits in ihrem Koalitionsvertrag hatte die Regierung die Erneuerung von Ausrüstung im Gesundheitssystem festgeschrieben. Zudem sollen vermehrt digitale Lösungen eingesetzt werden, um die Effizienz zu steigern.
Im Zusammenhang mit der Digitalisierung liegen auch Akzente auf der künstlichen Intelligenz und Cybersicherheit. Sowohl in der Verwaltung als auch in Schulen und der Berufsausbildung sollen mehr digitale Elemente Einzug halten.
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