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Special Tschechische Republik

Tschechien: Fachkräfte werden knapp

Das drängendste Problem in Tschechien ist der Personalmangel. „Wir finden keine Arbeitskräfte mehr“, erklärt Uwe Hengstermann, Geschäftsführer bei Borgers CS. Der deutsche Kfz-Zulieferer produziert an vier Standorten im Land textile Verkleidungen für Fahrzeuge. Wegen der Flaute am Arbeitsmarkt musste das Unternehmen bereits Aufträge ablehnen. „Würden wir nochmals vor der Standortentscheidung stehen, dann wäre Tschechien unter den aktuellen Voraussetzungen nicht mehr unsere erste Wahl“, so Hengstermann.

Nach seiner Einschätzung führen die schnell steigenden Lohnkosten dazu, dass die Kostenvorteile gegenüber Deutschland gering seien. Unter anderem, weil die Firmen in Wohnraum oder Busverbindungen für die Beschäftigten investieren müssen. Wegen der Nähe zu wichtigen Abnehmern in der Automobilindustrie bleibt Borgers aber in Tschechien. Für 2018 plant das Unternehmen Millioneninvestitionen in die Automatisierung seiner tschechischen Werke.

Ähnliche Probleme hat das fränkische Logistikunternehmen Geis. „Es wird immer schwerer, Fachkräfte und Lkw-Fahrer zu rekrutieren“, sagt Thomas Gaßmann, Geschäftsführer von Geis CZ. Bislang sei die Verfügbarkeit gut qualifizierter Arbeitskräfte ein Standortvorteil gewesen. Das ändere sich jetzt ins Gegenteil. Dennoch expandiert Geis in Tschechien. „Wir sehen hier großes Wachstumspotenzial. Gerade die deutsche Wirtschaft investiert stark, sodass Bedarf für Logistikdienstleistungen entsteht“, so Gaßmann.

Zu den Vorteilen des Marktes gehörten die günstigen Steuersätze und die Möglichkeit, Fördermittel für Investitionen zu beantragen. Zu den Negativfaktoren zählt Gaßmann die nachlassende Qualität der Infrastruktur („Polen und die Slowakei haben hier mächtig aufgeholt“) und die teilweise schwerfällige Bürokratie, besonders bei Baugenehmigungen.

Bei der jährlichen Konjunkturumfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer nennen deutsche Unternehmen als beste Standortfaktoren regelmäßig die EU-Mitgliedschaft sowie die Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer. Bei der Umfrage im Frühjahr 2017 kamen die Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik und die Zahlungsdisziplin als Pluspunkte hinzu. Erstmals nicht mehr unter den positiven Faktoren war die Verfügbarkeit von Fachkräften. Der Personalmangel ist ein Standortnachteil neben dem praxisfernen Berufsbildungssystem, der unzureichenden Transparenz der öffentlichen Vergabe, dem Steuersystem und den Finanzbehörden sowie der mangelnden Bekämpfung von Korruption und Kriminalität.

Im Global Competitiveness Report des World Economic Forum (WEF) ist Tschechien neben Estland die bestplatzierte Volkswirtschaft im Osten Europas. Im Index für 2017/18 rangiert das Land wie in den beiden Vorjahren auf Platz 31. Die anderen Visegrad-Staaten Polen (39), Slowakei (59) und Ungarn (60) schneiden schlechter ab.

Gute Noten vergibt das WEF zu Recht an Tschechien für das positive makroökonomische Umfeld, den stabilen Finanzmarkt und die Hochschulausbildung. Besonders kritisiert werden der Gesetzesrahmen für Streitbeilegung, die fehlende Transparenz politischer Entscheidungsprozesse und die komplizierten Regelungen für die Beschäftigung von Arbeitskräften.


WEF-Länderrating 2017 bis 2018, Tschechische Republik (wirtschaftlicher Rang von insgesamt 137 Ländern)

Kriterien 1)

Tschechische Republik

Deutschland

Gesamtrang

31

5

1 Institutionen 2)

52

21

2 Infrastruktur

49

10

3 Gesundheit und Grundbildung

23

13

4 Höhere Bildung und Ausbildung

27

15

5 Effizienz der Gütermärkte 3)

38

11

6 Effizienz des Arbeitsmarkts

41

14

7 Entwicklung des Finanzmarkts 4)

23

12

8 Qualität des Geschäftsumfeldes

30

5

9 Korruption 5)

47

10

1) bewerten unter anderem; 2) Eigentumsrechte, Unabhängigkeit der Justiz, Auditierung; 3) benötigte Zeit für die Unternehmensgründung, Wettbewerbsintensität, Besteuerung, Zollvorschriften; 4) Beschränkungen der Kapitalströme; 5) Rang (von 176 Ländern) bei Transparency International (TI)
Quellen: World Economic Forum - Global Competitiveness Report; Transparency International


Text: Gerit Schulze

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