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Ägypten wird einen der größten Windparks der Welt bauen

In Ägypten grassiert die Inflation und der Staat ist hoch verschuldet. Es herrschen überall Sparzwänge, außer bei der Windkraft.

Von Sherif Rohayem | Kairo

Als Ägypten im vergangenen Jahr die COP27 im Badeort Scharm El Scheich austrug, füllte sich am Rande der Klimakonferenz der Vereinten Nationen die Pipeline geplanter Windkraftprojekte mit insgesamt 30 Gigawatt (GW). Es handelte sich jedoch lediglich um Absichtserklärungen, deren Realisierung viele Fragen aufwirft – hauptsächlich nach potenziellen Abnehmern und der entsprechenden Finanzierung.

Windpark mit 10 Gigawatt soll in Oberägypten entstehen

Ein knappes Jahr später verdichten sich nun die Hinweise, dass bei einem Projekt konkrete Schritte folgen. Wie fast immer in Ägypten handelt es sich um ein Vorhaben der Superlative. Sollte der geplante Windpark des Konsortiums unter Führung von Masdar in Betrieb gehen, wäre dieser mit einer installierten Kapazität von 10 GW einer der größten weltweit. Laut einer Pressemeldung von Anfang Juni 2023 hat die für erneuerbare Energien zuständige Behörde in Ägypten, die New and Renewable Energy Authority (NREA), dem Energieunternehmen aus Abu Dhabi sowie den beiden ägyptischen Partnern, Inifinity und Hassan Allam, hierfür ein Grundstück in Sohag zugeteilt. Die Stadt liegt in Oberägypten, das zu den strukturschwachen Gegenden des Landes zählt und wohl bald mit einem Entwicklungsschub rechnen darf.

Investitionssumme beläuft sich auf 10 Milliarden US-Dollar

Auf Nachfrage erklärt der Ägypten-Vertreter eines deutschen Anlagenbauers, dass die Umsetzung des Megaprojekts ernst zu nehmen sei. Der Stromabnahmepreis beliefe sich auf 2,84 US-Cent pro Kilowattstunde. Dies sei ein sehr guter Preis – für die Betreiberin der Windanlage, aber auch die ägyptische Regierung als Abnehmerin. Sie habe mit Masdar einen Stromabnahmevertrag über 20 Jahre geschlossen. Aufgrund dieses Abnahmevertrages ist auch die Finanzierung sichergestellt, die mit geschätzten Investitionen von 10 Milliarden US-Dollar (US$) zu Buche schlägt.   

Einen solchen Betrag wird Ägypten nicht aufbringen können. Allein im 1. Quartal 2023 stiegen die externen Schulden um 2,43 Milliarden auf insgesamt 165,4 Milliarden US$. Die Auslandsverschuldung ist hoch vor dem Hintergrund eines Bruttoinlandsproduktes von circa 400 Milliarden US$. Zugleich hat das Land beträchtliche Überkapazitäten an Strom: Einer installierten Stromerzeugungskapazität von 59 GW steht eine Spitzenlast von lediglich 33,8 GW gegenüber. Für den eigenen Bedarf benötigt Ägypten all diesen neuen Strom nicht – auch nicht in Zukunft.

Deshalb ist der politische Wille der ägyptischen Entscheider, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern, sehr überschaubar. Das zeigt nicht zuletzt der Stromabnahmepreis des Masdar-Projekts von unter 3 US-Cent. Dieser ist vergleichsweise niedrig, für die Betreiberin wegen der geringen Erzeugungskosten gleichwohl profitabel. Das liegt vor allem an den Skaleneffekte eines solchen Großprojektes sowie an den guten naturräumlichen Bedingungen, die vor Ort herrschen.

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Energiepartnerschaft zwischen Ägypten, Deutschland und der EU

Dagegen ist in Deutschland und der EU der politische Wille, Ägypten beim Ausbau der Erneuerbaren zu unterstützen, stärker ausgeprägt. Denn zusammen mit den Maghreb-Staaten bildet das Land am Nil aus deutscher und europäischer Sicht einen wichtigen Baustein für die grüne Wende und seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine auch für die Zeitenwende. In diesem Zusammenhang steht auch die Energiepartnerschaft, die Kairo im vergangenen Jahr mit Brüssel eingegangen ist und ausweislich der Absichtserklärung aus dem selben Jahr auch mit Berlin avisiert. Die geplanten Partnerschaften sehen vor, dass Ägypten zunächst Flüssigerdgas, sogenanntes LNG, künftig aber grünen Strom und grünen Wasserstoff nach Europa und Deutschland exportiert.

Was den Transport des grünen Stroms angeht, gibt es zahlreiche Stromtrassen-Projekte in verschiedenen Phasen der Umsetzung. Die als Interkonnektoren bezeichneten Leitungen sollen durch das Mittelmeer verlegt werden, jeweils in Griechenland und in Zypern anlanden und so das ägyptische in das europäische Stromnetz integrieren.

Für den Ausbau von grünem Wasserstoff fehlt ein rechtlicher Rahmen

Eine Industrie für grünen Wasserstoff steckt in Ägypten noch in ihren Anfängen. Zwar summieren sich die Absichtserklärungen für entsprechende Projekte mittlerweile auf zweistellige Gigawatt- und dreistellige Milliardenbeträge, es gibt jedoch erst ein Pilotprojekt von Orascom aus Ägypten und Scatec aus Norwegen. Von diesem Vorhaben ging bis dato nur die erste Phase von lediglich 100 Megawatt in Betrieb. Für grüne Wasserstoffprojekte fehlt in Ägypten ein gesetzliches Regelwerk, das günstige Voraussetzungen und Anreize für Investitionen setzt.

Ausländisches Geld in Milliardenhöhe für die Erneuerbaren

Für den grünen Strom, der für den grünen Wasserstoff notwendig ist, erhält Ägypten bereits jetzt finanzielle Unterstützung - unter anderem durch Klimafinanzierung. In Form von Zuschüssen und Darlehen fließt ein Betrag in Höhe von 10 Milliarden US$ in ein Projekt, bei dem Ägypten zwölf alte Gaskraftwerke mit einer Kapazität von 5 GW vom Netz nimmt und diese mit Wind- und Solarkapazitäten ersetzt. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung finanziert das Vorhaben im Rahmen des als Nexus of Water, Food and Energy bezeichneten Programms der ägyptischen Regierung. Deutschland wiederum erlässt Schulden in Höhe von 54 Millionen Euro. Im Gegenzug hat sich Ägypten verpflichtet, diesen Betrag in Projekte für grüne Energie zu investieren. Kommt bei so einem Projekt ein deutsches Unternehmen zum Zug, nennt man das in Ägypten "zwei Tauben mit einem Stein."

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