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Special Argentinien Krieg in der Ukraine

Argentinien leidet unter hohen Energiepreisen

Hohe Energiepreise durch den Ukrainekrieg belasten das Land. Chancen bietet der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Argentinien könnte zum Energiepartner für Europa werden.

Von Carl Moses | Buenos Aires

In Argentinien dürften sich die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs insgesamt in überschaubaren Grenzen halten. Kurzfristig gibt es jedoch negative Effekte: Betroffen ist Argentinien vornehmlich durch die Explosion der Rohstoffpreise, vor allem für Agrargüter und Energie.

Energie: Preisanstieg könnte zu Versorgungsengpass führen

Argentinien ist ein führender Lieferant von Agrargütern, gleichzeitig aber von Energieimporten abhängig. Der Nettoeffekt könnte leicht positiv für die Handelsbilanz ausfallen, wird aber mit Sicherheit negative Konsequenzen für den Staatshaushalt haben. Der Rohstoffpreisschock bringt überdies zusätzlichen Auftrieb für die galoppierende Inflation, die mit mehr als 50 Prozent 2022 auf die höchste Rate seit der Hyperinflation von 1989/90 zusteuert. Sanktionen gegen Russland hat Argentinien bisher nicht erlassen, es ist auch kaum damit zu rechnen.

Während Argentiniens Landwirtschaft von den hohen Agrarpreisen profitiert, könnte der Anstieg der Öl- und Gasrechnung vor allem für den Finanzminister zum Problem werden. Der mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Abbau der Energiesubventionen dürfte dadurch noch schwerer werden. Die Subventionen halten bisher den Preis für Endverbraucher niedrig. Zudem drohen Engpässe in der Energieversorgung, weil möglicherweise Devisen für die nun wesentlich teureren Energieimporte vor allem von Flüssiggas (LNG) fehlen werden. Für Argentinien könnte es schwer werden, auf dem enger werdenden LNG-Markt gegen andere, zahlungskräftigere Abnehmer zu konkurrieren.

Ein klimafreundlicher Energiepartner für Europa

Im Zuge der Abkopplung des Westens von Russland könnte Argentinien als Energiepartner für Deutschland und Europa an Bedeutung gewinnen - so wie auch schon im Rahmen der Energiewende zum Schutz des Klimas. Aufgrund der hervorragenden Wind- und Solarressourcen wird grüner Wasserstoff in Zukunft an kaum einem anderen Ort in der Welt so kostengünstig produziert werden können, wie in Argentinien und anderen Ländern Südamerikas, kalkulieren Experten.

Um Argentinien als Partner für den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft zu qualifizieren, sind allerdings im Land selbst noch viele Weichen zu stellen. Ein neues Wasserstoffgesetz ist in Vorbereitung, kommt jedoch nicht gerade mit Hochdruck voran. Die Wasserstoffindustrie müsste durch besondere gesetzliche Garantien von den Verwerfungen der argentinischen Gesamtwirtschaft so gut wie möglich abgekapselt werden. Nur so wären die Risiken für private und ausländische Investoren akzeptabel.

Solche Regeln scheinen zunächst jedoch eher für die Förderung fossiler Energie Chancen zu haben. Argentinien dürfte alles daran setzen, die Förderung seiner riesigen Schiefergasreserven hochzufahren, wie ein eiliger Besuch des argentinischen Wirtschaftsministers im US-amerikanischen Ölmekka Houston andeutete. Ein Förderregime für Öl- und Gasinvestitionen ist offenbar in Vorbereitung.

Infrastruktur für Öl- und Gastransport benötigt

Um eine erhöhte Gasproduktion abtransportieren zu können - sei es für den Binnenkonsum oder für den Export - wäre zuvor in jedem Fall ein Ausbau der Infrastruktur erforderlich. Es fehlt an Pipelines, Hafenterminals und Gasverflüssigungsanlagen. Argentinien plant auch den Ausbau der Offshore-Förderung von Öl und Gas. Neue Gebiete vor der Küste der Provinz Buenos Aires sind zur Exploration freigegeben.

Die Landwirtschaft profitiert von den hohen Exportpreisen, leidet aber auch unter steigenden Produktionskosten, weil Düngemittel und Dieselkraftstoff teurer oder knapp werden. Weitere Ertragseinbußen drohen. Im laufenden Erntejahr verursacht bereits das Klimaphänomen La Niña außergewöhnliche Trockenheit. Die Regierung reagiert mit einer weiteren Verschärfung von Preis- und Exportkontrollen auf die Veränderung der relativen Preise. Die Exportsteuern auf Sojaöl und -mehl hat sie erhöht. Das könnte die auch aus globaler Sicht eigentlich wünschenswerte Erhöhung der Produktion von Agrargütern in Argentinien hemmen.

Düngerproduktion hat Potenzial

Die Engpässe auf dem Düngermarkt könnten ein vor zehn Jahren gestartetes, bald darauf aber abgebrochenes Großprojekt für die Produktion von Kaliumchlorid in Mendoza wiederbeleben (Potasio Río Colorado). Betreiber war damals der brasilianische Bergbaukonzern Vale. Derzeit sucht die Provinz Mendoza neue Partner für die Reaktivierung des Projekts.

Russland bietet Impfstoff und Bahntechnik

Argentiniens Außenhandel mit Russland ist mit etwa 1 Prozent des gesamten argentinischen Warenhandels nicht sehr bedeutend. Die Ukraine spielt nahezu gar keine Rolle. Auch als Quelle von Investitionen sind beide Länder bisher kaum aufgetreten. Der Warenaustausch mit Russland betrug 2021 rund 1,3 Milliarden Dollar bei einer etwa ausgeglichenen Bilanz von Ein- und Ausfuhren. Russland kauft Nahrungsmittel und liefert vornehmlich Dünger und Impfstoff.

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Bei der Impfung gegen Covid-19 setzte Argentinien anfangs sehr stark auf den russischen Impfstoff Sputnik V, der inzwischen auch im Land produziert wird. Rund 20 Millionen Dosen Sputnik V wurden bereits verimpft, 9 Millionen Importdosen stehen noch aus. Welche Folgen der Krieg für diese Kooperation haben wird, ist noch nicht klar. Zuletzt wurde in Argentinien vornehmlich Moderna und Pfizer (Biontech) verimpft.

Russland unternahm zuletzt Anstrengungen, sich als Lieferant von Bahntechnik zu etablieren. Mit einigem Erfolg: Siemens und andere Anbieter unterlagen bei einer bedeutenden Ausschreibung für die Lieferung von elektrischen Zügen Anfang 2022 dem russischen Anbieter TMH. Auch für die Lieferung eines Atomkraftwerks lobbyiert Russland seit Jahren.

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