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Special | Argentinien | Klimaschutz im Dialog

Argentinien plant ein neues Wasserstoffgesetz

In einem Land mit 40 Prozent der Bevölkerung in Armut hat der Klimawandel keine Priorität. Große Chancen zur Dekarbonisierung sehen Experten aber durch Wasserstoff - grün und blau.

Von Carl Moses | Buenos Aires

Die Koordinierungsplattform PlataformaH2 Argentina wurde Ende 2020 von akademischen und nicht staatlichen Einrichtungen zusammen mit dem argentinischen Windenergieverband AAEE gegründet. Sie hat den Zweck, die Entwicklung von grünem Wasserstoff in Argentinien als Teil der Dekarbonisierung der Wirtschaft im Rahmen der Energiewende zu fördern. Schwerpunkte sind die Arbeit an einer Roadmap für Wasserstoff und die Vorbereitung eines Gesetzes zu Regulierung und Förderung der Wasserstoffwirtschaft in Argentinien.

Natalia-Catalano_RZ Natalia-Catalano_RZ | © Natalia Catalano, Repräsentantin der Universidad Tecnológica Nacional, Facultad Buenos Aires

Natalia Catalano (NC, oben) ist die Repräsentantin der Universidad Tecnológica Nacional, Facultad Buenos Aires (UNTBA), auf der PlataformaH2 Argentina. Die Ingenieurin koordiniert an der UTNBA den Studiengang für Wasserstoffprozesse und -wirtschaft.

Adriana-Katurchi_RZ Adriana-Katurchi_RZ | © Adriana Katurchi, Koordinatorin des Forschungszentrums für Energieregulierung an der Universität von Buenos Aires (UBA)

Adriana Katurchi (AK, unten) koordiniert die akademische Arbeit des Forschungszentrums für Energieregulierung an der Universität von Buenos Aires (UBA), das sie auch auf der PlataformaH2 Argentina vertritt.

Wie ernst ist die Klimaproblematik in Argentinien, und wie ist die öffentliche Wahrnehmung?

NC: Das Problem ist genauso ernst wie in anderen Ländern. Aber von größerem öffentlichen Interesse ist es nur, wenn etwas Außergewöhnliches passiert, wie die Waldbrände jüngst in der Provinz Corrientes. Außer bei den Kindern und Jugendlichen, die werden schon im Kindergarten und in der Schule sensibilisiert. Aber wenn Sie eine Armutsrate von 40 Prozent haben, bleibt das Umweltproblem in der sozialen Wahrnehmung auf einer anderen Ebene.

AK: Auch wenn Argentinien im Dezember 2020 zugesagt hat, seine Emissionen bis 2030 erheblich zu reduzieren, gibt es bisher nicht viele spezifische Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels. Wir sehen derzeit auch keinen systematischen Plan dafür. Wie Natalia sagt, in der aktuellen Situation des Landes ist das sehr schwierig.

Dann sprechen wir doch konkret über ihr Spezialthema Wasserstoff - was ist die Idee der PlataformaH2 Argentina, was streben Sie an?

NC: Das Hauptziel ist die Dekarbonisierung, und wir finden, dass Wasserstoff ein perfektes Element dafür ist. Darum streben wir an, dass grüner Wasserstoff in Argentinien entwickelt wird. Es gibt bereits ein paar Unternehmen, die auf sehr kleiner Skala daran arbeiten. Wir leisten Vorarbeit für eine nationale Reglementierung. Außerdem arbeiten wir an dem politischen Gesamtkontext für eine Staatspolitik zur Entwicklung von grünem Wasserstoff - nicht nur für den Export, sondern auch für den inländischen Verbrauch.

Die Plattform hat ja schon einen Gesetzentwurf für ein neues Wasserstoffgesetz vorgelegt. 

NC: Ja, der wurde bereits im Parlament eingebracht. Wir haben den Wind und die Sonne, auch die notwendigen Flächen für grünen Wasserstoff. Wir sind auch offen für blauen Wasserstoff, aber nur wenn er mit wirklich sehr niedrigen Emissionen verbunden ist. Das wäre dann eine Möglichkeit für den Übergang. (Anmerkung der Redaktion: Argentinien verfügt über große Gasreserven)

AK: Wir versuchen, das Gesetz mit möglichst allen Stakeholdern abzustimmen, damit wir einen sicheren Rechtsrahmen für die Unternehmen bekommen, auch was die Fördermaßnahmen angeht.

Deutschland und seine Unternehmen stehen in den Startlöchern. Wir kennen ja das Potenzial Argentiniens. Aber wann wird es die politischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Investitionen geben?

AK: Wir hoffen, dass das Gesetz in diesem Jahr verabschiedet wird. Daran arbeiten wir.

NC: Wir wollen das natürlich so schnell wie möglich, aber man muss realistisch sein. Für große Projekte mit Milliardeninvestitionen braucht man ja ein geeignetes Umfeld, auch was die gesamtwirtschaftlichen Probleme wie die Inflation und das Staatsdefizit angeht. 

Welche Chancen sehen Sie denn für die Unternehmen?

NC: Wenn der von uns vorgelegte Gesetzentwurf angenommen wird, sehen wir große Chancen. Der Entwurf enthält ein ganzes Förderregime mit Steuervorteilen für die Produktion von grünem Wasserstoff und Zollbefreiungen für die Einfuhr der benötigten Ausrüstungen. Bei dem hier vorhandenen Potenzial erneuerbarer Energien sind die Möglichkeiten sowohl für einheimische als auch für ausländische Unternehmen beträchtlich. Aber eben nur, wenn wir den regulatorischen Rahmen schaffen, damit das alles passieren kann.

Was sind die größten Hindernisse und Herausforderungen für den Klimaschutz und für grünen Wasserstoff? 

NC: Wie gesagt, dass wir den regulatorischen Gesetzesrahmen schaffen und ein bisschen mehr wirtschaftliche Stabilität. Um das Thema Nachhaltigkeit in den Köpfen zu verankern, müssen wir es hinkriegen, dass die Leute zu essen haben und bis ans Monatsende kommen.

Aber kann grüner Wasserstoff nicht Teil einer Gesamtlösung sein? Die Investitionen und der Export würden doch Devisen bringen. Wenn die Investitionen erst kommen, wenn es in Argentinien keine Armut mehr gibt…. 

NC: ...dann kommen sie nie, natürlich. Es fehlt Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren und Bereichen, auch innerhalb der Regierung. Wir sehen da keine fließende Kommunikation. Mit einem koordinierten Ansatz könnte sich das alles wie die Teile eines Puzzles zusammenfügen. Die Devisen aus dem Wasserstoff könnten mehr Stabilität bringen und Arbeitsplätze schaffen. Diese Koordination ist derzeit nicht in Sicht. 

AK: Aber genau daran arbeitet unsere Plattform ja. Dass der bestmögliche Regulierungsrahmen zustande kommt, dass alle gesellschaftlichen Akteure die Energiewende im Kopf haben und dass Investitionen in den grünen Wasserstoff heute dazu beitragen, auch all die anderen Probleme nach und nach zu lösen.

Setzen Sie auf einen überparteilichen Konsens für das Gesetz, so wie bei der Förderung wissensbasierter Dienste?

AK: Ja, genau, die Opposition muss mit im Boot sein. Wie bei der Förderung des Bergbaus ab den neunziger Jahren. Solange es da keine Förderung gab, hat auch niemand investiert. Wir brauchen ein im Konsens vereinbartes Gesetz, das den Unternehmen die größtmöglichen Garantien gibt, damit sie arbeiten können und damit das Land wachsen kann.

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