Armenien setzt auf einen forcierten Ausbau der Ernährungswirtschaft, eine schnellere Umsetzung von Bauprojekten und neue Initiativen für die IT-Branche. (Stand: 15. April 2021)
Armenien hofft im 2. Halbjahr 2021 auf eine klare Konjunkturwende und ab 2022 auf ein Wirtschaftswachstum von 4 Prozent und mehr. Handlungsspielräume zur Krisenbewältigung sieht die Regierung vor allem bei der Unterstützung von Projekten in der Land- und Bauwirtschaft sowie in der softwareorientierten IT- Branche.
Staat fördert landwirtschaftliche Produktion stärker
Der Agrarsektor soll 2021 um real 2,5 bis 3,0 Prozent zulegen, nach einem Plus von 1,4 Prozent 2020. Etwa 45 Prozent der Ackerflächen im Land werden heute nicht bestellt. Sie sollen schrittweise wirtschaftlich genutzt werden, so für den verstärkten Anbau von Obst, Gemüse, Mandelbäumen und Nutzhanf.
Zurzeit wird ein Gesetz erarbeitet, nachdem bis zu 150.000 Hektar brachliegende Böden an natürliche oder juristische Personen zur wirtschaftlichen Nutzung übertragen werden sollen. Ein erstes großes Projekt für die forcierte Bodennutzung steht vor dem Start. Die Gesellschaft Al-Abdalyah Group LLC errichtet 2021 und 2022 in der Provinz Armavir auf 1.121 Hektar Böden eine Mandelbaumplantage mit 350.000 Pflanzen. Hinter dem auf 30 Millionen US-Dollar (US$) veranschlagten Projekt steht der kuwaitische Investor Khalife Al-Fadala.
Die aktuelle Agrarförderung sieht unter anderem vor:
- verlängerte Zinszuschüsse für aufgenommene Kredite bis Oktober 2021;
- ausgeweitete versicherungsfähige Anbaukulturen von sechs auf elf Kulturpflanzen über das Programm für die Kofinanzierung von Agrarversicherungen;
- die erweiterte Förderung von Tierzuchtfarmen;
- eine kofinanzierte Beschaffung von Veterinärpräparaten und die Errichtung eines Zentrums für Veterinärdienste in Tumanyan (Provinz Lori);
- Kredite für die Modernisierung von Lager- und Verarbeitungskapazitäten für agrarische Produkte (in Kooperation mit der Weltbank);
- Zuschüsse für den Anbau von Getreide, Hülsenfrüchten und Futterkulturen sowie für den Anbau und die Verarbeitung von Nutzhanf (beide Förderprogramme in Vorbereitung) und
- ein Programm für die organische Landwirtschaft (2021 bis 2022) in Kooperation mit dem Naturschutzbund Deutschlands (NABU; lokaler Partner: ACBA Bank).
Eckdaten der landwirtschaftlichen Produktion Armeniens
| Jahr 2020 | Veränderung zu 2019 (in %) |
---|
Landwirtschaftliche Produktion (in Mio. US$) | 1.672 | 1,4 |
Pflanzenzucht | 783 | 2,3 |
Tierzucht | 889 | 0,6 |
Pflanzenzucht | | |
Anbauflächen (in 1.000 ha) | 228 | 1,8 |
Getreide | 122 | 0,4 |
Gemüse | 21 | 3,6 |
Kartoffeln | 21 | 0,3 |
Andere Kulturen | 64 | 3,2 |
Ernteaufkommen (in 1.000 t) | | |
Gemüse | 651 | 4,7 |
Kartoffeln | 427 | 5,7 |
Wein | 265 | 21,7 |
Obst und Beeren | 255 | -12,3 |
Getreide | 243 | 22,3 |
Melonen | 93 | -6,4 |
Tierzucht | | |
Tierbestand (in 1.000 Stück) *) | | |
Rinder | 613 | 5,9 |
Kühe | 266 | 5,6 |
Schweine | 200 | -10,3 |
Schafe | 693 | 8,4 |
Ziegen | 24 | 2,6 |
Geflügel | 4.204 | -8,0 |
Tierische Erzeugnisse (in 1.000 t) | | |
Fleisch inklusive Geflügel (Lebendgewicht) | 190 | 0,4 |
Vollmilch | 654 | -2,0 |
Eier (in Mio. St.) | 754,6 | 4,7 |
*) Bestand zum 1. 1.2021, Veränderung gegenüber 1.1.2020 Quelle: Nationaler Statistikdienst Armeniens
Prioritäre Bauprojekte will die Regierung schneller vorantreiben
Armeniens Baugeschäft gestaltet sich schon seit Jahren schwierig. Es erlitt 2020 mit einem realen Rückgang von 9,5 Prozent gegenüber 2019 einen tiefen Rückschlag. Das Bauvolumen, bemessen in US-Dollar, schrumpfte auf 844 Millionen US$. Die Regierung hofft für 2021 auf eine Marktbelebung. Sie setzt dabei auf den Sektor Transport- und Energieinfrastruktur und prioritäre Projekte im Hochbau .
Unter den perspektivreichen Vorhaben ragt ein neuer Industrie-, Forschungs- und Wohnkomplex hervor. Dieser soll auf einer Fläche von 100 Hektar in der 16 Kilometer von der Landesmetropole Eriwan entfernten Stadt Abowjan und ihrem Umland errichtet werden. Langfristig sind bis zu 1 Milliarde US$ für den Bau technologieorientierter Betriebe, Forschungszentren, Wohnungen (für 10.000 Einwohner) sowie Bildungs- und medizinischer Objekte geplant. Der Projektkoordinator, die Hayprospekt AG, beziffert den für 2021 erwarteten Kapitalzufluss in die Infrastruktur des künftigen Gewerbegebietes (Hayzon) auf bis zu 30 Millionen US$.
Mehr Bewegung und Transparenz soll 2021 unter der Regie der Gesellschaft City Center Development und der Eriwaner Stadtverwaltung in den Um- und Ausbau des historischen hauptstädtischen Kiezes Firdus (Stadtviertel 33) kommen. Von den 18 zu bebauenden Grundstücken wurden bereits zehn an Investoren und Baufirmen vergeben. Für den Bau von Wohnungen, Büros, Hotels und anderen Objekten werden 200 Millionen US$ veranschlagt. Auf drei Grundstücken sollen die Bauarbeiten in naher Zukunft beginnen.
Große Pläne gibt es für die umfassende Modernisierung des historischen Stadtviertels Kond im zentralen Eriwaner Stadtbezirk Kentron. Dieses soll sein typisch armenisches Flair bewahren und zu einem Tourismusmagneten mit viel Raum für die landesspezifische Gastronomie, das Kunsthandwerk und Galerien entwickelt werden. Ein ähnlich ambitioniertes Projekt verfolgt die Regierung auch in der südarmenischen Stadt Goris.
Das Unternehmen Renovation Project Management Company plant in Eriwan den Bau eines Wohnkomplexes mit fünf großen mehrstöckigen Häusern. Der Bauentwickler Renshin investiert etwa 100 Millionen US$ in seine Eriwaner Bauprojekte (Wohnungen und soziale Objekte). Andere bedeutende Bauvorhaben im Land betreffen die Modernisierung und den Bau von 1.900 Kilometern Straße (2021 bis 2023) sowie die Errichtung von 63 Schulen in modularer Bauweise bis 2024, darunter von 16 Objekten 2021.
Neue Digitalisierungsoffensive und Start-up-Ökosysteme bieten ein breites Kooperationsfeld
Armeniens IT-Branche wächst seit Jahren im Schnitt jährlich um 20 Prozent und mehr. Die Regierung begleitet diesen Trend mit verschiedenen Förderinstrumenten. Hierzu zählen die Unterstützung von Startups bei der Bereitstellung von Büro- und Laborflächen, steuerliche Entlastungen für Jungunternehmen der IT-Branche und die Begleitung ausländischer Investoren bei der Partnersuche und Ansiedlung in Armenien. Allein im Jahr 2020 profitierten 102 neu gegründete Firmen von Steuerbefreiungen.
Die im Februar 2021 verabschiedete neue Digitalisierungsstrategie umfasst ein ganzes Bündel von Maßnahmen für neue Projekte in den Sektoren E-Government, Sicherheits- und Informationssysteme oder Start-up-Ökosysteme. Fest geplant ist unter anderem die beschleunigte Digitalisierung von etwa 300 öffentlichen Dienstleistungen auf der Ebene der Regional- und ländlichen Verwaltungen (bis 2023/2024). Das Paket umfasst auch die elektronische Erteilung von Genehmigungen und Lizenzen für den Unternehmenssektor.
Neue größere Projekte und Start-up-Ökosysteme in der IT-Branche Armeniens
Projekt | Projektziel | Investor/Ansprechpartner |
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Ausweitung des IT-Zentrums Digitain, Eriwan (Projektwert: 40 Mio. US$) | Ausbau der Sparten Gaming-Software, Sportwetten-/Glückspiele-Plattformen und weltweiter Service für Casino-Plattformen (Anstellung von bis zu 5.000 neuen Mitarbeitern) | Digitain LLC (Armenien) |
Eröffnung eines Live-Studios für Casino-Spiele, Eriwan ( Projektwert: 12 Mio. US$/Phase 1) | Ausweitung der weltweiten Live-Studios-Angebote (Anstellung von mehr als 1.000 Mitarbeitern) | Evolution Gaming Group AB (Schweden) |
Errichtung und Ausbau der „Ingenieur-Stadt“, Eriwan (Büro-, Labor- und Produktionskomplex) | Ansiedlung von Firmen für die Entwicklung und Produktion IT-gestützter Hochtechnologieprojekte (Messtechnik, Gerätebau, Elektronik), bisher 6 Firmen registriert | Ministerium für Hochtechnologie-Industrie Armeniens |
Auf- und Ausbau der freien Wirtschaftszonen für die IT-Branche ECOS, Hrazdan | Errichtung von Zentren für Krypto-Mining, Ansiedlung von IT-Softwareunternehmen (darunter von Blockchain-und Cloud-Technologien), bisher 8 Firmen registriert | ECOS OJSC |
Quelle: Recherchen von Germany Trade and Invest
Von Uwe Strohbach
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Eriwan