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Special | Australien | Lieferketten

Australiens Pharmaindustrie ist auf Blutprodukte spezialisiert

Aus Australien beziehen deutsche Pharmaimporteure fast ausschließlich spezielle Blutprodukte. Daneben konzentriert sich Downunder auf den Export von Nischenprodukten wie Vitaminen.

Von Heiko Stumpf | Sydney

Deutschlands Pharmaimporte aus Australien sind in den vergangenen zehn Jahren massiv gestiegen. Sie legten im Zeitraum 2010 bis 2020 um nominal etwa 717 Prozent zu. Als aufstrebender Produzent, welcher der deutschen Pharmaindustrie hilft, ihre Zulieferketten zu diversifizieren, kann Australien zumindest kurzfristig wohl dennoch nicht fungieren.

Deutsche Einfuhr pharmazeutischer Erzeugnisse aus Australien (in Tausend Euro, Veränderung in Prozent)
Warenkategorie

2010

2020

Veränderung 2020/2010

Drüsen und andere Organe, getrocknet, als Pulver (WA3001)

46

1.551

3.271,7

Blut, Antisera, Vaccine, Mikroorganismen, Toxine (WA3002)

12.905

420.013

3.154,7

Arzneiwaren, nicht für den Einzelverkauf (WA3003)

2

1

-50,0

Arzneiwaren, dosiert oder für den Einzelverkauf (WA3004)

36.610

15.850

-56,7

Watte, Gaze, Binden, Verbandszeug und Pflaster (WA3005)

52

355

582,7

Pharmazeutische Waren (WA3006; Anmerkung 4 zu Kapitel 30)

4.364

3.349

-23,3

Gesamtwert

53.979

441.119

717,2

Quelle: Destatis

Die deutschen Einfuhren aus Downunder konzentrieren sich zu rund 95 Prozent auf die Warennummer 30021200, welche Antisera und andere Blutfraktionen umfasst. In allen anderen Feldern spielt Australien keine nennenswerte Rolle. Im Bereich der Fertigarzneimittel sanken die Lieferungen, ausgehend von einem ohnehin schon niedrigen Niveau, um rund 57 Prozent.

Deutsche Einfuhr von Erzeugnissen des Unterkapitels WA3002 aus Australien (in Tausend Euro, Veränderung in Prozent)

Warenkategorie

2010

2020

Veränderung 2020/2010

Antisera und andere Blutfraktionen (WA30021200)

-

403.879

-

Immunologische Erzeugnisse, gemischt, weder dosiert noch in Aufmachung für den Einzelverkauf (WA30021400)

-

2

-

Immunologische Erzeugnisse, dosiert oder in Aufmachung für den Einzelverkauf (WA30021500)

-

142

-

Vakzine für die Veterinärmedizin (WA30023000)

39

-

-100

Menschliches Blut (WA30029010)

1

21

2.000

Tierisches Blut zu therapeutischen, prophylaktischen oder diagnostischen Zwecken zubereitet (WA30029030)

37

-

-100

Kulturen von Mikroorganismen, ausg. Hefen (WA30029050)

565

904

60

Toxine und ähnliche Erzeugnisse, anderweitig weder genannt noch inbegriffen (WA30029090)

56

133

137,5

Gesamtwert

698

405.081

57.945

Quelle: Destatis

Der hohe Anstieg im Bereich der Blutfraktionen dürfte stark mit dem Erfolg des Biotechnologieunternehmens CSL zusammenhängen. Das Unternehmen mit Sitz in Melbourne ist das Aushängeschild der australischen Biotechnologiebranche. Über die Konzernsparte CSL Behring ist das Unternehmen stark in der Entwicklung von Medikamenten und Therapien aktiv, die auf Blutfraktionen beruhen. Dazu zählen Plasmatherapien sowie rekombinante Medikamente zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen.

So produziert CSL Behring beispielsweise Immunglobulin zur Behandlung von Tetanus, Tollwut und Hepatitis. Während der Coronapandemie startete CSL auch mit klinischen Studien für ein Immunglobulin gegen Covid-19, welche jedoch ohne Erfolg beendet werden mussten.

Deutschland ist wichtiges Standbein der CSL-Gruppe

Durch den Forschungs- und Produktionsstandort Marburg verfügt CSL Behring über eine starke Präsenz in Deutschland. Mit rund 3.000 Mitarbeitern ist Marburg der wichtigste Standort der CSL-Gruppe. Bis 2022 entsteht in Marburg auch ein neuer Forschungscampus für 600 Beschäftigte. Zudem ist in Hattersheim bei Frankfurt/Main die Vertriebsorganisation für den europäischen Markt angesiedelt.

In Australien verfügt CSL Behring über einen großen Produktionsstandort in Broadmeadows, wo beispielsweise Privigen (Immunglobulin) und Alburex (Albumin) für den Export hergestellt werden.

Neben CSL Behring gehört auch die Tochtergesellschaft Seqirus zum CSL Konzern. Diese produziert neben Impfstoffen gegen Influenza auch Antisera beispielsweise gegen Vergiftungen nach Schlangenbissen.

In Melbourne investiert die Konzernmutter CSL in den Bau eines neuen globalen Hauptsitzes. Das Gebäude im Parkville Biomedical Precinct soll bis 2024 fertiggestellt werden und rund 800 Mitarbeiter beherbergen.

Schlagzeilen machte zuletzt das Biotechnologie-Start-up Aegros. Dieses will sich mit seiner innovativen HaemaFrac-Technologie zum zweiten australischen Hersteller im Bereich der Plasmafraktionierung entwickeln. Dazu ist eine Produktionsstätte in Sydney geplant. Zudem startete Aegros klinische Studien für eine Hyperimmunglobulin-Therapie gegen Covid-19.

Pharmaunternehmen kehren Australien den Rücken

Abgesehen von der Biotechnologie verfügt Australien als Standort für die Pharmaindustrie nur über wenige Stärken. Der Importanteil bei Arzneimitteln liegt mittlerweile bei über 70 Prozent. Mehrere Pharmaunternehmen haben ihre Produktionskapazitäten zuletzt abgebaut. Gegenüber etablierten Hubs wie Singapur oder Südkorea verliert Australien an Wettbewerbsfähigkeit.

Pfizer plant für 2021 das Ende des Werkes für Biosimilars in Adelaide. GlaxoSmithKline (GSK) schließt Ende 2022 die Fertigungsstätte in Boronia bei Melbourne. Auch die Zukunft des GSK-Werks in Sydney gilt als besiegelt. Zuvor hatten bereits Unternehmen wie Johnson & Johnson, Roche oder Merck Sharp & Dohme Produktionsstätten in Australien geschlossen.

Export von Vitaminpräparaten verzeichnet hohes Wachstum

Ein Wachstumssektor ist hingegen die Herstellung von Vitaminpräparaten und Nahrungsergänzungsmitteln. Diese werden von der Australian Therapeutic Goods Administration (TGA) als pharmazeutische Erzeugnisse behandelt. Deswegen müssen diese ebenso wie Medikamente zugelassen und im Australian Register of Therapeutic Goods (ARTG) gelistet werden. Auch für den Herstellungsprozess gelten über die Good Manufacturing Practice (GMP) die gleichen Vorschriften wie für Arzneimittel.

Aufgrund dieser sehr hohen Standards genießen australische Produkte im gesamten asiatischen Raum einen sehr guten Ruf. In den vergangenen Jahren kam es zu einem regelrechten Exportboom, insbesondere nach China. Nach Zahlen von Ibis World exportierte Australien im Finanzjahr 2019/20 Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel im Wert von umgerechnet 700 Millionen US-Dollar (US$), mehr als doppelt soviel als noch zwei Jahre zuvor.

Nach Angaben des Branchenverbandes Complimentary Medicines Australia sind bereits 92 Produktionsstätten durch die TGA lizenziert. Größter Produzent ist Sanofi-Aventis über seine Consumer Healthcare Sparte. Zu den weiteren namhaften Herstellern gehören Blackmores, Swisse Wellness, Lipa Pharmaceuticals, Integria Healthcare, Life-Space Group, Lavida Pharmaceuticals und Vitex Pharmaceuticals.

Medizinisches Cannabis bietet Zukunftschancen

In Zukunft dürfte sich Australien zu einem aufsteigenden Lieferanten von medizinischem Cannabis entwickeln. Einige Unternehmen liefern bereits nach Deutschland. Das Unternehmen Australian Natural Therapeutics Group (ANTG) schloss einen Abnahmevertrag mit der Cannamedical Pharma GmbH in Köln. Derzeit investiert ANTG in eine rund 300 Millionen US$ teure Produktionsstätte in Towoomba (Queensland). Auch die Cann Group und MediPharm Lab versorgen bereits Kunden in Deutschland.

Informationen zu Branche und Standortfaktoren in Australien

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