Special Australien Wege aus der Coronakrise
Konjunktur- und Hilfsprogramme
Die australische Regierung setzt auf steuerliche Investitionsanreize und den Infrastrukturausbau. Für das verarbeitende Gewerbe gibt es Fördergelder. (Stand: 08. November 2021)
Von Heiko Stumpf | Sydney
Als Reaktion auf die Coronakrise hatte die Regierung in Canberra im Jahr 2020 wirtschaftliche Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen mit einem Volumen von umgerechnet etwa 201 Milliarden US-Dollar (US$) auf den Weg gebracht (291 Milliarden Australische Dollar ($A); 1$A=0,6906 US$). Dies entspricht rund 15 Prozent des australischen Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Viele der speziell auf die Covid-19 Pandemie zugeschnittenen Maßnahmen sind mittlerweile ausgelaufen. Mit dem Haushalt für das laufende Finanzjahr 2021/22 (Juli bis Juni) wollte die Regierung sich eigentlich wieder längerfristigen Themen wie der Digitalisierung oder dem Ausbau der Altenpflege widmen. Nach dem Ausbruch der Delta-Variante und darauf folgender Lockdowns in mehreren Großstädten sah sich die Regierung allerdings zu neuen Hilfsmaßnahmen gezwungen.
Hilfen für Beschäftigte bei befristeten Lockdowns
Beschäftigte, die aufgrund von Lockdown-Maßnahmen nicht ihrer regelmäßigen Arbeit nachgehen können, erhalten Lohnersatzleistungen in Form der Covid-19 Disaster Payment. Diese greift in erklärten Covid-19 Hotspot-Gebieten.
Wöchentliche Arbeitsstunden | Betrag (in $A) |
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mehr als 20 | 750 pro Woche |
bis zu 20 | 450 pro Woche |
Mittlerweile wurden jedoch bereits Bestimmungen für das Auslaufen der Covid-19 Disaster Payments erlassen. Die Zahlungen enden zwei Wochen nach dem Stichtag, an dem die Impfquote des betroffenen Bundesstaates die 80 Prozent-Marke übersteigt.
Zusätzlich werden Hilfsmaßnahmen für Unternehmen in Zusammenarbeit mit betroffenen Bundesstaaten auf den Weg gebracht, beispielsweise in New South Wales (NSW).
Berechtigte Unternehmen: Jahresumsatz zwischen 75.000 und 250 Millionen $A Leistung: Wöchentliche Zahlung in Höhe von 40% der Lohnsumme, mindestens 1.500 $A und maximal 100.000 $A Voraussetzung: Umsatzeinbruch von mindestens 30% im Vergleich zum Vorpandemiezeitraum des Jahres 2019, Unternehmen dürfen keinen Personalabbau vornehmen Einzelunternehmer: Wöchentliche Hilfszahlung in Höhe von 1.000 $A |
Eine Übersicht zu den Unterstützungsprogrammen in anderen Bundesstaaten stellt das Schatzamt (Treasury) bereit.
Auch einige Unterstützungsmaßnahmen aus den Konjunkturpaketen des vergangenen Jahres werden fortgeführt. Dies gilt beispielsweise für die Sofortabschreibung für bewegliche Anlagegüter, welche bis Juni 2023 verlängert wurde.
Maßnahme | Anmerkung |
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Sofortabschreibung | Neue bewegliche Anlagegüter können im Jahr der ersten Nutzung vollständig abgeschrieben werden (bis Juni 2023). Keine Begrenzung des maximalen Investitionsbetrages. Berechtigt sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 5 Milliarden $A. Kleinunternehmen können die Regelung auch für gebrauchte Güter nutzen. |
Zeitlich begrenzter Verlustrücktrag | Unternehmen können in den Finanzjahren 2019/20, 2020/21, 2021/22 und 2022/23 angefallene Verluste mit Gewinnen verrechnen, die im Finanzjahr 2018/19 oder früher entstanden sind. Berechtigt sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 5 Milliarden $A. |
Senkung der Köperschaftssteuer für kleine Unternehmen | Ab dem 1. Juli 2021 beträgt der Steuersatz der Körperschaftssteuer für kleine Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 Millionen $A nur noch 25 Prozent. Regulärer Satz ist 30 Prozent. |
Senkung der Einkommenssteuer | Durch Maßnahmen wie der Anpassung des Tarifverlaufes werden Arbeitnehmer in den Finanzjahren 2020/21 und 2021/22 um insgesamt rund 23 Milliarden US$ entlastet. |
Lohnzuschüsse für Auszubildende | Unternehmen erhalten Lohnzuschüsse von 50 Prozent für beschäftigte Auszubildende (maximal $A 7.000 pro Quartal). Befristet bis 31.03.2023. |
Die Impfkampagne gilt mittlerweile als Erfolg, so dass die Ausbreitung der Delta-Variante deutlich eingedämmt werden konnte.
Die Impfkampagne startete am 22. Februar 2021. Nach anfänglichen Schwierigkeiten erreicht Australien mittlerweile eine hohe Impfquote. Anfang November 2021 verfügte rund 80 Prozent der Bevölkerung über 16 Jahre über einen vollständigen Impfschutz. Bis Jahresende 2021 dürfte eine Impfrate von über 90 Prozent erreicht werden. Der Fokus liegt derzeit auf der Ausweitung der Impfkampagne. Seit August 2021 können auch Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15 Jahren geimpft werden. Eine Impfzulassung für 5- bis 11-Jährige könnte bis Ende November 2021 erfolgen. Für bestimmte Risikogruppen finden bereits Auffrischungsimpfungen statt. Ab dem 8. November 2021 können alle über 18-Jährigen eine Auffrischungsimpfung erhalten, sofern der Einritt des vollständigen Impfschutzes mindestens 6 Monate zurückliegt. Wichtig: Personen mit temporärer Aufenthaltserlaubnis, die nicht Teil des Medicare-Systems sind, müssen zuerst einen Individual Health Identifier (IHI) beantragen, um einen digitalen Impfnachweis zu erhalten. |
Fördergelder für das verarbeitende Gewerbe
Zudem bemüht sich die Regierung um eine Wiederbelebung des verarbeitenden Gewerbes. Dazu werden im Rahmen der Modern Manufacturing Strategy (MMS) Fördergelder bereitgestellt.
Über den Manufacturing Modernisation Fund werden dabei Zuschüsse für die Modernisierung von Produktionsanlagen gewährt. Der maximale Förderbetrag beläuft sich auf eine 1 Million $A, wobei berechtigte Unternehmen mindestens den dreifachen Betrag der Fördersumme selbst aufbringen müssen.
Das zweite Instrument der MMS ist die insgesamt 900 Millionen US$ dotierte Modern Manufacturing Initiative. Diese stellt die Kommerzialisierung und den Markthochlauf von Innovationen in den Mittelpunkt. Die sechs Zielsektoren sind Rohstoffverarbeitung, Nahrungsmittel, medizinische Produkte, Recycling und saubere Energieerzeugung, Verteidigung sowie Weltraumtechnik.
Für jeden der insgesamt sechs Zielsektoren wurde dabei eine eigene Roadmap erarbeitet, welche die jeweiligen Förderziele definiert. In allen Sektoren können Unternehmen staatliche Zuschüsse von 50 Prozent der Kosten eines Investitionsprojektes erhalten. Der maximale Zuschussbetrag beläuft sich dabei auf 20 Millionen $A.
Auch die Australian Reserve Bank (RBA) unterstützt den Kampf gegen die Folgen von COVID-19. Sie senkte den Leitzins auf den historischen Tiefstand von 0,1 Prozent. Zudem wurde ein Kreditprogramm mit einem Volumen von 139 Milliarden US$ (200 Milliarden $A) für die Geschäftsbanken geschnürt (zum Zins von 0,25 Prozent über drei Jahre). Erstmals in ihrer Geschichte startete die RBA mit Ankäufen von Staatsanleihen.
Infrastruktur wird stark ausgebaut
Die Regierung in Canberra erhöht die Ausgaben für den Infrastrukturausbau in den kommenden zehn Jahren um umgerechnet 10 Milliarden US$. Insgesamt sollen bis 2022 rund 76 Milliarden US$ in die Infrastruktur gesteckt werden.
Für 15 Großvorhaben mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden US$ wird jeweils eine eigene Taskforce eingerichtet, die die Umsetzung der Projekte teils um Jahre beschleunigen soll. Dazu zählen die Inland Rail oder das Marinus Link-Stromkabel nach Tasmanien. Eine zusätzliche Maßnahme ist der Ausbau des National Broadband Network. Bis 2023 werden knapp 3,1 Milliarden US$ in das staatliche Breitbandnetz gesteckt, damit 2 Millionen Haushalte einen schnelleren Internetzugang erhalten.
Weitere Ausbauprogramme gibt es auf der Ebene einzelner Bundesstaaten. New South Wales treibt das Ausgabenniveau auf einen Rekordwert und will in den kommenden vier Jahren rund 76 Milliarden US$ investieren. Davon fließen rund Zweidrittel in den Verkehrssektor. Weitere Schwerpunkte sind Gesundheit und Bildungseinrichtungen. Victoria wird bis 2024/25 insgesamt rund 62 Milliarden US$ ausgeben. Im Mittelpunkt stehen auch hier große Verkehrsprojekte wie der Suburban Rail Loop oder der Melbourne Airport Rail Link.
Öffentliche Verschuldung steigt an
Noch vor der Coronakrise zählte die Erreichung eines Budgetüberschuss zu den Kernzielen der Regierung. Durch die umfangreichen Hilfsmaßnahmen schreibt der Staatshaushalt nun jedoch tiefrote Zahlen. Für das Haushaltsjahr 2020/21 schlägt ein Defizit von 7,8 Prozent des BIP zu Buche. Aufgrund der schnellen wirtschaftlichen Erholung fällt das Haushaltsloch damit aber geringer aus als befürchtet.
Nach Aussage von Schatzminister Josh Frydenberg soll die Haushaltskonsolidierung erst auf die Tagesordnung rücken, wenn die Arbeitslosigkeit nachhaltig auf unter 5 Prozent zurückgeht. Im laufenden Haushaltsjahr 2021/22 soll das Defizit etwa 5,0 Prozent des BIP betragen, bis 2024/25 wird ein Rückgang auf 2,4 Prozent erwartet.
Vor Ausbruch der Pandemie hatte die Nettostaatsverschuldung bei knapp 20 Prozent des BIP gelegen. Bis 2024/25 wird nun ein Anstieg der Staatsverschuldung auf 40,9 Prozent des BIP erwartet, ein im internationalen Vergleich immer noch sehr niedriger Wert.