Branchen | Bulgarien | Verteidigungswirtschaft
Bulgariens Rüstungsindustrie baut Kapazitäten aus
Bulgarien modernisiert Streitkräfte sowie Rüstungsindustrie und setzt dabei auf Kooperation mit Deutschland. Rheinmetall hat einen Vertrag über rund 1 Milliarde Euro abgeschlossen.
31.10.2025
Von Christian Overhoff | Bonn
Die EU hat 2025 eine ehrgeizige Drohnenwall-Initiative gestartet, die Bulgarien in ein kontinentales Verteidigungsnetz stellt, das sich von Finnland bis zum Schwarzen Meer erstreckt. Das NATO-Mitglied spielt aber schon seit Beginn des russischen Angriffskrieges 2022 eine Schlüsselrolle in der europäischen Verteidigung: Das Land liefert seitdem in großem Umfang dringend benötige Munition und Waffen an die Ukraine. Bulgarien rechnet mit Einnahmen zwischen 300 und 500 Millionen Euro für die bisher geleistete Ukraine-Militärhilfe.
Um künftig den NATO-Anforderungen gerecht zu werden und um die Nachfrage vor allem nach Munition bedienen zu können, modernisiert Bulgarien seine Streitkräfte und die Rüstungsindustrie. Deutschland gehört nach den USA zu den wichtigsten Lieferanten und ist Nummer 1 bei den Anlageinvestitionen.
Rheinmetall schließt Joint Venture
Der Vorstandvorsitzende von Rheinmetall, Armin Papperger, hat am 28. Oktober 2025 einen Vertrag mit bulgarischen Partnern über den Bau von Werken zur Pulver- und Munitionsherstellung unterzeichnet. Das Projekt soll als Gemeinschaftsunternehmen mit dem staatlichen bulgarischen Rüstungsunternehmen VMZ-Sopot entstehen. Geplant ist unter anderem die Produktion von 155-Millimeter-Munition nach NATO-Standards. Bislang produziert Bulgarien hauptsächlich Munition ehemalig sowjetischen Kalibers.
"Wir wollen mehrere hunderttausend Schuss Artilleriemunition in Bulgarien in den nächsten Jahren fertigen. Aber noch viel wichtiger ist, dass wir gemeinsam ein Artillerie-Pulverwerk bauen werden", hat Pappberger bereits im August in Düsseldorf in einem Livestream angekündigt. Insbesondere das Pulverwerk werde die Lieferkette des Rheinmetall-Konzerns stärken. Die Gesamtinvestition werde rund 1 Milliarde Euro betragen. Rheinmetall wird 51 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen halten. Der Rest entfällt auf VMZ-Sopot. Im kommenden Frühjahr soll mit dem Bau der zwei Werke in Sopot auf einer Fläche von 100 Hektar begonnen werden. Die jährliche Kapazität soll rund 100.000 Geschosse sowie Treibladungen für bis zu 150.000 Geschosse umfassen. Zusätzlich wird das Joint Venture zur Produktion von ca. 1.300 Tonnen Treibladungspulver dienen. Die Fertigung der Geschosshüllen soll 2027 beginnen. Energetische Materialien werden ab 2028 produziert. Anbieter von Ausrüstung haben mit dem Projekt die Chance, Kooperationen mit Bulgarien zu vertiefen.
EU stellt Großteil der Finanzierung
Das Projekt wird teilweise aus EU-Krediten finanziert. Die Mittel stammen aus einem Darlehen im Rahmen des europäischen Sicherheitsmechanismus SAFE. Das Finanzierungsinstrument stellt EU-weit bis zu 150 Milliarden Euro an zinsgünstigen Krediten bereit, um die Verteidigungsfähigkeit der Mitgliedstaaten zu verbessern. Dabei werden 60 Prozent der Gesamtsumme als Darlehen vergeben. Demnach erhält Bulgarien 1,92 Milliarden Euro als Darlehen und zusätzlich 1,28 Milliarden Euro für die Vorfinanzierung von Projekten. Bulgarien hat bereits Mittel aus SAFE beantragt und will sich die Investitionssumme von insgesamt rund 1 Milliarde Euro mit Rheinmetall teilen, wie der Vorsitzende des Verteidigungskommitees des bulgarischen Parlaments, Hristo Gadzhev, im September 2025 bei der Teilnahme an der Eröffnung einer Munitionsfabrik des Konzerns in Unterlüß laut Nachrichtenagentur Novinite bekannt gab.
Luftabwehr und Marine bei Bestellungen aus Deutschland bisher im Fokus
Der Bedarf an Rüstungsgütern ist für die noch weitgehend mit sowjetischer Technik ausgerüsteten Streitkräfte immens - insbesondere nach Abgabe bedeutender Mengen davon an die Ukraine. Für den Aufbau einer Drohnenabwehr zum Beispiel braucht Bulgarien landbasierte, und mit Blick auf das Schwarze Meer, auch seegestützte Systeme. Die Teilnahme Bulgariens am Drohnenwall umfasst mehrere technologische Komponenten: elektronische Systeme zur Störung von Drohnensignalen (Jammer), physische Barrieren wie Schutznetze über kritischer Infrastruktur, mobile Einrichtungen mit schweren Maschinengewehren, leichten Flugabwehrkanonen oder Boden-Luft-Raketen und fortschrittliche Sensoren und Radar, einschließlich akustischer Systeme, die Drohnen durch Geräuschsignaturen erkennen können.
Internationale Rüstungsmesse
HEMUS in Plowdiw
HEMUS konzentriert sich auf die Stärkung der nationalen Sicherheit unter den Aspekten: Verteidigung (Armee, Marine, Luftwaffe), Terrorismusbekämpfung, Grenzsicherheit, innere Sicherheit, Cybersicherheit und Drohnenabwehr.
Zeit und Ort:
3. bis 6 Juni 2026, International Fair Plovdiv
Die größten Anschaffungen der bulgarischen Streitkräfte von Militärtechnik aus Deutschland bisher waren im Jahr 2024 das Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM von Diehl Defence und der Auftrag an die Werft NVL Lürssen für zwei Patrouillenschiffen 2020. Der Vertrag wurde laut Diehl Defence "mit weiteren optionalen IRIS-T SLM und SLX Einheiten" im September 2024 geschlossen. Eine Fireunit IRIS-T SLM besteht aus den Elementen Feuerleitstand (Tactical Operations Center), Radar, Feuereinheit (Launcher) sowie Flugkörpernachschub.
Mitte Juni 2022 wurde in der bulgarischen Stadt Varna der Kiel für das erste von zwei modularen Mehrzweck-Patrouillenschiffen der bulgarischen Marine gelegt. Der Auftrag hat einen Wert von umgerechnet rund 503 Millionen Euro, berichtet das Fachportal Navalnews. Die Schiffe basieren auf dem Modell OPV-90 der NVL Group. Zu diesem Zweck wurde die Naval Technology Bulgaria im Juli 2021 als Tochtergesellschaft von Lürssen (Vorgänger der NVL) für Engineering gegründet. Das Unternehmen ist auf Design (Rumpf/Stahlkonstruktion, Ausstattung/Innenausstattung, Mechanik und Elektrik) sowie auf die technische Überwachung der Werft spezialisiert. Auch die integrierte Logistikunterstützung und das Warranty Engineering gehören zum Leistungsumfang.
Separate Verträge wurden mit der schwedisch-deutschen Saab Diehl Defence über RBS15 Mk3 Anti-Schiffsraketen, mit der französischen MBDA über Luftabwehrraketensysteme VL MICA sowie über 324mm Torpedos mit dem italienischen Konzern Leonardo geschlossen. Das neue Schiff soll Ende 2025 an die bulgarische Marine ausgeliefert werden. Der Kiel für das zweite Schiff wurde 2023 gelegt und die Übergabe soll Ende 2026 erfolgen. Rheinmetall hat sich Anfang September mit Lürssen über den Erwerb der NVL aus Bremen und all ihrer Töchter geeinigt.
- Bulgarien
- Branchen
- Sonderthemen
- Verteidigungswirtschaft
- Produktionsanlagen für Eisen und Stahl
- Werkzeugmaschinen
- Branchen