Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

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Special | NATO-Ostflanke + Ukraine | Verteidigungswirtschaft

NATO-Ostflanke und Ukraine investieren massiv in die Verteidigung

Ausgaben für Verteidigungstechnologie und -infrastruktur entlang der europäischen Grenze zu Russland steigen rasant. Dabei ist auch made in Germany gefragt.

Von Michał Woźniak, Martin Gaber | Berlin, Bonn

Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine grundlegend verändert. Als Reaktion darauf investieren die Länder der Ostflanke der North Atlantic Treaty Organization (NATO) sowie die Ukraine massiv in ihre Verteidigungsfähigkeit. Laut Schätzungen des Militärbündnisses gaben die acht NATO-Mitglieder Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, die Slowakei sowie Rumänien bereits 2024 über 60 Milliarden Euro für diesen Zweck aus. Die sich verteidigende Ukraine übertraf diesen Wert noch.

Und ein Ende dieser Investitionen ist nicht in Sicht. Die acht NATO-Staaten verpflichteten sich Ende Juni 2025 beim NATO-Gipfel in Den Haag ihre Verteidigungsausgaben binnen zehn Jahren auf 5 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes zu steigern. Selbst bei einem verhaltenen Wirtschaftswachstum von 2 Prozent jährlich in dieser Zeitspanne würden sich die Ausgaben bis 2035 der 150-Milliarden-Euro-Marke nähern.

So unterstützt die EU den Ausbau der Verteidigungskapazitäten

  1. Mit fiskalen und finanziellen Anreizen will die EU durch ReArm Europe/Readiness 2030 bis zu 800 Milliarden Euro für Verteidigungsinvestitionen mobilisieren.
  2. Ein wichtiger Hebel ist dabei SAFE Security Action for Europe. In dessen Rahmen stehen insgesamt Darlehen in Höhe von 150 Milliarden Euro für die EU-Mitgliedsländer zur Verfügung.
  3. Um die Entwicklung und Beschaffung im Verteidigungssektor besser zu koordinieren, bündeln 26 EU-Mitgliedsländer diese in 75 Einzelprojekten der Permanent Structured Cooperation (PESCO).
  4. Beim sogenannten Plan Ramstein Investment for Industries fördern die Unterstützerländer Investitionen ihrer Verteidigungsunternehmen in der Ukraine und ukrainischer Verteidigungsunternehmen bei sich. Die Initiative geht also über EU-Grenzen hinaus. Im Fokus steht das Versprechen, die gesamte Produktion abzukaufen solange der russische Angriffskrieg andauert.

Infrastruktur stärken

Ein erheblicher Teil der Investitionen wird in sicherheitsrelevante Infrastruktur gelenkt. Finnland prüft den Umbau seines 6.000 Kilometer langen Schienennetzes auf europäische Normalspur, um militärische Mobilität zu verbessern. Litauen investiert rund 4 Milliarden Euro in Kasernen, Logistikzentren und Truppenstützpunkte. Polen errichtet mit dem "Ostschild" neue Grenzschutzanlagen für 2,3 Milliarden Euro. In der Slowakei entsteht ein Militärkrankenhaus für über 500 Millionen Euro. Rumänien baut für 2,5 Milliarden Euro den Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogălniceanu zum künftig größten NATO-Standort in Europa aus.

Effizientere Verteidigung dank Innovationen

Die Modernisierung der Streitkräfte geht mit technologischen Innovationen einher. Finnland plant ein Weltraumkommando und ein Raumfahrtzentrum in Kooperation mit ICEYE. Der dortige Technologiekonzern Nokia leitet ein EU-Projekt zur Drohnenüberwachung kritischer Infrastruktur. Die Ukraine entwickelt eigene Luftabwehrsysteme und Langstreckenraketen. In Tschechien investiert die Czechoslovak Group (CSG) in KI-gestützte Systeme und digitale Produktion. Rumänien reformiert seine Kooperationsverpflichtungen, um technologische Wertschöpfung im Land zu fördern.

Mehrbedarf zwingt zum Kapazitätsausbau

Die Nachfrage nach militärischer Ausrüstung führt ferner zu massiven Investitionen in Produktionsstätten. In Finnland erweitern Unternehmen wie Patria, Forcit und Nammo Lapua ihre Kapazitäten für Militärfahrzeuge und Munition. Polen investiert in die Werke von PGZ und plant ebenfalls neue Fabriken für Munition und Fahrzeuge. In der Ukraine entstehen Joint Ventures mit westlichen Partnern zur lokalen Produktion, beispielsweise von Drohnen. Tschechische Unternehmen wie Tatra Defence Vehicle und VOP CZ investieren in neue Fertigungslinien für Militärfahrzeuge. Die Slowakei baut einen geschlossenen Produktionskreislauf für 155-Milimeter-Artilleriemunition auf.

BDSV rechnet mit "sehr erheblichen Beschaffungsvolumina" in den Staaten an der NATO-Ostflanke  

Dr. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer, Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. - BDSV Dr. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer, Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. - BDSV | © Anke Illing - BDSV e.V.

Hans Christoph Atzpodien ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV). Der BDSV ist Vertreter der Interessen der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und ist Ansprechpartner für Unternehmen aller Größenordnungen eines sich stark wandelnden Wirtschaftssektors.

Wie wichtig ist die NATO-Ostflanke für die deutsche Verteidigungsindustrie?

Unser Verband und damit auch die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie stehen mit den Partnerorganisationen in den Ländern der NATO-Ostflanke seit Jahren in einem engen Austausch. So besuchen wir regelmäßig Veranstaltungen in diesen Ländern mit dem Ziel, eine engere industrielle Kooperation zu begründen. Auch haben unsere Mitgliedsunternehmen bereits Werke in der ganzen Region aufgebaut und sich über entsprechende lokale Beschaffungsaufträge eng industriell vernetzt.

Wie wird sich das Marktpotenzial zukünftig entwickeln?

Da die Verteidigungs- und Rüstungsausgaben einiger der besprochenen Länder erklärtermaßen noch oberhalb des NATO-Versprechens von 5 Prozent des jeweiligen BIP liegen werden, gehen wir dort von sehr erheblichen Beschaffungsvolumina aus. Soweit diese Beschaffungen auch Produkte unserer Mitgliedsunternehmen einschließen, werden sich daraus sowohl weitere Industrieansiedlungen entlang der Ostgrenze der NATO als auch andere Kooperationschancen unter Einbeziehung der lokalen Industrie ergeben.

Können auch andere deutsche Industrien davon profitieren?

Aus der Verbandsperspektive wissen wir, dass es in der Region zum einen hervorragende industrielle Kompetenzen gibt, die nach Möglichkeit in dem genannten Prozess genutzt werden sollten. Darüber hinaus erkennen wir zum anderen auch ein besonderes Bemühen der Länder, neue Industrieansiedlungen so leicht wie möglich zu machen – beispielsweise durch vereinfachte und stark beschleunigte Genehmigungsprozesse. Auftrags- und produktbezogen gibt es also durchaus Chancen für weitere Industrien.

Deutsche Unternehmen breit eingebunden

Deutsche Unternehmen sind in mehreren multinationalen Projekten zur Herstellung und Modernisierung von Militärfahrzeugen aktiv. In Lettland erfolgt die Produktion von Patria-Schützenpanzern in Kooperation mit Finnland, Schweden und Deutschland. In Polen modernisierte Rheinmetall gemeinsam mit dem staatlichen Rüstungskonzern PGZ Leopard-2-Panzer. Zudem wird Technologie deutscher Zulieferer wie MTU Solutions und ZF in polnischen Militärfahrzeugen verbaut. In der Ukraine gründete Rheinmetall ein Joint Venture zur Reparatur und späteren Produktion von Schützenpanzern. Auch in Rumänien bestehen Joint Ventures mit deutschen Unternehmen zur lokalen Fahrzeugproduktion, etwa zwischen Rheinmetall und dem staatlichen Betrieb Făgăraș Powder Plant. Von den Aufträgen namhafter deutscher Konzerne profitieren auch kleine und mittlere Unternehmen, die sowohl in Deutschland als auch den Ländern entlang der Ostflanke als Zulieferer neue Projekte erschließen können.

05.09.2025 Zollbericht | Weltweit | Ausfuhrkontrolle
Was muss bei Verteidigungsexporten beachtet werden?

Weltweit steigen Verteidigungsausgaben und treiben die Nachfrage nach deutschen Exportgütern in die Höhe. Wir klären, welche Regeln und Vorschriften unter anderem zu beachten sind.

Auch die deutsche Expertise im Bereich Luftverteidigung und Radartechnologie ist gefragt. Estland und Lettland beschafften gemeinsam das Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM von Diehl Defence. In der Ukraine erhielt Hensoldt einen Großauftrag über 340 Millionen Euro zur Lieferung von Hochleistungs- und Nahbereichsradarsystemen. Beide Unternehmen gelten zusammen mit Rheinmetall auch als bevorzugte Anbieter für Luftverteidigungssysteme im Rahmen geplanter Beschaffungen in Rumänien.

Die Produktion und Lieferung von Munition und deren Komponenten ist ein weiterer Schwerpunkt deutscher Beteiligung. In Litauen ist Rheinmetall an Munitionsprojekten beteiligt, die im Rahmen des "Green Corridor"-Programms gefördert werden. In Polen verhandelt PGZ mit der deutsch-französischen KNDS-Gruppe über Technologielizenzen für großkalibrige Munition. Die Slowakei importiert Nitrocellulose aus Deutschland für die eigene Munitionsproduktion. Um sich den Nachschub dieser sogenannten Schießbaumwolle zu sichern, übernahm das insbesondere in Tschechien und der Slowakei aktive Unternehmen CSG über ihre Tochter MSM Group den Industriepark Walsrode in Niedersachen. In Rumänien plant Rheinmetall den Bau einer Schießpulverfabrik zur Stärkung der lokalen Kapazitäten.

Investitionsgarantien für die Verteidigungsindustrie 

Für Auslandsvorhaben aus der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie können Investitionsgarantien des Bundes beantragt werden, wenn sie alle Voraussetzungen für eine Garantieübernahme erfüllen – insbesondere die risikomäßige Vertretbarkeit und die Förderungswürdigkeit. Grundsätzlich ausgeschlossen sind Projekte in Ländern, in denen kriegerische Auseinandersetzungen andauern.

Für Details kontaktieren Sie PwC, den Durchführer der Fördermaßnahme.

Deutsche Unternehmen engagieren sich auch zunehmend in technologischen Innovationsprojekten. In der Ukraine testete Diehl ein Bodenrobotersystem auf der Plattform "Test in Ukraine", während Quantum Systems dort eine Produktionsstätte für Drohnen aufbaute. Deutsche Firmen sind zudem in Projekten zur KI-gestützten Sensorik, Drohnentechnologie und Cyberabwehr involviert. In Tschechien kooperiert CSG mit Siemens zur digitalen Transformation der Produktion und zur Integration von KI in Verteidigungssysteme. Der deutsch-rumänische Aktionsplan fördert gezielt Investitionen in die lokale Rüstungsindustrie und technologische Kooperationen.

Investitionspläne im Detail

Germany Trade & Invest gibt einen umfassenden Überblick über aktuelle Projekte, strategische Ziele und wirtschaftliche Chancen entlang der NATO-Ostgrenze und in der Ukraine. Lesen Sie mehr in unseren Länderberichten!

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