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Branchen | Chile | Solarenergie

Marktorganisation

Chiles Strommarkt ist hochkomplex. Für Großerzeuger von Solar- und Windstrom wird die scheinbar Marktgesetzen folgende Preisbildung an Spotmärkten zunehmend zur Verlustfalle.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Die heutige Organisation des chilenischen Strommarktes geht wesentlich zurück auf das "DFL N´1 Ley General de Servicios Electricos" von 1982. Es trennte den zuvor monopolistisch-staatlich organisierten Markt in drei Segmente: Stromerzeugung, Stromübertragung und Stromverteilung – und ermöglichte die Beteiligung privater Unternehmen in allen drei Segmenten.

In der Folge wurde dieses erste Gesetz durch weitere ergänzt, darunter zwei, die sich explizit mit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen befassen. Ziel war die Schaffung von mehr Wettbewerb durch mehr Marktteilnehmer, mehr Effizienz und damit günstigere Strompreise für die Kunden. Allerdings ist das hieraus resultierende System angepasst an einen großen Anteil von konventioneller Wasserkraft beziehungsweise fossiler Energieträger.

Stromanbieter in Chile schreiben Verluste

Preisbildung an Chiles Strom-Spotmärkten:

Drei Faktoren sind für IPPs entscheidend bei der Preisbildung:

  • der im Purchase Power Agreement (PPA) mit dem Endkunden vereinbarte Preis,
  • der Verkaufs- beziehungsweise Einspeisepreis am fixen Einspeiseknoten (Spotmarkt 1) und
  • der Einkaufs- beziehungsweise Entnahmepreis am Entnahmeknoten seiner Kunden (Spotmarkt 2).

Während der PPA-Preis festgelegt ist, werden Einspeise- und Entnahmepreise stündlich anhand der Angebots- und Nachfrageseite neu bestimmt. Anders ausgedrückt: Die Firmen wissen nicht, zu welchem Preis sie einspeisen können – und angesichts der fehlenden Transportkapazitäten geht der Preis zur Mittagszeit im Norden mitunter gegen Null – und sie wissen nicht, zu welchem Preis sie den Strom wieder aus dem Netz entnehmen können. Sie kennen nur ihre Lieferverpflichtung zum Fixpreis.  

Fiktives Beispiel: Ein Solarpark speist im Norden des Landes am dortigen Knoten ein und erhält 5 US-Dollar (US$) für eine Megawattstunde (MWh). Am Entnahmeknoten muss er dagegen 60 US$ für eine MWh zahlen. Diese Strommenge liefert er im Anschluss auf Basis eines langfristigen Stromliefervertrags (Power Purchase Agreement, PPA) für vertraglich festgelegte 50 US$ an seinen Kunden. Damit hat er 5 US$ verloren und muss zusätzlich die Mautgebühren für die Leitungsnutzung entrichten.  

Aufgrund der überlasteten Stromübertragungskapazitäten müssen aktuell quasi alle IPPs im Bereich Wind- und Sonnenenergie Verluste verbuchen. Die ersten Parks sahen sich bereits gezwungen, Insolvenz anzumelden. Gewinne machen dagegen die vier großen Stromversorger: Colbún aus Chile, Enel aus Italien, Engie aus Frankreich und AES Andes aus den USA. Sie können aufgrund ihrer Rückgriffsmöglichkeiten auf konventionelle Energieträger zu Zeiten verkaufen respektive einspeisen, an denen die Preise hoch sind.

Vor diesem Hintergrund vermuten Branchenvertreter, dass in fünf Jahren von den kleineren kommerziellen Solarparks keiner mehr am Markt sein wird. Das Ergebnis wäre das Ende für den bisher bunten Wettbewerb durch die Bildung starker Oligopole.

Der chilenische Solarmarkt - die Angebotsseite

Akteur

Bedeutung*)

Besonderheiten und Herausforderungen

Sehr kleine Solarstromproduzenten; vorwiegend für den Eigenbedarf zwischen 0 und 300 Kilowatt (kW) Kapazität.

etwa 5 Prozent der installierten Solarstrom-Erzeugungskapazitäten

Für Kleinverbraucher und kleine Unternehmen gilt das Netbilling-Gesetz 21.118 von 2018. Sie können sich für den Eigenverbrauch zum Beispiel Solarpanels aufs Dach montieren lassen und – mit einem Abschlag abhängig vom Bezugspreis des Stroms – ohne Mengenbegrenzung überschüssigen Strom ins lokale Verteilnetz mit einer Spannung von 23 Kilovolt einspeisen. Für Privatpersonen gilt ein Limit als Anschlusskapazität von 20 Kilowatt (kW), für juristische Personen (Unternehmen) bis zu 50 Kilowatt (kW).

Kleine bis mittelgroße Solarstromproduzenten; 300 Kilowatt (kW) bis drei Megawatt (MW) beziehungsweise drei bis neun Megawatt (MW), sogenannte PMGDs (Pequeños Medios de Generación Distribuida)

etwa 20 Prozent der installierten Solarstrom-Erzeugungskapazitäten

Wie Kleinproduzenten speisen PMGDs ins lokale Verteilnetz bei 23 Kilovolt Spannung ein. Der Einspeisepreis wird alle sechs Monate als "precio de nudo de corto plazo" (PNCP) festgelegt. Statt des vorherigen einheitlichen Tagespreises gibt es neuerdings sechs fixe Zeitbänder, nach wie vor gilt jedoch eine Abnahmegarantie für jede eingespeiste Menge.

Dass die Erzeuger mittags keine so hohen Raten mehr erzielen, soll sie dazu motivieren, verstärkt in Speichertechnologien zu investieren. Ob sich das rechnet, hängt jedoch vom jeweiligen Standort und der künftigen Preisentwicklung ab. 


Großanlagen; über 9 Megawatt (MW; Utility-Scale) der unabhängigen Solarstromerzeuger (IPP)


etwa 75 Prozent der installierten Solarstrom-Erzeugungskapazitäten; meist im freien Wettbewerb von internationalen Firmen errichtet.

IPPs können entweder direkt vor Ort an einen Großabnehmer verkaufen oder müssen in den nächstgelegenen Knoten des Hochspannungsnetzes einspeisen.

Kritisch ist dies für das Gros der Solarparks, welche sich naturgegeben im Norden des Landes in der Atacama-Wüste befinden. Dort ist die Sonnenintensität hoch, der Verbrauch vor Ort aber niedrig. Von dort wird der Strom dann über – überlastete – Überlandleitungen in die Verbrauchszentren gebracht.

Die Knoten fungieren als Spotmärkte, das heißt, ist das Angebot am Einspeiseknoten – etwa zur Mittagszeit – sehr groß und übersteigt die Leitungskapazitäten, dann unterbieten sich die Anbieter und der Strompreis geht gegen Null. Mittlerweile ist dies die Regel, denn die installierte Kapazität an Solarparks im Norden Chiles, die in die bestehende Überlandleitung in die Metropolregion Santiago einspeisen, ist inzwischen auf sieben Gigawatt (GW) gestiegen, während die Übertragungskapazität nur 2,2 Gigawatt (GW) beträgt.


*) BranchenschätzungenQuelle: GTAI-Zusammenstellung

Nur Großkunden wählen ihren Stromlieferanten frei 

Laut Gesetz haben Kunden ab einer Anschlussleistung zwischen 500 und 2.000 Kilowatt (kW) die Wahl, ob sie ihren Stromerzeuger selbst aussuchen wollen, ab 2.000 Kilowatt (kW) sind sie gezwungenermaßen "freie Kunden" (clientes libres).

Derzeit gehen rund 40 Prozent des erzeugten Stroms an "regulierte" Kunden, 60 Prozent nehmen freie Kunden ab – allen voran der Bergbau. Dies ging aus einem Workshop zu den Herausforderungen des chilenischen Strommarktes der AHK Chile im April 2023 hervor.

Neue Ausschreibungen zur Stromverteilung

Da der Stromverbrauch weiter zulegt, öffnet die Nationale Energiekommission CNE etwa alle zwei Jahre neue Ausschreibungen zur Stromverteilung; die Endverbraucher werden im Anschluss den Konzessionären zugeteilt (zum Beispiel in der Metropolregion Santiago Enel). Nach Auskunft des Stromdienstleisters EnorChile lagen bei den letzten Ausschreibungen die (zuvor nicht bekannten) Stromhöchstpreise, zu denen der Zuschlag erteilt worden wäre, unter den von den Firmen eingereichten Angebotspreisen. Neue Konzessionen wurden deshalb keine vergeben.

Die erste große Ausschreibung fand 2015 statt. Ausgeschrieben waren insgesamt 12.430 Gigawattstunden (GWh) in fünf Blöcken. Das entsprach etwa einem Drittel des Stromverbrauchs des heutigen SEN-Netzes (Sistema Eléctrico Nacional). SEN versorgt etwa 98,5 Prozent der chilenischen Bevölkerung. 84 nationale und internationale Anbieter nahmen teil. Die ausgeschriebene Strommenge wurde zum Durchschnittspreis von 43,2 US$ pro MWh vergeben. Die Blöcke haben eine Laufzeit vom 1.1.2021 bis 31.12.2040 sowie vom 1.1.2022 bis 31.12.2041.


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