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Branche kompakt | Chile | Solarenergie

Solarenergie am Scheideweg

Der Fotovoltaikmarkt boomt. Die naturräumlichen Bedingungen sind exzellent. Doch fehlende Netzkapazitäten und niedrige Einspeisevergütungen bedrohen die Existenz vieler Anbieter.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

  • Politische Ziele

    Chile möchte fossile mit erneuerbaren Energieträgern ersetzen. Der Ausbau boomt. Fehlende regulatorische Lösungen für Netzengpässe bringen aktuell vielen IPPs aber Verluste.

    Mit der Unterzeichnung des Klimaabkommens von Paris 2015 hat sich Chile dem 1,5-Grad-Ziel verpflichtet und will bis 2050 kohlenstoffneutral sein. Seither verfolgt das Land den Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Bis 2040 will Chile komplett auf Kohlestrom verzichten.

    Außerdem will die Regierung, laut nationaler Wasserstoff-Strategie, mit grünem Wasserstoff die eigene Energiewende schaffen und bis 2040 einer der drei weltgrößten Exporteure sein.

    Anteil Solarkraft an der Bruttostromerzeugung im Jahr 2022 (in Gigawattstunden und Prozent)

    Bruttostromerzeugung

    Anteil in Prozent 

    Wasserkraft

    20.290

    24,37

    Kohle

    19.291

    23,17

    Erdgas

    15.895

    19,09

    Solar

    14.463

    17,37

    Windkraft

    8.872

    10,66

    Andere

    4.434

    5,33

    Quelle: Generadoras de Chile

    Erzeugter Strom kommt nicht beim Endkunden an

    Trotz dieser positiven Einstellung hinkt der Ausbau der Hochspannungs-Überleitungsnetze dem der Stromerzeugungskapazitäten hinterher. Allein 2022 mussten 1.471 Gigawattstunden (GWh) abgeregelt werden, so der Verband ACERA. Zugleich tendieren die Einspeisepreise an den Spotmärkten tagsüber gegen null. Für viele unabhängige Stromerzeuger (IPPs) steht die Existenz auf dem Spiel.

    Gewisse Hoffnungen keimen jetzt nach dem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 15. Mai 2023. Der chilenische Präsident Gabriel Boric hatte dem Gast gegenüber eine Lösung in Aussicht gestellt. Konkrete Überbrückungsmaßnahmen, bis die erforderlichen Netzkapazitäten geschaffen sind, sind jedoch bisher nicht bekannt.

    Letztlich setzt Chile die gesetzlich gewollte Pluralität auf der Angebotsseite aufs Spiel, weil nur eine Handvoll der ganz großen Stromerzeuger diesen Preiskampf überleben wird.

    Bild vergrößern

    Tatsächlich stammt die chilenische Stromgesetzgebung in weiten Teilen aus einer Zeit, in der die Erzeugung vorwiegend auf konventioneller Wasserkraft und fossilen Energieträgern beruhte. Eine Reform, die die Besonderheiten für erneuerbare Energieträger berücksichtigt, wäre dringend erforderlich.

    Gesetzgebung im chilenischen Energiesektor

    Jahr

    Gesetzesnummer

    Name des Gesetzes

    Warum wurde das Gesetz erlassen?

    1982

    DFL Nr. 1
    https://bcn.cl/2fa5f (DFL: Decreto con fuerza de ley)

    Ley General de Servicios Eléctricos /
    Allgemeines Gesetz für Stromdienstleistungen

    Der Stromsektor stützt sich auf dieses Gesetz. Es regelt die Erzeugung, Übertragung und Verteilung von elektrischem Strom, die Konzessionsbestimmungen sowie die Tarifsetzung.


    Stromerzeugung und -übertragung sollen durch Verbundnetze in der Verantwortung von privaten Unternehmen liegen.

    2004

    19.940
    https://bcn.cl/30qzu

    Ley corta I /Kurzes Gesetz I

    Reguliert Stromübertragungssysteme und führt eine neue Tarifregelung für mittelgroße Anlagen sowie Anpassungen des allgemeinen Gesetzes über Stromdienstleistungen ein.


    Jeder Stromerzeuger hat Zugang zum Spotmarkt und der Strom kann zum Grenzkostenpreis und generierte Leistung zum Knotenpreis verkauft werden.


    Anschlusspflicht der Netzbetreiber an jeweiligen Netzbereich sowie das Recht auf Einspeisung von Strom aus Kraftwerken mit einer Kapazität von unter 9 MW.


    Dezentrale Stromerzeuger, die erneuerbare und nichtkonventionelle Energieformen nutzen, werden bis zu einer Leistung von 9 MW vollständig und bis 20 MW teilweise von den Übertragungskosten bei der Netzeinspeisung befreit.

    2005

    20.018
    https://bcn.cl/2jmm5

    Ley corta II / Kurzes Gesetz II

    Das Gesetz wurde aufgrund des Lieferstopps von Erdgas aus Argentinien erlassen.


    Einführung von Ausschreibungsverfahren für die Vergabe von langfristigen Lieferverträgen (15-20 Jahre) zwischen Erzeugungs- und Stromverteilungsunternehmen zur Endkundenversorgung.

    2008

    20.257
    https://bcn.cl/2f76w

    Ley ERNC / Gesetz für nicht-konventionelle erneuerbare Energieträger

    Förderung der nicht-konventionellen, erneuerbaren Energieträger: Energieerzeuger werden dazu verpflichtet, einen Mindestanteil von 5 Prozent an erneuerbaren Energieträgern einzuspeisen.


    Der Prozentsatz wird graduell bis auf 10 Prozent im Jahr 2020 und 20 Prozent im Jahr 2025 erhöht.

    2013

    20.698
    https://bcn.cl/2jusa

    Ley ERNC 20-25 / Gesetz für nicht-konventionelle erneuerbare Energieträger

    Erweiterung der Strommatrix durch nicht-konventionelle erneuerbare Energiequellen.

    2013

    20.698

    https://bcn.cl/2jusa

    Ley de ampliación de la matriz energética

    Öffentliche Ausschreibungen für die Endkundenversorgung beinhalten nun auch speziell für erneuerbare Energien ausgelegte Stromblöcke.

    2014

    20.726
    https://bcn.cl/2oq4g

    Interconexión / Verbundwirtschaft

    Fördert die Zusammenschaltung der unabhängigen Verbundnetze im Norden und Zentrum Chiles (SIC und SING) mit einer installierten Leistung von mehr als 200 MW.


    Ziel ist die Förderung von Wettbewerb, Senkung der Energiepreise und eine bessere Nutzung der Stromerzeugung.

    2014

    20.571

    https://bcn.cl/2ie9p

    Ley de Generación Distribuida /

    Net-Billing-Gesetz

    Regelt die Zahlungsmodalitäten zwischen Verteilungsunternehmen und kleinen (meist privaten) Stromerzeugern bis 100 kW installierten Kapazitäten und einer Anschlussleistung von weniger als 2.000 kW


    Eigenproduzenten dürfen überschüssigen oder nicht konsumierten Strom zu regulierten Tarifen in das Niederspannungsnetz einspeisen.

    2015

    20.805
    https://bcn.cl/2juvt

    Licitaciones de suministro / Ausschreibungen für die Stromversorgung

    Verbessert das Ausschreibungssystem auf dem Stromversorgungsmarkt.

    2016

    20.936
    https://bcn.cl/2f8zl

    Ley de Transmissión / Übertragungsgesetz

    Änderung in der Planung und Bezahlung der Übertragung.


    Gründung eines neuen Stromübertragungssystems und einer unabhängigen Koordinationsstelle des nationalen elektrischen Systems (Coordinador Eléctrico Nacional CEN).

    2019

    21.185
    https://bcn.cl/2k64p

    Precio Estabilizado / Preisstabilisierung

    Vorübergehende Stabilisierung des Strompreises aufgrund des Estallido Social.

    2022

    21.472
    https://bcn.cl/3470r

    Precio Estabilizado 2 / Preisstabilisierung 2

    Führt einen Tarifstabilisierungsfonds und einen neuen Mechanismus zur vorübergehenden Strompreisstabilisierung zum Schutz der Kunden (Mecanismo Transitorio de Protección al Cliente MPC) ein.


    Laufzeit des Fonds bis zum 31.12.2032.

    2022

    21.505
    https://bcn.cl/39z5u

    Almacenamiento y Electromovilidad / Speicherung und Elektromobilität

    Änderung des allgemeinen Gesetzes für Stromdienstleistungen, um Speichersysteme und Elektromobilität zu fördern.


    Die Förderung von Speichertechnologien soll die Beteiligung erneuerbarer Energien am Stromnetz unterstützten. Reine Speichersysteme, die nicht mit Kraftwerken verbunden sind, sollen Einnahmen auf dem Erzeugermarkt erhalten.


    Schafft Anreize für den Umstieg auf Elektrofahrzeuge. Diese sollen zwei Jahre lang von der Zulassungsgebühr befreit werden.


    Einführung des Begriffs "Erzeugungs- und Verbrauchsanlage" als produktive Infrastruktur, die z.B. für die Wasserstofferzeugung und Meerwasserentsalzung bestimmt ist.

    Quelle: Nationale Kongressbibliothek Chiles 2023, AHK Chile


    Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

  • Marktorganisation

    Chiles Strommarkt ist hochkomplex. Für Großerzeuger von Solar- und Windstrom wird die scheinbar Marktgesetzen folgende Preisbildung an Spotmärkten zunehmend zur Verlustfalle.

    Die heutige Organisation des chilenischen Strommarktes geht wesentlich zurück auf das "DFL N´1 Ley General de Servicios Electricos" von 1982. Es trennte den zuvor monopolistisch-staatlich organisierten Markt in drei Segmente: Stromerzeugung, Stromübertragung und Stromverteilung – und ermöglichte die Beteiligung privater Unternehmen in allen drei Segmenten.

    In der Folge wurde dieses erste Gesetz durch weitere ergänzt, darunter zwei, die sich explizit mit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen befassen. Ziel war die Schaffung von mehr Wettbewerb durch mehr Marktteilnehmer, mehr Effizienz und damit günstigere Strompreise für die Kunden. Allerdings ist das hieraus resultierende System angepasst an einen großen Anteil von konventioneller Wasserkraft beziehungsweise fossiler Energieträger.

    Stromanbieter in Chile schreiben Verluste

    Preisbildung an Chiles Strom-Spotmärkten:

    Drei Faktoren sind für IPPs entscheidend bei der Preisbildung:

    • der im Purchase Power Agreement (PPA) mit dem Endkunden vereinbarte Preis,
    • der Verkaufs- beziehungsweise Einspeisepreis am fixen Einspeiseknoten (Spotmarkt 1) und
    • der Einkaufs- beziehungsweise Entnahmepreis am Entnahmeknoten seiner Kunden (Spotmarkt 2).

    Während der PPA-Preis festgelegt ist, werden Einspeise- und Entnahmepreise stündlich anhand der Angebots- und Nachfrageseite neu bestimmt. Anders ausgedrückt: Die Firmen wissen nicht, zu welchem Preis sie einspeisen können – und angesichts der fehlenden Transportkapazitäten geht der Preis zur Mittagszeit im Norden mitunter gegen Null – und sie wissen nicht, zu welchem Preis sie den Strom wieder aus dem Netz entnehmen können. Sie kennen nur ihre Lieferverpflichtung zum Fixpreis.  

    Fiktives Beispiel: Ein Solarpark speist im Norden des Landes am dortigen Knoten ein und erhält 5 US-Dollar (US$) für eine Megawattstunde (MWh). Am Entnahmeknoten muss er dagegen 60 US$ für eine MWh zahlen. Diese Strommenge liefert er im Anschluss auf Basis eines langfristigen Stromliefervertrags (Power Purchase Agreement, PPA) für vertraglich festgelegte 50 US$ an seinen Kunden. Damit hat er 5 US$ verloren und muss zusätzlich die Mautgebühren für die Leitungsnutzung entrichten.  

    Aufgrund der überlasteten Stromübertragungskapazitäten müssen aktuell quasi alle IPPs im Bereich Wind- und Sonnenenergie Verluste verbuchen. Die ersten Parks sahen sich bereits gezwungen, Insolvenz anzumelden. Gewinne machen dagegen die vier großen Stromversorger: Colbún aus Chile, Enel aus Italien, Engie aus Frankreich und AES Andes aus den USA. Sie können aufgrund ihrer Rückgriffsmöglichkeiten auf konventionelle Energieträger zu Zeiten verkaufen respektive einspeisen, an denen die Preise hoch sind.

    Vor diesem Hintergrund vermuten Branchenvertreter, dass in fünf Jahren von den kleineren kommerziellen Solarparks keiner mehr am Markt sein wird. Das Ergebnis wäre das Ende für den bisher bunten Wettbewerb durch die Bildung starker Oligopole.

    Der chilenische Solarmarkt - die Angebotsseite

    Akteur

    Bedeutung*)

    Besonderheiten und Herausforderungen

    Sehr kleine Solarstromproduzenten; vorwiegend für den Eigenbedarf zwischen 0 und 300 Kilowatt (kW) Kapazität.

    etwa 5 Prozent der installierten Solarstrom-Erzeugungskapazitäten

    Für Kleinverbraucher und kleine Unternehmen gilt das Netbilling-Gesetz 21.118 von 2018. Sie können sich für den Eigenverbrauch zum Beispiel Solarpanels aufs Dach montieren lassen und – mit einem Abschlag abhängig vom Bezugspreis des Stroms – ohne Mengenbegrenzung überschüssigen Strom ins lokale Verteilnetz mit einer Spannung von 23 Kilovolt einspeisen. Für Privatpersonen gilt ein Limit als Anschlusskapazität von 20 Kilowatt (kW), für juristische Personen (Unternehmen) bis zu 50 Kilowatt (kW).

    Kleine bis mittelgroße Solarstromproduzenten; 300 Kilowatt (kW) bis drei Megawatt (MW) beziehungsweise drei bis neun Megawatt (MW), sogenannte PMGDs (Pequeños Medios de Generación Distribuida)

    etwa 20 Prozent der installierten Solarstrom-Erzeugungskapazitäten

    Wie Kleinproduzenten speisen PMGDs ins lokale Verteilnetz bei 23 Kilovolt Spannung ein. Der Einspeisepreis wird alle sechs Monate als "precio de nudo de corto plazo" (PNCP) festgelegt. Statt des vorherigen einheitlichen Tagespreises gibt es neuerdings sechs fixe Zeitbänder, nach wie vor gilt jedoch eine Abnahmegarantie für jede eingespeiste Menge.

    Dass die Erzeuger mittags keine so hohen Raten mehr erzielen, soll sie dazu motivieren, verstärkt in Speichertechnologien zu investieren. Ob sich das rechnet, hängt jedoch vom jeweiligen Standort und der künftigen Preisentwicklung ab. 


    Großanlagen; über 9 Megawatt (MW; Utility-Scale) der unabhängigen Solarstromerzeuger (IPP)


    etwa 75 Prozent der installierten Solarstrom-Erzeugungskapazitäten; meist im freien Wettbewerb von internationalen Firmen errichtet.

    IPPs können entweder direkt vor Ort an einen Großabnehmer verkaufen oder müssen in den nächstgelegenen Knoten des Hochspannungsnetzes einspeisen.

    Kritisch ist dies für das Gros der Solarparks, welche sich naturgegeben im Norden des Landes in der Atacama-Wüste befinden. Dort ist die Sonnenintensität hoch, der Verbrauch vor Ort aber niedrig. Von dort wird der Strom dann über – überlastete – Überlandleitungen in die Verbrauchszentren gebracht.

    Die Knoten fungieren als Spotmärkte, das heißt, ist das Angebot am Einspeiseknoten – etwa zur Mittagszeit – sehr groß und übersteigt die Leitungskapazitäten, dann unterbieten sich die Anbieter und der Strompreis geht gegen Null. Mittlerweile ist dies die Regel, denn die installierte Kapazität an Solarparks im Norden Chiles, die in die bestehende Überlandleitung in die Metropolregion Santiago einspeisen, ist inzwischen auf sieben Gigawatt (GW) gestiegen, während die Übertragungskapazität nur 2,2 Gigawatt (GW) beträgt.


    *) BranchenschätzungenQuelle: GTAI-Zusammenstellung

    Nur Großkunden wählen ihren Stromlieferanten frei 

    Laut Gesetz haben Kunden ab einer Anschlussleistung zwischen 500 und 2.000 Kilowatt (kW) die Wahl, ob sie ihren Stromerzeuger selbst aussuchen wollen, ab 2.000 Kilowatt (kW) sind sie gezwungenermaßen "freie Kunden" (clientes libres).

    Derzeit gehen rund 40 Prozent des erzeugten Stroms an "regulierte" Kunden, 60 Prozent nehmen freie Kunden ab – allen voran der Bergbau. Dies ging aus einem Workshop zu den Herausforderungen des chilenischen Strommarktes der AHK Chile im April 2023 hervor.

    Neue Ausschreibungen zur Stromverteilung

    Da der Stromverbrauch weiter zulegt, öffnet die Nationale Energiekommission CNE etwa alle zwei Jahre neue Ausschreibungen zur Stromverteilung; die Endverbraucher werden im Anschluss den Konzessionären zugeteilt (zum Beispiel in der Metropolregion Santiago Enel). Nach Auskunft des Stromdienstleisters EnorChile lagen bei den letzten Ausschreibungen die (zuvor nicht bekannten) Stromhöchstpreise, zu denen der Zuschlag erteilt worden wäre, unter den von den Firmen eingereichten Angebotspreisen. Neue Konzessionen wurden deshalb keine vergeben.

    Die erste große Ausschreibung fand 2015 statt. Ausgeschrieben waren insgesamt 12.430 Gigawattstunden (GWh) in fünf Blöcken. Das entsprach etwa einem Drittel des Stromverbrauchs des heutigen SEN-Netzes (Sistema Eléctrico Nacional). SEN versorgt etwa 98,5 Prozent der chilenischen Bevölkerung. 84 nationale und internationale Anbieter nahmen teil. Die ausgeschriebene Strommenge wurde zum Durchschnittspreis von 43,2 US$ pro MWh vergeben. Die Blöcke haben eine Laufzeit vom 1.1.2021 bis 31.12.2040 sowie vom 1.1.2022 bis 31.12.2041.


    Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

  • Marktchancen

    Langfristig braucht Chile viele weitere Solaranlagen. Speicher gewinnen massiv an Gewicht. Zukunft haben ESCo-Projekte. Projektentwickler und Servicedienstleister sind gefragt.

    "Chile ist Schauplatz einer Revolution", sagt Daniel Rosende Völker, geschäftsführender Direktor für Lateinamerika des deutschen Wechselrichterherstellers SMA, zum Umbruch in der chilenischen Stromwirtschaft. An vorderster Front agieren die Betreiber von Fotovoltaikanlagen: Sie hatten entscheidend Anteil daran, dass in Chile 2022 erstmals mehr Strom aus erneuerbaren als aus fossilen Energieträgern stammte.

    Satte 41,6 Prozent mehr Sonnenstrom wurde 2022 in Chile erzeugt als im Vorjahr (zum Vergleich Wind: 26,7 Prozent; Gesamtanstieg der Stromerzeugung lediglich 3,7 Prozent).  Mit knapp 14.500 Gigawattstunden (GWh) trug Solarstrom rund 17,4 Prozent zur Gesamtstromerzeugung des Landes bei, so der chilenische Verband der Stromerzeuger Generadoras de Chile.

    Und der Ausbau geht - wenn auch abgeschwächt - weiter. Laut ACERA, dem Verband der unabhängigen Stromerzeuger aus erneuerbaren Energieträgern, befanden sich im April 2023 installierte Kapazitäten von

    • 1.332 Megawatt (MW) im Probebetrieb,

    • 4.407 Megawatt (MW) in Bau,

    • 19.898 Megawatt (MW) im Genehmigungsprozess sowie

    • 4.332 Megawatt (MW) in der Begutachtung.

    Diesen Daten stehen installierte Kapazitäten von 7.267 Megawatt (MW) gegenüber.

    Ausgewählte Solarprojekte in der Umweltprüfung in Chile

    Projektbezeichnung, Standort

    Installierte Kapazität (MW)

    Unternehmen

    Status

    Planta Fotovoltaica Gran Teno, De Maule

    240,5

    GR Algarrobo SpA

    in Bau

    Parque Fotovoltaico Aurora Solar, Tarapacá

    220

    Tamaugal Solar SpA

    in Bau

    Parque Fotovoltaíco Llanos de Marañón, Atacama

    458

    Parque Solar Llanos de Marañón SpA

    Begutachtungsphase

    Parque Fotovoltaico Celda Solar

    369,2

    Colbún S.A.

    Begutachtungsphase

    Parque Solar Fotovoltaico Tirana Oeste

    336

    FRV Services Chile SpA

    Begutachtungsphase

    Parque Fotovoltaico Alfa Solar

    854*

    Pleiades S.A

    Genehmigungsprozess

    Planta Fotovoltaica Inti Pacha

    719*

    Colbún S.A.

    Genehmigungsprozess

    Parque Fotovoltaico Pauna Solar

    671*

    Pauna Solar SpA

    Genehmigungsprozess

    *) Nettopotenzial (in Megawatt)Quelle: ACERA 2023

    Sonneneinstrahlung so intensiv wie fast nirgendwo

    Chile bietet landesweit hervorragende Voraussetzungen für die Erzeugung von Solarstrom, zeigt der Global Solar Atlas.

    Am stärksten ist die Sonneneinstrahlung in der Atacamawüste im Norden. Dort beträgt die direkte Sonneneinstrahlung teilweise weit über 3.000 Kilowatt pro Stunde und Quadratmeter (kWh/m²). Im Raum Santiago ist die Sonneneinstrahlung mit der in Südspanien vergleichbar und selbst in einigen Ortschaften in Patagonien ist das Fotovoltaik-Potenzial besser als etwa in Freiburg im Breisgau, einem der sonnigsten Orte Deutschlands. In der Folge können Solarmodule in Chile an geeigneten Standorten an 37 Prozent der Stunden pro Jahr Strom liefern (zum Vergleich: Spanien 25 Prozent).

    Unternehmen erzeugen Strom auf dem Firmengelände

    Mit 6.023 Fotovoltaikanlagen zum Eigenverbrauch wurden 2022 rund doppelt so viele in Chile installiert wie im Vorjahr, so der Solarenergieverband Acesol. Landesweit soll es derzeit mehr als 16.000 geben. Unterstützt werden einige der Projekte durch Kofinanzierungsprogramme des Energieministeriums.

    Nachfragetreiber sind vor allem "nicht-regulierte" Unternehmen. Viele Stromlieferverträge laufen in den nächsten Jahren aus; Neuverträge werden durch die gestiegenen Energiepreise erheblich teurer sein. Hinzu kommt der Wunsch nach einem "grünerem Auftritt" gegenüber Kunden und Anteilseignern.

    ESCo-Anlagen als Modell der Zukunft

    Frank Dinter, Geschäftsführer von Fraunhofer Chile, sieht in ESCo ("Energy Service Company") ein wichtiges Vehikel zur Förderung der Solarenergie: "Die Industriefirmen wollen nicht in Energiebereitstellung investieren, sondern Strom und auch Wärme geliefert bekommen." 

    Mit ESCo finanziert ein Dritter die Anlage, die auf dem firmeneigenen Grundstück errichtet wird. Zwischen Erzeuger und Abnehmer wird ein Power Purchase Agreement (PPA) geschlossen, wobei der Produzent dem abnehmenden Unternehmen den Strom zu einem niedrigeren Satz abgibt als den Preis, den er im Netz bezahlen müsste. Diese Nische bedient etwa der deutsche Energy-as-a-Service Anbieter ecoligo. Er sammelt im Internet über Crowd-Investing Geld, um unter anderem Solarprojekte in Chile zu finanzieren.

    Laut Stefan Fritz, Country Manager von Anumar Chile, ist speziell der Bereich PMGD (Pequeños Medios de Generación Distribuida) für den deutschen Mittelstand interessant. Anumar gründete 2015 eine Niederlassung in Chile zum Bau eines Solarparks und ging 2022 mit einer eigenen Anlage in Villa Alemana ans Netz.

    Im Gegensatz zum derzeit im Umbruch befindlichen Segment der großen Solarstromparks ist das dezentrale PMGD-Segment planbar, da die Produzenten mengenunabhängig zu tageszeitlich festgelegten Preisen ins lokale Verteilernetz einspeisen. Dass die Erzeuger mittags keine so hohen Raten mehr erzielen, soll sie dazu motivieren, in Speichertechnologien zu investieren. Generell punktet Chile mit seinen stabilen Investitionsbedingungen.

    Großanlagen über 9 Megawatt vorerst nur noch für Direktvertrieb

    Angesichts der Engpässe bei den Hochspannungsleitungen sieht GIZ-Energieexperte Michael Schmidt Wachstumschancen im Utility-Bereich vorerst nur noch dort, wo das Überlandleitungsnetz umgangen werden kann – etwa durch die direkte Versorgung von Großkunden: "Gegenwärtig sieht es so aus, als würden die Wasserstoffprojekte früher neue Nachfrage vor Ort generieren, als der Bau neuer Überlandleitungen Entlastung schaffen kann."

    Tatsächlich will Chile mittels Wasserstoff nicht nur die eigene Energiewende schaffen, sondern außerdem Exportweltmeister für grünen Wasserstoff werden.

    Generell gilt der Bergbau als großer Nachfrager für Strom aus erneuerbaren Energieträgern.

    Speichertechnologien sind dringend erforderlich

    Ob kleine, mittelgroße oder Großprojekte – für alle liegt die Zukunft in der Installation geeigneter Speichertechnologien:

    • zum Ausgleich von Stromnachfrage- und -angebotsschwankungen

    • und damit die Solaranlagen rentabler werden, weil die installierte Leistung besser ausgenutzt werden kann.

    Sofern es nur darum geht, die Einspeisung um wenige Stunden zu verschieben, gelten Lithiumbatterien als Speichermedium der Wahl. Zumal diese – nicht zuletzt gepuscht durch den Trend zur Elektromobilität – immer schneller und preisgünstiger zu haben sein werden. Nach Daina Neddemeyer, GIZ-Projektleiterin und verantwortlich für die Deutsch-Chilenische Energiepartnerschaft in Santiago, sollten Firmen beim Thema Speichern jedoch auch andere Möglichkeiten wie Carnot-Batterien in Kraftwerksgröße betrachten. Auch die Erzeugung von Wasserstoff vor Ort kann eine Option sein.

    Gemäß Annika Schüttler, Projektleiterin für Energie & Nachhaltigkeit bei der AHK Chile, werden in Chile dringend Systeme gebraucht, um die bestehenden Netzengpässe zu erweitern. In diesem Sinne organisierte die AHK Chile, zuständig für die Ausführung der Wirtschaftskomponente der Energiepartnerschaft, im Juni 2023 eine Study Tour für acht Vertreter aus Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor aus Chile und Argentinien nach Deutschland. Die Gruppe informierte sich unter anderem beim Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW über das Grid-Booster-Projekt, welches TransnetBW mit Fluence Energy in Baden-Württemberg umsetzt. Der 250-Megawatt-Grid-Booster beinhaltet Energiespeicher und Engpassmanagement, um das Übertragungsnetz zu unterstützen einschließlich Diensten zu Themen synthetischer Trägheit, dynamischer Spannungsregelung und Hilfe bei Notfällen.

    Chancen werden deshalb auch für teurere CSP-Anlagen (Concentrated Solar Power) wie den Cerro Dominador gesehen. Fraunhofer Chile propagiert dezentrale CSP-Anlagen für die Solarstromproduktion rund um die Uhr für den Norden Chiles.

    Was ist der Cerro Dominador?

    Der 250 Meter hohe Turm in der Atacama-Wüste ging 2021 ans Netz. Vom Boden aus reflektieren 10.600 jeweils 140 Quadratmeter große Heliostaten die Sonnenstrahlen gebündelt auf den Receiver an der Spitze des Turms und erhitzen dort ein Gemisch aus Natrium- und Kaliumnitrat-Salzen auf 565 Grad Celsius. Die Sonnenenergie wird thermisch in großen Tanks zwischengelagert und über Wärmetauscher zur Wasserdampfproduktion verwendet. Der Dampf treibt eine 110-Megawatt-Turbine an. Diese erzeugt 24/7 Strom.

    Servicedienste gefragt

    Abgesehen vom "puren" Anlagenbau sehen Fachleute wie David Rau von Flux Solar einen großen Bedarf an Service-Firmen angefangen bei der Installation über die Wartung bis hin zur Projektbewachung oder Hilfe beim günstigsten Einspeisezeitpunkt.

    In diese Lücke stößt zum Beispiel auch EnorChile. Die chilenische Firma überwacht vor allem Anlagen von PMGD-Firmen, aber auch solche aus dem Utility-Bereich mit eigener Software und mit Hilfe künstlicher Intelligenz von Santiago aus. Das heißt, sie kontrolliert sie, kennt alle Einspeise- und Entnahmedaten und prognostiziert den Strombedarf des nächsten Tages nach Tageszeiten, sodass die Kunden den Strom zum höchstmöglichen Preis verkaufen können.

     

    Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

  • Markthemmnisse

    Je nach Projektgröße behindern unterschiedliche Faktoren den weiteren Ausbau der Solarenergie in Chile. Für Großanlagen ab 9 Megawatt sind sie inzwischen aber existenzbedrohlich.

    Große Solarstromprojekte in der Verlustzone

    Große Solarstromerzeuger leiden unter der unzureichenden Netzstruktur im Verbund der nicht kostendeckenden Einspeisepreise ins Hochspannungsnetz. Letzteres ist vor allem ein politisches Problem. Bislang sind die politisch Verantwortlichen tragfähige Lösungen schuldig geblieben. Bis ausreichende Netzkapazitäten geschaffen sind, geht mindestens eine Dekade ins Land. Die meisten Firmen dürften bis dahin aufgegeben haben. Neue Projekte stocken und internationale Banken – darunter die KfW IPEX – verhalten sich inzwischen reserviert, weil sich Solarparks unter diesen Bedingungen nicht mehr rechnen.

    Hohe Abregelungsraten und Verluste

    Im Jahr 2022 wurden laut ACERA 20 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern oder 7.938 Gigawattstunden (GWh) zum Nulltarif verrechnet. Dies führte bei den Erzeugern zu Verlusten in Höhe von 706 Millionen US$. Im Jahr 2023 mussten im ersten Quartal bereits 35 Prozent der erneuerbaren Energien zum Nulltarif eingepreist werden; die hieraus entstandenen Verluste veranschlagt der Verband auf 308 Millionen US$. Hinzu kommen Abregelungsverluste im Jahr 2022 von 1.471 GWh beziehungsweise 131 Millionen US$. Laut ACERA hätten sich damit 600.000 Haushalte versorgen lassen. Bis zum 31. März 2023 erreichten die Verluste 458 GWh, 73 Prozent mehr als in der entsprechenden Vorjahresperiode, beziehungsweise 48 Millionen US$.

    Anders ausgedrückt: Allein im März 2023 wurde so viel Strom nicht ins Netz eingespeist wie ganz Santiago in zwei Monaten verbraucht, nämlich 2.387 GWh.

    Laut ACERA wird sich die Situation im laufenden Jahr 2023 weiter verschärfen, da sich allein im Norden von Coquimbo Wind- und Sonnenenergieanlagen mit einer installierten Kapazität von 2.862 Megawatt (MW) im Aufbau befinden – landesweit sind es 5.653 MW.

    Vor diesem Hintergrund ist der bisherige Erfolg der erneuerbaren Energieträger und sogar die geplante Dekarbonisierung in Chile gefährdet. Denn wenn die Rentabilität nicht gewährleistet ist, dann werden keine Großanlagen mehr gebaut – selbst, wenn sie Speicherkapazitäten haben.

    Chiles Netzstruktur bremst den Ausbau

    Chile verfügt laut Branchenverband ACERA über rund 8,2 Gigawatt (GW) installierte Kapazitäten allein an Solarenergie (Stand April 2023). Diese sind vorwiegend im Norden angesiedelt. Die dortigen Übertragungskapazitäten bis in die Hauptstadtregion, wo der Strom nachgefragt wird, liegen aber nur bei 2,1 GW in der Hochspannungsleitung. Die Diskrepanz ist offensichtlich.

    Während ein Solarpark, Experten zufolge, schon nach zwei Jahren betriebsbereit sein kann, ist bei der Fertigstellung großer Überlandleitungen mit rund 10 Jahren von der Ausschreibung bis zur Inbetriebnahme zu rechnen. Die 1.500 Kilometer lange Kimal-Lo-Aguirre beispielsweise wird frühestens ab 2029 Antofagasta mit Santiago verbinden.

    Abgesehen von wenigen autonomen, abgelegenen Inselnetzen, die sich meist auf Dieselgeneratoren stützen gibt es in Chile drei voneinander unabhängige Verbundnetze:

    • Das bei Weitem größte ist das Sistema Eléctrico Nacional (SEN; vormals getrennt in SIC und SING). Es bedient 98,5 Prozent der chilenischen Bevölkerung und versorgt Kunden auf einer Länge von mehr als 3.000 Kilometern von Arica ganz im Norden bis zur Insel Chiloé zwei Flugstunden südlich von Santiago.
    • SEA deckt Aysen ab und
    • SEM Patagonien sowie weitere

    Die für alle zuständige Überwachungsbehörde ist der chilenische Netzkoordinator Coordinador Electrico Nacional (CEN). Für CEN hat Versorgungssicherheit oberste Priorität. In der Praxis bedeutet dies, dass in großem Umfang Parallelleitungen freigehalten werden für den Fall von Unterbrechungen. Anders ausgedrückt: Schon im aktuellen Stadium könnte das chilenische Stromnetz deutlich mehr Strom aufnehmen, wenn CEN die Prioritäten vom Faktor (übertriebener) Sicherheit hin zu mehr Effizienz verlagerte.

    Hintergrund ist, dass die verantwortlichen Mitarbeiter bei CEN mit ihrem privaten Vermögen für die Folgen von Blackouts haften. An einer Effizienzsteigerung über die Nutzung bereits vorhandener Kapazitäten im Netz hat CEN daher kein Interesse. Auch ökonomische Effizienz ist zweitrangig. In der Folge sind viele technische Lösungen, in Chile nicht oder zu wenig bekannt. CEN arbeitet bevorzugt mit bewährten Technologien, um möglichst kein Risiko einzugehen.

    Tatsächlich waren Stromausfälle in der Vergangenheit nicht selten. Im Jahr 2019 lagen sie laut CEN bei im Schnitt 6,2 Stunden; 2021 waren es nur noch 1,9 Stunden per annum.

    Mittelgroße Solarstromerzeuger vor Finanzierungs- und Standortproblemen

    Im Vergleich zu Großanbietern arbeiten PMGD-Anbieter in einer "heilen" Welt mit festen Einspeisepreisen und Abnahmesicherheit. Generell brauche, wer in Chile in Solarparks investieren will, einen langen Atem, weiß Stefan Fritz, Country Manager von Anumar Chile. Allein für die verschiedenen Genehmigungsprozesse sind rund drei Jahre einzuplanen, davon allein für die Umweltprüfung eines. Jedoch handelt es sich bei der Bewältigung dieser scheinbar hohen Hürden eher um Fleißarbeit – "am Ende funktioniert es meist doch irgendwie", weiß Fritz.

    Das dickste Brett zu bohren ist die Finanzierung. Chilenische Banken öffnen ihre Kassen erst bei großen Projektvolumen. Bei kleineren Objekten fordern sie eine Projektbündelung plus einen Eigenanteil zwischen 30 und 40 Prozent. Ähnlich arbeiten Investitionsfonds wie Black Rock oder Versicherungsgesellschaften, die in Chile an Projekten im Bereich erneuerbare Energie beteiligt sind. Generell ist Geld in Chile teuer. Als in Deutschland Kredite zu 1,5 Prozent Zinssatz zu haben waren, verlangten die Banken in Chile zwischen sieben und neun Prozent. Kommt das Fremdkapital aus Deutschland, entstehen aufgrund des nicht vorhandenen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Chile – neben anderen Problemen – zusätzliche Kosten. Viele Projekte im Bereich erneuerbare Energie werden daher von internationalen Investitionsfonds wie Black Rock oder Versicherungsgesellschaften gehalten.

    Darüber hinaus bedeutet Einspeisevorrang gegenüber Neulingen auch, dass der Markt für neue PMGD-Projekte trotz wachsender Stromnachfrage gesättigt ist; denn an einen Standort im lokalen Verteilernetz "passen" maximal ein bis zwei Anlagen, dann ist die Leitung belegt. "Die Hauptherausforderung besteht darin, die Lücke im Netz zu finden", so Stefan Fritz. Deshalb "wandern" die PMGD-Solarprojekte immer weiter vom vormals bevorzugten Norden in den Süden des Landes (unter Auslassung der unruhigen Region La Araucania).

    Kleine Solarstromproduzenten stehen vor Preisproblemen

    Das Gros der Menschen (und auch der Unternehmen) hat andere Prioritäten, als sich mit erneuerbarer Energie zu befassen. Zuvorderst steht der kurzfristige Preis. Lieber wird zum Beispiel weniger geheizt, als sich mit dem bürokratischen Aufwand auseinanderzusetzen, den eine Heizungsinstallation erfordert. Auch ist es erst einmal schwierig, jemanden zu finden, der eine Anlage fachgerecht installiert und wartet. Der generell in Chile beklagte Mangel an gut ausgebildeten und erfahrenen Fachkräften trifft auch auf die Fotovoltaik-Branche zu.

    Entsprechend sehen Branchenvertreter das Haupthemmnis für das Kleinerzeugersegment in der chilenischen Mentalität. "Sie machen es einfach nicht", sagt Jaime Gomez Marnell, Country Manager von ecoligo in Chile. Was sich nicht in spätestens zwei Jahren amortisiert, wird nicht angeschafft, so die Erfahrung – selbst wenn die Amortisierungszeit fünf Jahre dauert und sich die Anlage rund 20 Jahre nutzen lassen würde.

    In einem Mehrfamilienhaus mit mehreren Eigentümern lässt sich deshalb erfahrungsgemäß kaum Einigkeit darüber erzielen, Geld für nachträgliche Bauinstallationen in die Hand zu nehmen – selbst wenn sich dies mittelfristig rechnen würde.

    So viel kostet Strom in Chile

    Nach dem chilenischen Recht bezahlen die Stromkonsumenten gestaffelt umso mehr, je mehr sie verbrauchen: Dieser Mehrpreis ist seit August 2022 beim Verbrauch von

    • bis zu 350 Kilowattstunden im Monat nichts,
    • bis zu 500 Kilowattstunden 0,8 Pesos (umgerechnet rund 0,1 US-Cent),
    • bis zu 1.000 Kilowattstunden 1,8 Pesos (rund 0,2 US-Cent),
    • bis zu 5.000 Kilowattstunden 2,5 Pesos (0,3 US-Cent).
    • Ab 5.001 Kilowattstunden sind 2,8 Pesos (knapp 0,4 US-Cent) fällig.

    Mit anderen Worten: Die insgesamt eher niedrigen Strompreise verlängern die Amortisierungszeiträume und lassen die Investition als nicht mehr so attraktiv erscheinen.

    Darüber hinaus sind praktische Probleme zu überwinden. Zum Teil fehlt es an Wissen über die potenziellen Möglichkeiten – technisch sowie zu vorhandenen Förderungen, zum Teil am Kapital oder auch nur am Smart Meter, um eine genaue Abrechnung zu gewährleisten. In der Tat sind Smart Meter bislang selten. Der Versuch der Regierung 2019, diese landesweit einzuführen, war auf großen Widerstand der Verbraucher gestoßen, die Mehrkosten und Überwachung fürchteten.

    Daran änderte bislang auch eine Reihe von Vorzeigeobjekten – auch von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ – nichts. "Das Potenzial im Bausektor ist bei Weitem nicht ausgeschöpft – was fehlt, sind entsprechende Regulierungen im Bauwesen", so Daina Nedermeyer, GIZ-Projektleiterin und verantwortlich für die Deutsch-Chilenische Energiepartnerschaft. "Eine Stadt wie Santiago könnte sich mit seinen Sonnentagen theoretisch quasi komplett aus Solarstrom versorgen – angefangen bei den Solarstrompanels auf dem Dach über die Integration von Solartechnik in Gebäudefassaden (wenigstens bei neuen Bürotürmen) bis hin zu besseren Verschattungssystemen."

    Bislang gibt es jedoch keine Initiativen aus der Politik. Dabei müsste das Interesse groß sein, zumal die Zunahme der Eigenversorgung auch die Netzkapazitäten entlastet.


    Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

  • Branchenstruktur

    Chile ist bei der Solarstromgewinnung vielfach von Importen abhängig. Das meiste kommt aus China. Deutsche Firmen können dort mit Qualität punkten, wo Ausfälle viel Geld kosten.

    Es gibt in Chile keine Firma, die Solarmodule herstellt. Das Land ist komplett von Einfuhren abhängig. Gleiches gilt für die Elektronik. Das Gros der Einfuhren kommt aus Asien – allen voran aus China. Die Situation ist ähnlich wie in Deutschland. Vor Ort produziert werden zum Beispiel Stahlpfosten beziehungsweise Unterkonstruktionen für die Panels sowie Transformatoren. Weitere Lieferanten sind Branchenangaben zufolge Spanien, in Einzelfällen auch Deutschland.

    Im Bereich Wechselrichter hat sich beispielsweise SMA aus Niestetal seit 2012 mit einer Niederlassung in Santiago etabliert. Ganz klar die größte Herausforderung vor Ort ist die Konkurrenz aus China,  speziell durch Huawei und Sungrow. Gerade Huawei ist sehr aggressiv in Lateinamerika unterwegs, weil ihm der US-amerikanische Markt und zunehmend auch Europa verschlossen sind. Dagegen bestehen in den lateinamerikanischen Ländern kaum sicherheitstechnische Vorbehalte gegenüber Firmen aus der Volksrepublik.

    Industrieunternehmen im Lernprozess: Billig kommt oft teuer

    Generell punkten chinesische Produkte vor allem über den Preis. Wenn etwas kaputtgeht, wird es rasch durch ein ebensolches Billigprodukt ausgetauscht. Dass Investitionen in mehr Qualität und damit in Zuverlässigkeit und längere Laufzeiten sich auszahlen, ist ein Lernprozess, der gerade bei Industriekunden stattfindet, so Daniel Rosende Völker von SMA.

    Für hochpreisige deutsche Firmen besteht die Herausforderung darin, den Kunden zu überzeugen, dass Billigprodukte auf Dauer deutlich teurer sind ("Lo más barato sale muy caro"). Im Bergbau ist diese Botschaft bereits angekommen. Denn Produktionsausfälle gehen dort schon nach wenigen Minuten "richtig ins Geld". Auch Colbún legt Wert auf viel Qualität – und andere Stromerzeuger, etwa Enel – mussten bereits mit erzwungenen Neuanschaffungen ihre Erfahrungen machen.

    Tatsächlich sind die Anforderungen an das Equipment vor Ort je nach Standort hoch: extreme Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, viel Staub, Höhen über 2.000 Metern, die insbesondere der Elektronik zu schaffen machen (und deren Isolationsfähigkeit von der Luftdichte abhängt).

    Vor-Ort-Produktion bleibt unrealistisch

    In der AHK Chile wurde schon oft diskutiert, ob sich für Chile der Bau einer Fabrik für Solarmodule oder zumindest einzelner Komponenten lohnt. Um nicht mit dem zwischen Chile und China bestehenden Freihandelsabkommen in Konflikt zu geraten, könnte es sich dabei beispielweise um Module handeln, die speziell an die Bedingungen in der Atacama-Wüste angepasst sind. Bislang wurden entsprechende Ideen jedoch nicht verwirklicht.

    Ausschlaggebend, so Cornelia Sonnenberg, Hauptgeschäftsführerin der AHK Chile, ist neben der Zeit für Genehmigungsverfahren und den Kosten vor allem die notwendige Verfügbarkeit von Fachkräften. Gerade letztere beeinflussen die Konkurrenzfähigkeit jeglicher Industriebranche. Insofern muss jeder Anlauf zu einer neuen Industriepolitik diese Faktoren eines offenen Marktes berücksichtigen oder aber tief in die Subventionstaschen greifen.

    Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

     Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Exportinitiative Energie

    Informationen zu Veranstaltungen, Markt- und Länderinformationen

    Factsheets der Exportinitiative Energie

    Factsheets mit allgemeinen Energieinformationen zum Land (teilweise mit Technologie- oder Anwendungsfokus)

    AHK Chile

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    ACERA 

    Chilenischer Verband für erneuerbare Energien und Speicherung

    ACESOL

    Fachverband für Solarenergie

    Comisión Nacional de Energía - CNE

    Nationale Energiekommission

    Coordinador Eléctrico

    Unabhängiges technisches Gremium, zuständig für die Koordination des Betriebs aller miteinander verbundenen Anlagen des nationalen Stromnetzes

    Energía Abierta 

    Informationsportal der nationalen Energiekommission 

    Fraunhofer Chile

    Anwendungsorientierte Forschung zu Fotovoltaik, Solarthermie, Prozesswärme, Wärmespeicherung sowie Wasseraufbereitung/Entsalzung.

    Generadoras de Chile

    Wirtschaftsverband der chilenischen Stromerzeuger

    Ministerio de Energía

    Energieministerium 

    Servicio de Evaluación Ambiental - SEA

    Dienst zur Bewertung der Umweltverträglichkeit

    Superintendencia de Electricidad y Combustible - SEC

    Aufsichtsbehörde für Elektrizität und Brennstoffe

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