Die Smart City Shanghai ist Vorreiter, aber nicht einzigartig. In China werden hunderte Smart-City-Projekte umgesetzt. Auch entlang der Seidenstraße wird das Konzept exportiert.
Smart Cities sind im Reich der Mitte als Konzept und Vision weit verbreitet. In der Regel gibt Beijing den Rahmen vor, während einzelne Städte die Projekte unter Anpassung an lokale Besonderheiten umsetzen. Finanziert werden die Vorhaben zum Großteil sowohl durch Mittel der Zentral- als auch der Regionalregierungen. Längst realisieren chinesische Firmen zudem Smart-City-Projekte im Ausland – oder sind zumindest daran beteiligt.
So wurde bereits Ende November 2018 das Zentrum für Smart-City-Kooperation zwischen China und den ASEAN-Staaten in Nanning gegründet; Partnerschaften mit Städten im ASEAN-Raum folgten. In seiner von der US-China Economic and Security Review Commission im Januar 2020 beauftragten Studie identifizierte SOS International LLC fast 400 Fälle von insgesamt 34 verschiedenen chinesischen Unternehmen, die bei Smart-City-Projekten in 106 Ländern involviert waren und entsprechende Technologien exportierten.
Die Entwicklung von Smart Cities in Chinas Fünfjahresplänen
Bereits im neunten Fünfjahresprogramm (1996-2000) wurden die Grundlagen einer landesweiten Informationsinfrastruktur gelegt. Neue technologische Möglichkeiten eröffneten in den folgenden Fünfjahresplänen immer mehr Bereiche und mündeten erstmals im Smart-City-Konzept, das im 2011 veröffentlichten zwölften Fünfjahresprogramm Erwähnung fand. Der seit dem 13. Fünfjahresprogramm geprägte Begriff "New Smart City" umfasst Informations- und Kommunikationstechnologien der neuen Generation, Internet der Dinge, Big Data und Cloud sowie zunehmend den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). |
Das Marktforschungsunternehmen IDC prognostiziert, dass Chinas Ausgaben für Smart Cities 2020 um 12,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf knapp 26 Milliarden US-Dollar (US$) steigen werden. Damit belegt das Land weltweit den zweiten Rang hinter den USA. Bis 2024 dürfte über die Hälfte der chinesischen Ausgaben auf nachhaltige Infrastruktur, von Daten getriebene Governance und digitales Management entfallen.
Der Ansatz, im öffentlichen Raum erfasste Daten mit privatwirtschaftlichen Daten zu kombinieren, um neue intelligente Lösungen (etwa bei Verkehrs- oder Stadtplanung) zu erreichen, ist Teil fast aller chinesischen Smart-City-Konzepte. Ebenso spielt die Überwachung des öffentlichen Raums durch Kameras, die teilweise die Gesichtserkennung ermöglichen, in der Regel eine wichtige Rolle.
Gemäß der Studie von SOS International LLC sollen schon bis Ende 2020 landesweit rund 626 Millionen Videokameras installiert werden. Intelligente Systeme bilden auch einen wesentlichen Bestandteil des Überwachungssystems in der chinesischen Westprovinz Xinjiang. Daran beteiligte Firmen wie Hikvision, Dahua, iFlytek, Megvii Technology, SenseTime oder Yitu Technologies stehen daher inzwischen auf der schwarzen Liste des Handelsministeriums der Vereinigten Staaten.
Der Technologiekonflikt zwischen den USA und China könnte die Attraktivität von Smart Cities "made in China" künftig in einigen Ländern schmälern.
Bereits seit 2019 steht Huawei, der weltweit führende 5G-Anbieter und erfolgreiche Exporteur von Smart-City-Projekten, auf dieser Liste. Nach firmeneigenen Angaben wurden bislang Vorhaben für über 200 Städte in mehr als 40 Ländern umgesetzt. Huawei setzt auf Intelligent Twins, um Planung und Bau verschiedener technischer Plattformen wie 5G, Cloud, KI und intelligente Terminals zu koordinieren, aufeinander abzustimmen und damit die Zusammenarbeit bei unterschiedlichen Dienstleistungen zu ermöglichen. Im März 2020 adressierte Huawei Sicherheitsbedenken bei der Umsetzung von 5G-basierten Smart Cities im White Paper "Security Considerations for 5G Smart City", das es gemeinsam mit CAICT und China Mobile veröffentlichte.
Bei der Verleihung des World Smart City Award Ende November 2020 standen gleich in zwei Kategorien Huawei-Kunden auf Platz 1: Shanghai in der Kategorie "City Award" und Shenzhen beim "Enabling Technologies Award". Shanghais digitale Infrastruktur zählt zu den besten des Landes. Bereits bis 2022 beabsichtigt die Stadt, knapp 39 Milliarden US$ in intelligente und neue Infrastruktur zu investieren, darunter 5G, Internet-Datenzentren, Cloud, KI-Anwendungen und Infrastruktur für (teil-)autonomes Fahren. Die Auszeichnung brachten vor allem das "12345"-Projekt (durch Big Data und KI unterstütztes "Bürgertelefon" und Informationssystem) sowie das Vorhaben "IoT, Data and Intelligent Connection" im Bezirk Huangpu, wo ein intelligentes Urban Operation Management Center eingerichtet wird.
Ausgewählte chinesische Unternehmen im Bereich Smart Cities (Stand: 2020)
Umfassender ist das ebenfalls von Huawei in wesentlichen Teilen realisierte "Pengcheng Intelligent Twins"-Konzept in Shenzhen, das sechs Systeme umfasst: öffentlicher Dienst, öffentliche Sicherheit, Stadtverwaltung (Governance), Smart Industry, Big-Data-Dienstleistungen und Perception Network. Es verbindet intelligente Lösungen für den öffentlichen, privaten sowie innovativen Wirtschaftssektor. Unter anderem soll eine City-Cloud-Plattform eine Vielzahl von E-Government-Dienstleistungen ermöglichen und Behördengänge deutlich reduzieren. Anmeldung und Genehmigung einer Unternehmensregistrierung sollen so kontaktlos und in weniger als einer Minute möglich sein.
Auch andere große Namen wie Alibaba, ZTE, Tencent oder Ping An sind bei Smart-City-Projekten dabei. So sorgte Alibabas erstmals 2017 in Hangzhou vorgestellte City-Brain-Plattform für Furore. Sie verbindet verschiedene Plattformen für IT, KI, Big Data sowie Real-Time-Rechenleistung. Basierend auf den erhobenen Daten werden durch KI-Einsatz Tausende intelligenter Ampeln gesteuert und koordiniert. Dadurch wird der Verkehrsfluss verbessert und die Zeiten bis zum Eintreffen von Polizei, Ambulanz oder Feuerwehr deutlich verkürzt. Bereits Ende 2019 wurde Alibabas City Brain in 23 Städten mit 48 kundenspezifischen Anwendungen vor allem in der Volksrepublik, aber beispielsweise auch in Kuala Lumpur in Malaysia eingesetzt.
Für ausländische Firmen ist es bislang schwierig, sich an Smart-City-Projekten in China zu beteiligen. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel.
So gelang es SAP im Jahr 2016, ein intelligentes Verkehrssystem in Nanjing aufzusetzen. Das führende deutsche Software-Unternehmen ist zudem bei weiteren Vorhaben mit chinesischen Partnern aktiv. Audi wiederum setzt seit 2018 unter anderem gemeinsam mit Huawei, China Mobile und Ford in Wuxi das erste stadtweite "Internet of Vehicle LTE-V2X (Vehicle to everything)"-Pilotprojekt um. Generell ist für innovative Multi-Szenario-Lösungen im Bereich Smart Cities die Zusammenarbeit verschiedener Partner notwendig – und zwar im Reich der Mitte und noch vielmehr außerhalb der Volksrepublik.
Von Corinne Abele
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Shanghai