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Special China Seidenstraße
Chinas digitale Seidenstraße wird vor allem von den großen Tech-Firmen des Landes umgesetzt. Immer häufiger beteiligen sie sich an der Tech-Szene anderer Länder.
09.12.2020
Von Corinne Abele | Shanghai
Schon lange bevor die digitale Seidenstraße offiziell die politische Bühne betrat, waren die großen Internet- und Tech-Giganten Chinas im Ausland aktiv. Seit Anfang der 2000er Jahre eroberten sie Märkte vor allem in Asien, aber auch in Afrika, Lateinamerika und Europa. Während ZTE und Huawei sowie ihre Tochterfirmen Untersee- und Überlandkabel verlegten, Datenzentren und Telekommunikationsinfrastruktur aufbauten, arbeitete vor allem Alibaba an der Erweiterung seiner E-Commerce-Welt über Chinas Grenzen hinaus.
So betrat bereits 2013 Alibabas E-Commerce-Plattform Taobao den singapurischen Markt – lange bevor die digitale Seidenstraße offiziell ausgerufen wurde. Inzwischen kontrolliert der Online-Gigant nicht nur zwei der einflussreichsten E-Commerce Plattformen in Südostasien: Lazada und Tokopedia. Parallel hat es seine Dateninfrastruktur und Logistiknetzwerk aufgebaut. Dies geschah häufig in Kooperation mit oder durch lokale Partner. Bereits 2016 betonte Jack Ma, Gründer von Alibaba, auf dem International Economic Forum in Russland, dass die für die Firma wichtigsten Regionen entlang der Seidenstraße lägen.
Das Beispiel Alibaba zeigt, dass die digitale Seidenstraße zwar von Chinas Tech-Giganten sowohl bei Infrastruktur als auch bei Anwendungen umgesetzt wird, die Firmen aber vor allem auch ihren eigenen Geschäftsstrategien folgen. Der Kampf um Marktanteile - vor allem in innovativen digitalen Wachstumsbereichen angefangen von Digital Health über Mobile Payment und FinTech bis hin zu Ride-Hailing - geht entlang der Seidenstraße weiter.
So erreicht Tencent mit seiner aufgrund ihres Datenzugriffs in starke Kritik geratenen Mega-Social-App Wechat zunehmend Nutzer außerhalb Chinas. WeChat hat eigene Niederlassungen unter anderem in Australien und Indonesien, sich an Vietnams E-Commerce-Giganten Tiki beteiligt sowie ein Joint Venture mit der thailändischen Einzelhandelsgruppe Central Group gegründet. Durch derartige Beteiligungen nutzen Chinas Internetfirmen die spezifische Marktkenntnis und Kundennähe der regionalen E-Commerce-Anbieter; gleichzeitig verbinden sie diese mit dem eigenen Logistiknetzwerk und erweitern ihre Datenbasis im jeweiligen Markt.
Auch Chinas Ride-Hailing Super-Plattform Didi Chuxing ist bereits seit langem in Asien und damit auch entlang der Seidenstraße unterwegs. Mit der App werden Fahrgäste an Fahrer vermittelt. Entstanden aus der wettbewerblichen Patt-Situation zwischen Alibabas Kuaidi Dache und Tencents Didi Dache 2015, dominiert die Plattform den chinesischen Markt. Bereits 2015 investierte Didi Chuxing in die Ride-Hailing-Plattformen Grab (Indonesien), Lift (USA) sowie Ola (Indien). Ganz übernahm es 2017 Taxify (jetzt Bolt), das Ride-Hailing in Afrika und Europa anbietet sowie die brasilianische Mobilitätsplattform 99. Unter eigener Flagge ist die Plattform inzwischen in Japan und Australien, aber auch seit 2020 in Russland, Neuseeland und der Dominikanischen Republik tätig.
Von strategischer Bedeutung für den jeweiligen Marktzugang sind auch mobile Bezahlsysteme und FinTech-Apps, die über strategisch wichtige Daten zur Kundenkaufkraft, Kreditwürdigkeit und Kaufverhalten verfügen. Im Heimatmarkt China liefern sich seit Jahren vor allem Alibabas Alipay und Tencents WechatPay einen harten Kampf. Entlang der Seidenstraße sind beide mobilen Bezahlsysteme bereits unterwegs. Gemäß des Fintech100 Report 2019 von KPMG und H2 Ventures befinden sich die chinesischen FinTech-Anbieter Ant Financial (Alibaba), JD Digits (JD.com) und Du Xiaoman Financial (Baidu) unter den Top 10 FinTech-Unternehmen weltweit. Ihre Hauptkunden sind zwar hauptsächlich in China; doch haben sie andere Märkte im Visier – nicht zuletzt über Beteiligungen an dort heimischen Anbietern.
So befindet sich Indiens mobiler Bezahldienst Paytm, der PayPal in Asien vom dritten Platz verdrängt hat, zu 30 Prozent im Besitz von Ant Financial. JD.com und Tencent haben sich an der indonesischen App Gojek beteiligt, die als Ride-Hailing Plattform startete und inzwischen Bezahldienste, Food Delivery und andere Fintech- und Shopping-Dienstleistungen anbietet. Anfang 2019 übernahm Gojek wiederum coins.ph – ein in den Philippinen beliebter mobiler Bezahldienst. Bereits 2017 hatte Ant Financial in die philippinische Mobile Wallet App Mynt investiert. An Gojeks singapurischem Erzrivalen Grab ist der chinesische Versicherer und KI-Tech-Gigant PingAn bereits beteiligt. Während Alibaba Zeitungsberichten zufolge beabsichtigt 4 Milliarden US-Dollar in das Unternehmen zu investieren; Gespräche sollen laufen. Chinas große Internetgiganten sind damit direkt oder indirekt an den in Südostasien dominierenden Bezahlplattformen beteiligt.
Auch durch Schulungen für Talente oder junge Start-ups aus den Ländern entlang der Seidenstraße erweitern Chinas digitale Giganten ihren Einfluss auf die dortige Tech-Szene. Amy Karam vom Canadian Global Affairs Institute sieht eine deutliche Absicht der digitalen Seidenstraße darin, Tech Business Parks in Partnerländern zu gründen, die China einen Einblick in und potenziellen Zugang zu künftigen Tech-Innovationen und Start-ups ermöglichen.
Wuchs Chinas digitales Empire lange unbemerkt über die Landesgrenzen hinweg, trifft es inzwischen auf Widerstand. So versuchen die USA ByteDance´s App TikTok sowie WeChat zu verbieten. In Indien waren Anfang Dezember 2020 bereits über 200 chinesische Apps geblockt. Und das könnte erst der Anfang sein. Chinesische Beteiligungen – auch Minderheitsbeteiligungen – an hoffnungsvollen Tech-Start-ups dürften künftig schwieriger werden. Als jüngster Fall soll Pressemeldungen zufolge Ant Financial beabsichtigen, seine Beteiligung am indischen FinTech Paytm zu verkaufen. Die sich verschlechternden diplomatischen Beziehungen zwischen Indien und China sollen laut Bloomberg einer der Hauptgründe dafür sein.
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